Moment mal!. Fabian Vogt
es aus ganzem Herzen geliebt wird. Ich feiere jetzt jeden Tag Valentinstag.«
Nun ist das aber mit kleinen Kindern gar nicht so einfach. Immer wenn mein Freund sagte: »Junge, ich hab dich lieb«, erwiderte der nur: »Papa, geh mal bitte aus dem Bild.« Kranke Kinder gucken halt viel Fernsehen. Da überlegte sich mein Freund: »Nachts, wenn der Junge schläft, dann ist er mir ja hilflos ausgeliefert.« Und er schlich sich jede Nacht mehrmals an das Bett seines Sohnes, um ihm zuzuflüstern: »Ich habe dich unendlich lieb.«
Heute ist der Junge wieder gesund, und mein Freund sagt ganz bewegt: »Natürlich kann ich es nicht beweisen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Liebe, die wir ihm gezeigt haben, zu seiner Heilung beigetragen hat. Außerdem habe ich selbst neu entdeckt, dass die Liebe wichtiger ist als alles andere. Das hatte ich vorher leider allzu oft verdrängt.«
Und ich dachte als Pfarrer: Eigentlich ist der christliche Glaube nichts anderes als 365 Tage Valentinstag. Das Wissen, es gibt einen Gott, der mir täglich zuflüstert: »Ich habe dich unendlich lieb.«
FEBRUAR
15
Galileo Galilei
Am 22. Juni 1633 wird ihm in der Basilika »Santa Maria sopra Minerva« der Prozess gemacht: diesem Wissenschaftler, der mit seinen kühnen Thesen das ganze damalige Weltbild aus den Angeln zu heben droht.
Galileo Galilei heißt der aufmüpfige Mathematiker, Physiker und Philosoph. Und er hat etwas ganz Banales getan: Er hat als einer der ersten Menschen mit dem gerade erfundenen Fernrohr den Himmel betrachtet. Und dabei festgestellt: Irgendetwas stimmt hier nicht. Angeblich dreht sich doch die Sonne um die Erde. Aber das passt überhaupt nicht zu den konkreten Beobachtungen. Es ist eher andersherum: Es scheint, als ob sich die Erde um die Sonne drehen würde.
Der Kirche schmeckt das überhaupt nicht, wird doch da das von ihr vertretene Weltbild in Frage gestellt. Dieses Weltbild ist zwar weder biblisch noch wissenschaftlich – aber es geht ja auch um Macht. Die Kirche kann doch nicht irren. Und die Erde ist der Mittelpunkt, um den sich alles dreht.
Heute wissen wir: Die Kirche hat sich geirrt. Galileo Galilei aber hat damals im Jahr 1633 seinen umstürzlerischen Thesen trotzdem abgeschworen. Aus Angst. Allerdings soll er noch im Hinausgehen gemurmelt haben: »Und sie bewegt sich doch!«
Richtig. Heute feiern die Freunde von Galileo seinen Geburtstag. Zum Glück auch viele Christen, die sich über die falsch verstandene »Rechtgläubigkeit« der damaligen Kirchenoberen nur wundern können.
FEBRUAR
16
Grease
Rock ’n’ Roll und Cadillacs, Pferdeschwänze und Partys, Pomade und Petticoats: »Grease« ist eines der erfolgreichsten Musicals der Welt und wahrscheinlich die leidenschaftlichste Liebeserklärung an die 50er-Jahre, die je auf die Bühne kam. Geballte Lebenslust, die bis heute ansteckt.
Vielleicht liegt das ja auch an der Entstehungsgeschichte des Stücks. In einer bierseligen Runde haben ein paar Freunde die verrückte Idee: »Hey, lasst uns mal ein Musical schreiben.« Einer setzt sich mit seiner Gitarre hin. Und dann wird das Machwerk aufgeführt. In einem alten Geräteschuppen in Chicago. Mit einem Budget von 171 Dollar, 18 Laiendarstellern und 120 Zuschauern. Das Ganze passierte Mitte Februar, dauerte fünf Stunden und sollte eigentlich nur ein kleiner Spaß sein. Es wird aber ein ganz großer, der schon ein Jahr später am Broadway Premiere hat.
Klar, das ist eher die Ausnahme. Aber es passiert: Unbekannte Künstler landen plötzlich einen Welthit.
Warum interessiert mich das als Pfarrer? Ganz einfach: weil die Bibel eigentlich andauernd solche Geschichten erzählt. Kleine, bislang nicht besonders prominente Leute verändern die Welt. Plötzlich sind sie große Künstler, Volkshelden, Propheten, Apostel oder Lebensretter. Die Botschaft dahinter ist ganz einfach: In jedem Menschen wohnt die Kraft, die Welt zu verändern – wenn er sich von Gott dazu berufen lässt. Das finde ich unglaublich motivierend. Vielleicht sollte ich mal wieder ein Musical schreiben …
FEBRUAR
17
Konjunktur 2
Das sieht ja nicht gerade gut aus mit der Konjunktur. Gruselige Wirtschaftsprognosen, furchterregende Insolvenzen und schreckliche Arbeitslosenzahlen. Wer auf Horrorliteratur steht, braucht nur eine Börsenzeitung aufzuschlagen. Und wenn ich mit meinen Freunden spreche, dann entdecke ich eines jedenfalls nicht: blühenden Optimismus. Ziemlich flaue Zeiten. Wobei ich mich seit Langem frage: Was ist wohl zuerst da – die miesen Zahlen oder die miese Stimmung? Was meinen Sie?
Wer deprimiert oder wütend auf die Konjunkturdaten guckt, der hat zurzeit natürlich gut schimpfen. Aber: Es ist auch ganz nützlich, sich mithilfe der nervenaufreibenden Entwicklungen vor einer viel dringenderen Frage zu drücken: Wie sieht es eigentlich mit der »privaten Konjunktur« aus?
Haben Sie schon mal daran gedacht, für Ihr Leben Konjunkturdaten aufzustellen? Zufriedenheitsindex, Corporate Identity oder Entwicklungspotenzial? Wäre vielleicht eine Unternehmensberatung dran? Sind Sie gerade im Aufwärts- oder im Abwärtstrend? Ich bin überzeugt: Einige Leute könnten ein Stück Himmel auf Erden erleben, wenn sie die gleiche Energie, die sie in die Wirtschaftsentwicklung stecken, in ihre eigene Entwicklung investieren würden.
Komischerweise sieht Gottes Vorschlag noch mal ganz anders aus! Er sagt: Glück, Geborgenheit, Erfüllung und Sinn sollten völlig unabhängig von allen Konjunkturdaten sein. Wenn das Gelingen eines Lebens von der Konjunktur abhängt, dann stimmt etwas nicht. Wirklich zufrieden ist nur der, dessen Dasein nicht von Äußerlichkeiten bestimmt wird. Die mittelalterlichen Mystiker nannten das »Gelassenheit«. Atmen Sie mal durch!
FEBRUAR
18
Heinrich Heine
»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.«
Tja, das wusste der große Heinrich Heine, der Dichter des Liedes von der »Loreley«, offensichtlich selbst nicht so recht, denn er versuchte sein Leben lang auf immer neue Weise, die eigene Traurigkeit loszuwerden. Und das führte zu einer ganz bizarren Biografie: Heine wird in einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, tritt mit 28 in die evangelische Kirche ein, heiratet mit 44 katholisch und gilt dann lange als Vorreiter des Atheismus.
Und dabei ist er als Autor sogar in der Lage, Jesus liebevoll zu verspotten: »Mit Wehmut erfüllt mich jedes Mal/Dein Anblick, mein armer Vetter./Der Du die Welt erlösen gewollt,/Du Narr, Du Menschheitsretter.« Heine möchte sich und die Welt lieber selbst mit Lust und Leidenschaft retten.
Doch als ihn eine unheilbare Krankheit ans Bett fesselt, ändert sich sein Ton plötzlich: »Das himmlische Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, über die schwindligsten Bergpfade.« Der ewig skeptische Satiriker sucht verzweifelt einen Gesprächspartner, mit dem er über seine anhaltende Traurigkeit reden kann – und landet am Ende doch wieder bei Gott.
Morgen ist Heinrich Heines Todestag. Und die Experten diskutieren immer noch darüber, ob der Dichter seine Traurigkeit durch die Gespräche mit Gott nun tatsächlich losgeworden ist oder nicht. Na, eines ist jedenfalls klar: Heine hat mit Gott so genussvoll gestritten, so herzlich über ihn geflucht und so fröhlich gelästert, wie es ein echter Atheist ja leider nie erleben kann – weil er gar nicht an Gott glaubt. Schade für ihn. »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …«
FEBRUAR