Mississippi Melange. Miriam Rademacher

Mississippi Melange - Miriam Rademacher


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schon wieder an seinem Krawattenknoten.

      »Seit wann gibst du Nachrichten für sie weiter oder empfängst welche?«, hakte ich ungeduldig nach.

      »Ach, jetzt verstehe ich.« Lasse lachte erleichtert auf. »Du bist der Milchbubi.«

      Das war genau der Moment, in dem ich meinen Freund gerne an seiner Krawatte quer durch den Laden geschleift hätte, aber ich konnte mich bezähmen. Ich war die Ruhe selbst, ich würde bald die Yogastunden im Fitnesscenter ganz übernehmen. Und zwar an dem Tag, an dem ich bei Maiberg kündigen würde!

      »Milchbubi?« Ich zog die Silben absichtlich in die Länge und beobachtete, wie Lasses Lächeln erlosch.

      »Das hab nicht ich gesagt! Jedenfalls nicht zuerst. Katalie hat es gesagt. Sie meinte, ein Milchbubi würde kommen und mich nach einer Nachricht fragen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du damit gemeint warst.« Er hob abwehrend die Hände.

      »Schon gut«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Und wie lautet nun also diese Nachricht, du toter Briefkasten, du?«

      »Also eigentlich ist es ja gar keine richtige Nachricht. Es ist ein Briefumschlag. Er lag heute vor der Ladentür.«

      »Erst heute? Und er hat keine Briefmarke?«, fragte ich und spürte, wie ich mich schon wieder aufregte. Sie war heute in aller Frühe auf meiner Straßenseite an meiner Haustür vorbeigeschlichen und ich hatte sie nicht bemerkt. Wie erniedrigend konnte dieses Spielchen eigentlich noch werden?

      Lasse schüttelte den Kopf und reichte mir einen großen braunen Umschlag.

      Ich riss ihn gleich auf und heulte fast, als ich die neueste Ausgabe der Daisy in Händen hielt. »Was soll das? Die bekomme ich doch sowieso zugeschickt.«

      »Ja, aber jetzt weißt du, dass eine Nachricht für dich drin sein muss, nicht wahr?« Lasse versuchte schon wieder, heiter zu klingen.

      Ich klemmte mir die Daisy unter den Arm und wandte mich grußlos ab. Katalie und ihre Spielchen konnten mir gestohlen bleiben. Ich würde Maiberg noch heute schreiben, dass er sich einen neuen Spitzel für diesen Job suchen konnte. Die Kleine und ihre verrückten Einfälle gingen mich ab sofort nichts mehr an. Was zu viel war, war eben zu viel. Ich ließ mich nicht für dumm verkaufen.

      »Sieht aus, als hätte der Postbote uns die Stromrechnung gebracht.« Mein Vater hatte ein ganz großes Talent dafür, einem schon frühmorgens den Tag zu versauen. »Und deine Telefonrechnung ist auch gekommen.«

      Ich bedachte ihn mit dem bösesten Blick, den ich auf Lager hatte.

      »Was ist denn los mit dir? Du hast doch in letzter Zeit einen Haufen Geld verdient. Und das auch noch auf höchst angenehme und gemütliche Weise. Da können dich doch ein paar Rechnungen nicht schrecken.«

      Ich senkte den Blick und schob mich an meinem Vater vorbei. Wieder an meinem Arbeitsplatz vor dem Schreibtisch angekommen ging ich in mich und dachte nach: Es war die Arbeit für Maiberg gewesen, die eine neue Leichtigkeit in meinen Alltag gebracht hatte. Keiner meiner anderen Jobs brachte auch nur annährend gleich viel Geld ein. Wollte ich also wirklich diese Gans schlachten, nur weil Katalie mich ein bisschen an der Nase herumführte? Wollte ich nur des Stolzes wegen auf warme Leberpastete verzichten?

      Ich haderte noch ein paar Minuten mit mir selbst. Dann schlug ich die neue Ausgabe der Daisy auf und begann zu lesen. Ich las das ganze Blatt von vorn bis hinten durch, ganz besonders der Bitte-melde-dich-Seite schenkte ich meine Aufmerksamkeit. Doch eine Nachricht, die für mich relevant gewesen wäre, konnte ich nicht entdecken.

      »Kommen wir voran?«, fragte mein Vater und kratzte an den Eigelbspuren auf seinem Revers herum.

      »Nicht wirklich«, gestand ich und wedelte mit der Daisy vor seiner Nase herum. »Lasse hat mir das hier gegeben. Es soll eine Nachricht von Katalie enthalten, aber ich kann sie nicht finden.«

      »An wen würde Katalie ihre Worte denn richten?« Die Augen meines Vaters blickten listig.

      »Na, an mich. Oder etwa nicht?« Verwirrt sah ich zu ihm herüber und beobachtete ihn dabei, wie er die Situation ganz offensichtlich genoss.

      »An dich? Kennt sie dich denn? Wo du sie doch überhaupt nicht kennst, wie du mir gesagt hast.«

      Ich hasste es, wenn er mehr zu wissen glaubte als ich und mich das auch noch spüren ließ. Musste mich denn alle Welt heute Morgen wie einen kompletten Idioten behandeln?

      »Würde Katalie ihre Nachricht nicht eher an einen Ritter, einen Bruder oder Zahnarzt richten? Oder vielleicht an einen Geheimagenten?«

      Er hatte natürlich Recht. Warum nur gelang es ihm scheinbar so mühelos, sich in Katalies Gedankenwelt zurechtzufinden, wohingegen ich wie ein Elefant darin herumtrampelte? Noch einmal nahm ich mir die letzte Seite der Daisy vor und studierte die persönlichen Nachrichten. Etwa auf der Hälfte der kurzen Texte blieb mein Blick hängen.

      »Frechheit«, entfuhr es mir. »Sie hat an den Milchbubi geschrieben.«

      Dicht an meiner linken Wange fühlte ich jetzt den Atem meines Vaters, der mir über die Schulter blickte. Er roch nach Eiern und Senf. »Liebes Jungchen, triff mich bei Miss Melange zur fünften Stunde«, las er laut vor. »Ja, das passt. Jungchen und Melange klingen sehr nach Milchbubi. Gratuliere, mein Sohn. Du hast deine Nachricht gefunden.«

      Ich warf die Daisy auf den Boden und hackte auf die Tastatur meines Laptops ein. Endlich hatte ich die Spur, die ich brauchte.

      Derweil dachte mein Vater laut nach und wanderte dabei im Zimmer herum. »Bei Miss Melange muss es sich um eine Ausländerin handeln. Eine Engländerin oder Französin, vielleicht? Sie ist noch sehr jung, denn sie ist eine Miss. Es könnte sich um ein Au-pair-Mädchen handeln. Kennst du ein Au-pair-Mädchen in der Gammelgade, Smiljan?«

      Ich blickte vom Bildschirm auf und sah meinen Vater lange an. Diesmal war ich es, der eine überhebliche Miene aufsetzen konnte. »Tja, Vater, dieses Mal liegst du leider total daneben. Überzeug dich selbst.« Ich deutete auf den Laptop. »Bei der Miss Melange handelt es sich um ein Café in Esbjerg. In einer Seitenstraße zwischen den Hafenanlagen und der Innenstadt. Keine Toplage, aber für Touristen gerade noch interessant.«

      »Wie klug unsere kleine Katalie doch ist.« Mein Vater schmunzelte. »Und dort wird sie sich also heute um fünf mit dir treffen.«

      »Irrtum«, erwiderte ich. »Sie wird mich früher treffen. Ich werde jetzt gleich dorthin gehen. Ich werde nicht tun, was sie von mir erwartet, ich kann eigenständig denken und handeln. Und das werde ich ihr jetzt auch beweisen.«

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