Wenn Schuldgefühle zur Qual werden. Doris Wolf
hat überhaupt nicht stattgefunden und deshalb trifft mich auch keine Schuld.“
Manche verleugnen generell ihr Verhalten.
Vorteil: Schuldgefühle werden reduziert.
Nachteil: Das Verhalten kann nicht richtig in seinem Ausmaß eingeschätzt und korrigiert werden.
Sie haben sicher gemerkt, dass sich meine Auflistung auf Strategien beschränkt, die nicht oder nur teilweise hilfreich sind. Angemessene und hilfreiche Strategien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich an den Tatsachen orientieren, das heißt den Einfluss unseres Verhaltens weder verleugnen, noch unter- oder überschätzen, dass wir unsere eigene Verantwortung sehen, uns aber nicht für Unkontrollierbares verantwortlich sehen, dass wir keine übertriebenen Schlussfolgerungen ziehen. In Teil II des Buches werden wir zusammen an diesen Strategien arbeiten. Sicher haben Sie selbst auch schon einige der oben aufgeführten Strategien eingesetzt. Manchmal nutzen wir zuerst die eine, dann die andere Strategie. Oder aber wir setzen in unterschiedlichen Bereichen unterschiedliche Strategien ein. Beispielsweise ziehen wir uns am Arbeitsplatz jeden Schuh an, während wir in der Partnerschaft vehement unsere Fehler abstreiten. Gemeinsam ist diesen Strategien, dass wir uns nicht mit den die Schuldgefühle erzeugenden Einstellungen befassen und diese korrigieren. Außerdem überprüfen wir nicht, ob unsere Schlussfolgerungen der Situation angemessen oder ob sie übertrieben sind. Wir schieben entweder die Schuld auf andere oder verurteilen unsere gesamte Person. Wir trennen nicht zwischen einem Verhalten, das wir gezeigt haben, und unserer Person.
2.5Wie erzeugen wir Schuldgefühle bei anderen Menschen?
Sie haben richtig gelesen. Auch wir sind nicht nur Opfer. Die Technik der Schuldgefühle-Erzeugung setzt jeder Mensch bisweilen ein. Zum einen hängt das damit zusammen, dass wir das, was wir in der Kindheit von anderen vorgelebt bekommen haben, meist automatisch als Erwachsene auch anwenden. Zum anderen haben wir auch die Vorteile der Schulderzeugung entdeckt. Und warum sollten wir nicht auch diese Techniken einsetzen, wenn sie gut funktionieren? Vorwürfe wie „Wie konntest du mich nur belügen?“, „Von dir hätte ich das am allerwenigsten erwartet.“, „Du hast mich verletzt.“, „Die ganze Zeit habe ich auf dich gewartet.“, „Mir wäre das nicht passiert.“, „So unfair, wie du dich mir gegenüber verhälst.“, „Wenn man sich liebt, dann macht man das nicht …“, „Wenn du mich lieben würdest, hättest du …“, „Na ja, dann mach ich es eben selbst …“, „Ich hatte mich so gefreut, aber wenn es halt nicht geht …“, „Muss das denn sein?“, sind Ihnen sicher auch schon über die Lippen gekommen. Wir setzen Schuldgefühle meist dann ein, wenn wir uns verletzt fühlen und es „dem anderen heimzahlen“ wollen – als Rache oder Bestrafung. Uns treibt die Hoffnung, dass der andere sich ändert, weil er sich schlecht fühlt. Häufig verwenden wir dabei das Wörtchen „man“: „Man tut nicht oder man tut“, um uns quasi noch Rückendeckung von der Allgemeinheit zu holen. Wir tun so, als ob wir allgemeingültige Regeln vertreten, in Wirklichkeit sind es meist jedoch nur unsere eigenen. Schuldgefühle können in einer Partnerschaft oder Freundschaft eingesetzt werden, um den Partner oder Freund zu von uns erwünschtem Verhalten zu bewegen und um uns durchzusetzen.
Die gebräuchlichsten Strategien sind:
•den anderen an seine Verpflichtung innerhalb der Beziehung zu erinnern:
„Du hattest mir doch versprochen, dass …“
•den anderen erinnern, dass man wegen ihm ein Opfer bringen muss:
„Wenn du es nicht machst, muss ich halt auf meinen Feierabend verzichten.“
•dem anderen klarmachen, dass man selbst mehr für die Beziehung tut:
„Ich habe jetzt schon viermal eingekauft und du hast dich noch kein einziges Mal darum gekümmert.“
•den anderen auf Widersprüche zwischen Vorsatz und Verhalten hinweisen: „Du rauchst ja schon wieder.
Ich dachte, du wolltest aufhören.“
•die Gefühle des anderen in Frage stellen:
„Wenn du mich liebtest, dann würdest du …“
•nonverbal Leiden und Kränkung signalisieren durch trotzen, nicht sprechen, leidende Blicke, stöhnen
•nach Jahren noch an vergangene „Untaten“ erinnern: „Weißt du noch, damals …? Das kann ich dir nie verzeihen.“
•mit anderen vergleichen:
„Der Mann meiner Freundin macht doch auch …“
•auf die schlechte Meinung anderer verweisen: „Was würden deine Eltern nur von dir denken?“
•den Märtyrer spielen indem man sich aufopfert und versucht, den anderen in Zugzwang zu bringen: „So viel, wie ich für dich tue, da musst du doch wenigstens …“
Wenn wir Glück haben, lässt der andere sich zumindest äußerlich durch unser „Schuld-Programm“ manipulieren. Doch meist brodelt in seinem Innern der Widerstand. Er fühlt sich eingeengt, unter Druck gesetzt. Scheinbar hat er nur zwei schlechte Alternativen zur Verfügung: 1. Er richtet sich nach unseren Vorstellungen und hat den Eindruck, gezwungen zu sein. 2. Er richtet sich nach seinen Wünschen und hat Schuldgefühle. Langfristig können Schuldgefühle eine Beziehung gehörig belasten oder sogar zur Beendigung der Beziehung führen. Der Partner hat es satt, sich in seiner Freiheit ständig beschnitten zu sehen und ständig mit schlechtem Gewissen umherlaufen zu müssen. Entscheiden wir uns für die Märtyrerrolle, indem wir unsere Wünsche zurückstellen und alles für den Partner tun, in der Hoffnung, es komme eines Tages an uns zurück, befinden wir uns meist auf auswegloser Position: Unsere Interessen werden nicht umgesetzt und wir bekommen nichts zurück. Die Manipulation durch Schuldgefühle ist alles in allem keine hilfreiche Strategie im Umgang mit anderen Menschen.
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