Glücksregeln für die Liebe. Pierre Franckh
(Ron Smothermon)
Sex schafft Bindungen
Wenn wir es diesmal wirklich ernst meinen, sollten wir der Partnerwahl mit einem ganz anderen Anspruch begegnen, anstatt nur dem Lustprinzip zu folgen. Auf der Suche nach dem Partner fürs Leben ist Sex nämlich erst einmal zweitrangig. Auch wenn er später noch enorm wichtig werden wird. Aber eben erst später.
Meistens drehen wir jedoch die Reihenfolge um und wundern uns, warum wir uns so schwer wieder lösen können.
Sex wird völlig unterschätzt und nur zur Befriedigung der Sinne benutzt. Aber Körperlichkeit schafft Begehrlichkeiten und Abhängigkeiten. Auch unerwünschte. Wir verbinden uns mit einer zweiten Person, werden Eins mit ihr, noch bevor wir wissen, wer sie wirklich ist, was sie mit uns vorhat und welche Überraschungen auf uns warten.
Wollen wir das wirklich? Auch wenn es nicht der Richtige ist? Die dabei entstehende Bindung bleibt! Und hängt uns lange nach! Auch wenn wir unsere Meinung längst geändert haben und eigene Wege gehen möchten.
Sex macht Spaß, ohne Frage, aber Sex hilft nicht bei der Partnersuche, sondern nur bei der anschließenden Partnerbindung. Beim Sex entsteht immer eine tiefere Bindung.
In vielen Kulturen und Religionen werden die Partner nach der Eheschließung oder einer vergleichbaren Zeremonie aufgefordert, die Ehe nun auch zu vollziehen. Seit Jahrhunderten wissen wir, dass die körperliche Vereinigung Mann und Frau zu einem Paar werden lässt.
Inzwischen hat man sogar herausgefunden, dass Frauen beim Orgasmus ein eigenes Sexualhormon ausschütten, Oxytocin. Dieses Hormon sorgt dafür, dass zu dem Geliebten fortan eine sehr enge Bindung entsteht. Es ist der reinste Klebstoff für die Beziehung. Ob die Frau es will oder nicht, dieses Hormon wirkt auf die Psyche und fesselt an den Bettgenossen. Selbst wenn sie die körperliche Nähe gar nicht mehr haben möchte.
Eine rein freundschaftliche Beziehung lässt sich leichter wieder lösen, die körperliche Vereinigung aber schmiedet zwei Menschen zu einem Paar zusammen.
Der sexuelle Akt schafft immer Bindung.
Diese Bindung lässt sich ein ganzes Leben lang nicht mehr wirklich auflösen. Ist es der Falsche, bin ich an den Falschen gebunden. So einfach ist das. Der Falsche bleibt aber immer der Falsche, da hilft kein Schönreden oder -denken. Was nützt es mir, nicht mehr alleine zu sein und trotzdem tief im Herzen einsam zu bleiben?
An den falschen Partner gebunden zu sein macht dich einsamer, als du alleine je wärst.
Ist man mit dem Falschen zusammen, selbst wenn auch nur für kurze Zeit, ist man nicht frei für den »Richtigen«. Aber was heißt »kurz«? Immer wieder kurz ergibt nämlich auch lang. Und »immer wieder« bedeutet eine Ansammlung von Verletzungen und Zurückweisungen, bis man irgendwann wirklich glaubt, beziehungsunfähig zu sein.
Gehen wir jedenfalls öfters so vor, sammeln wir auf diese Weise ganz viele verschiedene Bindungen und Verletzungen. Unsere Lebensfreude nimmt immer mehr ab. Nicht zu. Auch wenn wir dies vielleicht nicht so sehen wollen. Denn mit jeder nicht erwiderten Hingabe, mit jeder enttäuschten Hoffnung, mit jeder verletzenden Trennung verlieren wir uns selbst ein kleines Stück.
Bevor man also überhaupt in Erwägung zieht mit jemandem ins Bett zu gehen und sich mit ihm zu vereinen, sollte man erst einmal herausfinden, ob man sich überhaupt vereinen will – oder nur gegenseitig konsumieren?
Dabei sollte man die Kraft der Sexualität nicht unterschätzen. Stimmen nämlich die wesentlichsten Elemente mit dem Partner überein, denkt und fühlt man gleich, dann gibt es eine tiefe Verbundenheit, Nähe und Vertrauen. Dann kann man sich endlich fallen lassen und alle Masken ablegen. Man muss nichts mehr beweisen. Man kann sich bedingungslos hingeben.
Bedingungslose Hingabe ist die mächtigste und intensivste sexuelle Erfahrung,die du jemals haben kannst.
Wenn man einmal im Leben diese Erfahrung gemacht hat, erkennt man, dass alles andere im Vergleich dazu nur eine lächerliche Turnübung ist.
Anders gesagt, es ist einfach wesentlich schöner und aufregender, jemanden im Bett zu haben, den man liebt, mit dem man verschmilzt, auf den man sich verlassen kann und dem man sich wirklich bedingungslos hingeben möchte, als einfach nur eine Leistungsnummer abzuliefern. Das hinterlässt nur Leere und tiefe Einsamkeit.
Den Richtigen finden wir jedenfalls nicht, wenn wir sofort mit jemandem ins Bett springen, ein paar Orgasmen haben und durch dieses Auswahlverfahren glauben, Tiefe und Wahrhaftigkeit zu erleben.
Liebe wäre dann nur eine Frage der Technik, der sexuellen Hemmungslosigkeit oder der Bereitschaft des anderen, sich unseren sinnlichen Wünschen unterzuordnen.
Sex hilft nicht bei der Partnerwahl. Sonst würde die Person, die uns am besten befriedigt, unser Partner für das ganze Leben sein.
Dass dem aber nicht so ist, haben wir bestimmt schon oft genug am eigenen Leib erfahren dürfen.
Wollen wir endlich den Kreislauf der Enttäuschungen verlassen, gibt es nur eins: Sich Zeit zu lassen.
Einen anderen Menschen kennen zu lernen, sich ihm anzunähern und trotzdem sich selbst treu zu bleiben – auf diese Weise kann sich unser Wesen in seiner ganzen Fülle entfalten.
Wer ist der (die) Richtige?
Sich Zeit zu lassen, bedeutet nicht, kein Interesse zu zeigen oder alles in der Schwebe zu halten. Im Gegenteil. Man interessiert sich. Sehr sogar. Man will immer mehr von seinem möglichen künftigen Partner kennen lernen. Man will wissen, ob die eigene Wahl auch wirklich die richtige ist. Ob man überhaupt zusammen passt, bevor man sich ihm hingibt.
Man sollte also viel Zeit miteinander verbringen. Dabei merkt man am deutlichsten, ob man auch außerhalb des Bettes mit dem anderen zusammen sein will. Hat man sich darüber hinaus überhaupt etwas zu sagen?
Gibt es, außer dem Wunsch nicht alleine zu bleiben, noch weitere Gemeinsamkeiten? Denkt man gleich, fühlt man gleich? Hat man den gleichen Lebensrhythmus? Versteht man das Gleiche unter Treue und Intimität. Welche Erfahrungen, Wünsche und Sehnsüchte bringt jeder mit ein?
Möchte unser künftiger Partner seine Zukunft genauso gestalten wie wir selbst?
Wie geht er mit seinen Gefühlen um, teilt er sich mit, kann er zuhören?
Wir sollten auch nicht vergessen, uns seine Schattenseiten zu betrachten. Jeder hat welche. Können wir mit ihnen umgehen?
Und vertrauen wir ihm? Auch in den Momenten, wo wir schwach sind?
In jeder Partnerschaft kommen auch Zeiten, wo wir nackt und schutzlos sind. All unser über die Jahre angehäufter Seelenmüll wird früher oder später hochschwappen. Dann brauchen wir jemanden an unserer Seite, der uns Verständnis und Geborgenheit entgegenbringt. Und uns die Sicherheit bietet, nicht sofort verlassen oder ausgetauscht zu werden. Haben wir das Gefühl, wir könnten uns ihm so zeigen?
Und ... meint er wirklich uns? Sind wir etwas Besonderes für ihn? Sind wir kostbar und einmalig? Wenn man viel Zeit miteinander verbringt und wenn man sich wirklich ergänzt, entsteht aus der ersten Verliebtheit Nähe und tiefe Zusammengehörigkeit. Man sieht sein Gegenüber immer mehr als einen Teil von sich, als wundervolle Ergänzung seiner eigenen Persönlichkeit.
Entdecke dich durch ihn.
Wir sollten auch seine Familie kennen lernen und ihm unsere eigene vorstellen. Dort lernen wir ungeheuer viel über ihn. Wir sehen wie er aufgewachsen ist und was Familie für ihn bedeutet. All das hat er für das Leben mitbekommen. All das kann er künftig in unsere kleine Familie einbringen.
Sieh es dir genau an. Und wenn du es wirklich ernst meinst, wirst du mit seiner Familie mehr zu tun haben, als du jetzt glaubst.