Das Erbe von Tench'alin. Klaus D. Biedermann

Das Erbe von Tench'alin - Klaus D. Biedermann


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Er hatte einen Moment die Augen geschlossen und dem leisen Rascheln des Bambus gelauscht.

      Nach einer kleinen Weile hatte Isabel ihn sanft in die Seite gestoßen.

      »Sieh mal, in unserem Garten kommen besonders die vier Elemente Stein, Moos, Wasser und Baum vor. Die letzten beiden jedoch nur in symbolischer Form«, sie hatte auf einige Bonsais in der Nähe gezeigt.

      »Steine symbolisieren beispielsweise Tiere, das Wasser steht für Seen oder Ozeane, die auch Göttern gewidmet sein können, die der alten Sage nach über das Meer zu uns kommen.

      Komm mit, ich zeige dir jetzt das Wasser«, hatte sie sich mit einem Lächeln bei Marenko untergehakt. Und dann hatte sie auf ein rechteckiges, mit einem niedrigen Holzrahmen eingefasstes Kiesbett gezeigt und war stehen geblieben.

      »Um Wasser darzustellen, wird Sand oder dieser spezielle Granitkies verwendet. Der verweht nicht so schnell. Die geharkten Linien symbolisieren Wellen. Die großen Steine, die dort überall in scheinbarer Unordnung liegen, können als liegende Hunde, Wildschweine oder als Kälber, die mit ihrer Mutter spielen, aufgefasst werden.«

      Langsam waren sie während Isabels Erläuterungen weitergegangen.

      Marenkos Blick war auf ein niedriges Rundhaus gefallen, das von mehreren zierlichen Laternen umgeben war.

      »Weißt du, dass du der Erste aus der Familie bist, der mich hier besuchen kommt?«, hatte sie gefragt, als sie sich in dem Teehaus niedergelassen hatten. Vor ihnen stand eine Kanne duftender Jasmintee. Isabel hatte das Gebräu langsam in die zarten Porzellantassen eingeschenkt, woraufhin süßer Duft den Raum erfüllt hatte.

      »Nein, das weiß ich nicht … sogar deine Eltern waren noch nie hier? Ihr hattet doch immer ein sehr enges Verhältnis, soweit ich mich erinnere. Bist du nicht ihre einzige Tochter?«

      Marenko hatte vorsichtig von dem heißen Getränk gekostet.

      »Ja, das stimmt alles, aber Mama geht es nicht so gut, seit sie sich vor zwei Jahren bei einem Reitunfall eine Wirbelverletzung zugezogen hat, und Papa reist nicht ohne sie. Sie braucht immer noch einen Stock.«

      »Dann sollte sie mal zu dem Schmied in Seringat gehen … ich werde ihr den mal empfehlen, wenn ich wieder zurück bin.«

      »Zu einem Schmied?« Isabel hatte die Stirn in Falten gezogen.

      »Was soll sie denn bei einem Schmied?« Dann hatte sie lachen müssen. »Sie braucht doch keine neuen Hufe, Onkel Marenko.«

      »Ich weiß, ich weiß, keine Angst. Er heißt Soko Kovarik und ich kann dir versichern, gerne auch schwören, dass er heilende Hände hat. Schon zwei meiner besten Pferde hat er wieder hinbekommen. Beide hatten sich die Hüfte ausgerenkt, was bei meinem Gewicht ja nun wirklich kein Wunder ist«, lachte er kurz auf. »Zwei kurze Griffe und sie waren wieder wie neu … unglaublich, sage ich dir. Aus der ganzen Gegend bringen sie ihre kranken Pferde, Rinder, Hunde … eben einfach alles, was Hufe, Pfoten oder Federn hat, zu ihm. Soko schaut sich immer auch den Besitzer sehr genau an und wenn er bei diesem ein Hinken oder auch nur einen Anflug davon entdeckt, was oft der Fall ist, heilt er den gleich mit. ›Wie der Herr, so's Gescherr‹, sagt er dann und lacht. Ein wirklich bemerkenswerter Bursche, dieser Schmied. Ein Versuch ist es allemal wert, liebe Isabel … ich werde es deiner Mutter sagen.

      Wäre doch wirklich schade, wenn deine Eltern das hier nicht sehen könnten.«

      »Na, wenn das so ist«, hatte die Nichte geantwortet, »dann bin ich gespannt, ob er ihr helfen kann.«

      Marenko hatte sich verrenken müssen, als er wenig später zu Tisch gebeten wurde, denn er war es nicht gewohnt, so niedrig zu sitzen. Ächzend ließ er sich auf einem der breiten, kunstvoll bestickten Kissen nieder. Das Essen hatte ihm unerwartet gut geschmeckt, obwohl er zunächst einmal die Nase gerümpft hatte, als er erfahren hatte, dass es sich vornehmlich um kalten Reis und rohen Fisch handeln würde, der in Algenblätter eingewickelt war. Die Bemerkung, ob kein Geld mehr für Stühle übrig gewesen war, hatte er sich verkniffen, denn er hatte die Menschen auf Anhieb gemocht und wenn er ehrlich war, hätten Stühle auch nicht zum restlichen Stil des Hauses gepasst. Hoffentlich würde seine Frau nicht eines Tages auf die Idee mit Sitzkissen am Esstisch kommen. Besser er erzählte ihr von dieser Einrichtung hier nichts.

      Harukis Familie hatte ihn freundlich aufgenommen und als er sich einen ganzen Löffel Wasabi in den Mund geschoben und daraufhin in Husten und Tränen ausgebrochen war, hatten alle nur gelächelt und sich bei ihm mit vielen Verbeugungen dafür entschuldigt, ihn nicht besser aufgeklärt zu haben. Als er sich wieder erholt und die richtige Dosierung gefunden hatte, hatte er gar nicht genug bekommen können, was seine Gastgeber auf das Höchste erfreute. Die gereichte Suppe sowie das in dieser Stadt gebraute Bier hatten ihm ebenfalls vorzüglich geschmeckt.

      »Isabel, du musst mir unbedingt zeigen, wie diese Speisen zubereitet werden, das werde ich alles gleich zu Hause meine Frau ausprobieren lassen. Ich bin sicher, sie wird ebenso begeistert sein wie ich, ach was, alle werden begeistert sein.

      Weißt du was? Wir werden ein Sushi-Restaurant in Verinot eröffnen … die werden staunen, das sag ich dir.« Marenko hatte sich den Bauch gehalten vor Lachen und alle hatten höflich eingestimmt.

      »Lieber Onkel, ich fürchte das geht nicht einfach so mal eben auf die Schnelle«, Isabel hatte auf ihren Schwager Hiro gedeutet. »Weißt du, wie lange Hiro in der Lehre war, bis er solche Köstlichkeiten herstellen konnte und durfte? Sieben Jahre hat seine Ausbildung gedauert. Inzwischen führt er eines der bekanntesten Restaurants der Stadt und zur Feier des Tages hat er nur für uns gekocht.«

      »Sieben Jahre?«, hatte Marenko gestaunt. »Dann muss er jemanden zu uns schicken, der es auch kann. Er wird ja nicht der einzige Sushikoch in dieser Stadt sein. Ich bin mir sicher, dass ein solches Lokal für Verinot eine Bereicherung wäre … na ja, und ich müsste nicht jedes Mal eine solch weite Reise machen.«

      Da hatte sich Hiro eingemischt.: »Verehrter Marenko, ich kann dir in den nächsten Tagen zeigen, wie du das Gericht, das wir Sashimi nennen, herstellen kannst. Es ist ganz einfach, wenn du ein gutes Messer hast. Scharf muss es sein … sehr scharf … Weißt du was? Ich werde dir eines schenken, weil es mich so freut, dass du mein Essen magst … und weil du ein Onkel unserer Isabel bist. Sojasoße wirst du ja bei euch auch bekommen, mehr braucht es dafür nicht … außer guten Fisch natürlich … aber ihr lebt ja ebenfalls in Meeresnähe … und deine Lieblingszutat hier«, er hatte lächelnd auf die Schale mit dem Wasabi gezeigt, »können wir dir in regelmäßigen Abständen schicken.«

      Hiro hatte mehrere kleine Verbeugungen gemacht, und der Rest der Familie hatte vor Begeisterung in die Hände geklatscht.

      »Lieber Onkel, bei meinem Schwager hast du einen großen Stein im Brett!«, hatte Isabel ausgerufen.

      Marenko hatte die Verbeugung zwar etwas ungelenk, aber nicht weniger ernsthaft erwidert.

      »Ich danke dir für dieses großzügige Geschenk, verehrter Hiro. Ich hoffe, auch dich eines Tages in unserem schönen Verinot begrüßen zu dürfen. Ich freue mich jetzt schon auf dein Urteil über unsere Küche. Auch wir haben da mit einigem aufzuwarten, was durchaus der Beachtung wert ist.«

      Beim Abschied hatte seine Nichte ihm ins Ohr geflüstert: »Es ist eine große Ehre, wenn ein Koch eines seiner Messer verschenkt … er muss dich sehr mögen, lieber Onkel. Ach, es war so schön, dass du hier warst, komm bitte bald wieder … und bringe deine Frau mit … und dann bleibt ihr aber länger, versprochen? Du hast noch nicht alles gesehen. Sie haben hier sogar einen alten japanischen Kaiserpalast nachgebaut. Diese Gärten solltest du erst mal sehen.«

      »Versprochen liebe Isabel, versprochen … aber nach eurem Besuch bei uns in Verinot.«

      So war Marenko nach vielen Verbeugungen und guten Wünschen ein paar Tage später mit einem wertvollen Geschenk und vielen neuen Ideen gut gelaunt in seine Heimat zurückgekehrt.

      War Marenko früher zum Fischen gegangen, weil er seine Ruhe haben wollte, so hatte er jetzt einen Grund mehr. Seitdem er des Öfteren Sashimi aß, hatte er sogar einiges an Gewicht verloren, was seiner Gesundheit sehr


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