Läuferleben. Sandra Mastropietro

Läuferleben - Sandra Mastropietro


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      Ihr merkt schon, die Quality-Time-To-dos beim Laufen lassen sich beliebig fortführen – denn eines steht fest: Laufen ist aktive Lebensqualität!

      Weg mit GPS & Co (zumindest manchmal) – Spaß am Laufen

      Während ich der Dame am anderen Ende der Leitung versichere, definitiv keinen neuen »All-in-one-Kommunikations-Vertrag« zu benötigen, zwitschert das dicke Twitter Vögelchen fröhlich auf dem Tablet, das Notebook verkündet, ich hätte Post, und als wäre das nicht schon genug, vibriert nun auch noch mein Handy im Takt der Facebook-Status-Updates über den Tisch. Informations-Overkill – dabei wollte ich doch eigentlich nur kurz laufen gehen!

      In die Motion-Dry-Faser habe ich mich bereits geschwungen, die Schuhe sind so gut wie geschnürt, und dann der Schock: Die Garmin ist leer, meine Kopfhörer verknotet und der Armstraps für das Handy ist spurlos verschwunden.

      Schnell feuere ich noch ein paar Facebook-Freunde bei ihren gerade begonnenen Lauf-Live-Aktivitäten an und versuche dann erneut, ebenfalls laufen zu gehen.

      Die Uhr ist inzwischen auf 10 % Akkuleistung geladen, das sollte für eine kleine Runde reichen. Mein Handy werde ich heute einfach in die Jackentasche stecken (Not macht erfinderisch) und die Kopfhörer entknote ich auf dem Weg nach unten.

      Endlich in Bewegung! Die klare Luft füllt meine Lungen, die Sonne kitzelt meine Nase und ein leichter Wind weht mir die Haare aus dem Gesicht.

      GPS-Uhr, Handy und Kopfhörer bleiben unbeachtet und für eine knappe Stunde bin ich nicht erreichbar. Von nun an ist der einzige »Input« das Zwitschern der Vögel in den Bäumen. Ich genieße, entspanne – schalte tatsächlich ab.

      Meine Gedanken tragen mich zurück in die Zeit, in der ich mit dem Laufen begonnen habe. Keine Pulsuhr, keine Motion-Dry-Faser, keine supergedämpften Natural-Running-Schuhe. Einfach Jogginghose und Sportschuhe an, los ging’s.

      Damals, als die alte Sportweisheit »Zum Laufen braucht man nichts außer zwei Beine« noch stimmte. Inzwischen ist Laufen ein teures Hobby, das sich teilweise sogar als »elitär« einordnen lässt. Schade eigentlich. Denn Laufen kann jeder!

      Wer heute als Läufer etwas auf sich hält und sich den Medien und dem Gesellschaftsdruck beugt, der trägt die neuste Uhr am Handgelenk, (er)trägt muskelstützende Kompressions-Mikrofaser-Sachen und läuft den mit Supergrip ausgestatteten, multigedämpften und trotzdem federleichten 200-Euro-Schuh. Das Ganze natürlich auch noch farblich aufeinander abgestimmt.

      Zweifelsohne erleichtern all diese Dinge unser Hobby, lassen uns gezielter trainieren, machen uns besser, geben uns Selbstbewusstsein. Dennoch finde ich es sehr wichtig, sich hin und wieder mal dem Druck aller Gadgets zu entziehen und sich darauf zu besinnen, was dieser Sport eigentlich ist: ein einfaches, ehrliches Im-Einklang-mitsich-und-seinem-Körper-Sein. Ruhe genießen, Zeit zum Nachdenken haben, Bewegung, Fitness, Erholung und aktive Lebensqualität!

      In der heutigen schnelllebigen Zeit der Dauererreichbarkeit hat Laufen etwas von einem Kurzurlaub.

      Als ich wieder zu Hause ankomme, fällt mir ein blinkendes Hinweisfeld auf meiner Uhr auf. Der Erholungsratgeber sagt, dass ich mindestens 48 Stunden Pause nach der gestrigen Einheit beachten soll. Wie gut, dass ich diesen Lauf nicht getrackt habe.

      Eine laufende Reise zu mir selbst

      Laufen. So viel mehr als nur ein Sport, ein Hobby, eine Leidenschaft, eine neue Lebenseinstellung!

      Eine innige Freundschaft mit der Laufstrecke, die geduldig meinen Schritten lauscht, den Geschichten, die sie erzählen. Geschichten vom Alltag. Zwischen Schuhsohle und Untergrund liegt Wahrheit. Unaussprechliches wird plötzlich aussprechlich, auch ungesagt.

      Jedes Mal, wenn ich die Laufschuhe schnüre und den Rucksack mit Alltagsproblemchen schultere, beginnt eine neue Reise – eine Reise zu mir selbst.

      Ich kann den Boden unter meinen verärgerten, trotzigen Schritten beben lassen oder freudig und leichtfüßig hüpfen wie eine Gazelle – oder zumindest so ähnlich. Asphalt oder Waldboden tragen mir keine Launen nach, nehmen stumm alles in sich auf, hören zu. Erleichtern mich mit ihrem bloßen und scheinbar unendlichen Dasein.

      Dann passiert das noch im Lärm des Alltags für unmöglich Gehaltene: Ich höre meine Gedanken. Die Gedanken, die zwischen Terminen, Smartphones und Informationsflut verloren geglaubt waren.

      Tief einatmen, ausatmen, abschalten, in mich hineinhören.

      Einfach genießen: die frische Luft, die den salzigen Schweißfilm auf der Haut trocknet, den beschleunigten Puls, die bewusste Bewegung … Schritt um Schritt, beständig einen Fuß vor den anderen. Noch ein bisschen weiter, länger. Ein Stück Urlaub vom Alltag.

      Und im Rhythmus der Bewegung verschmelzen Körper und Geist. Längst vergessen geglaubte Innigkeit und Intimität des Seins verschmelzen zu einer untrennbaren Einheit, für die es keine Worte zu geben scheint! Eine süße Mischung aus Hingabe und Ehrgeiz. Ehrgeiz, mich an meine Grenze zu führen. Hingabe zum Selbst.

      Das Gefühl, alles schaffen zu können, wächst heran und explodiert im freudigen Lachen. Meine Beine werden leichter, meine Schritte größer, die Pace schneller.

      Der Rucksack, der beim Loslaufen noch so schwer war, ist nun leer.

      Mein Herz hüpft freudig auf und ab, die Endorphine tanzen Cha-Cha-Cha. Ein krönender Abschluss einer großartigen Reise.

      Mit dem wohligen Gefühl der zufriedenen Erschöpfung und einem freien Kopf freue ich mich auf zu Hause, freue ich mich auf den Alltag und seine Abenteuer, freue ich mich zu sein, wer ich bin.

      Mit dem Laufen ist es wie mit der Liebe – oder umgekehrt

      Spätestens seit der vorangegangenen Etappe, so nenne ich meine »Unterkapitel«, wisst ihr, dass ich furchtbar verliebt in den Laufsport bin! Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, eine Beziehung mit ihm zu führen – in guten wie in schlechten Zeiten!

      Und weil das jetzt furchtbar komisch klingt, möchte ich mich wie folgt erklären:

      Jürgen Marcus sang 1973 »Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben« und traf damit zwar nicht jedermanns Musikgeschmack, aber inhaltlich gezielt ins Schwarze. Wer kennt es nicht!? Erste Annäherungsversuche, das Kribbeln, die Vorfreude, viele unbekannte Reize und dieses wunderbare Gefühl, das mit all dem Zuerstgenannten einhergeht. (M)eine sehr gewagte These, die ich euch an dieser Stelle dennoch nicht vorenthalten möchte: Mit dem Laufen ist’s wie mit der Liebe! Höhen und Tiefen. Phasen, in denen man mehr Zeit miteinander verbringt, dann wieder weniger. Innige, intensive und emotionale Momente ebenso wie Augenblicke der Verzweiflung, der Frustration und des Aufgebenwollens.

      Aber zuerst einmal das Schöne:

      Stufe 1: Es »offiziell« machen

      Besonders am Beginn einer (Lauf-)Beziehung sieht man das Läuferleben durch die häufig belächelte rosarote Brille. Das heißt, man macht sich chic für den/die Neue(n), trägt die aktuellste Laufmode in knalligen Farben, stellt schnell positive Veränderungen im Alltag fest, hat mehr Appetit auf Gesundes, fühlt sich fitter, nimmt vielleicht sogar ein paar Kilo ab und genießt das »gemeinsame Schwitzen« häufiger denn je.

      Kurz gesagt: Man übertreibt es hin und wieder auch mal!

      Und genau an dieser Stelle zeichnet sich ab, ob die Beziehung halten wird.

      Stufe 2: Das Zusammenziehen

      Erste Wehwehchen. Die verliebte Annäherungsphase ist vorüber, der Alltag hält Einzug. Immer häufiger steht man vor der Entscheidung, ob man sich für die neue Liebe oder die alten Freunde, wie zum Beispiel die Couch, entscheidet.

      Nervt man sich schon? Kostet die Unterhaltung des neuen Partners vielleicht mehr als erwartet – und sei es zwar nicht das Geld, dann aber doch Zeit, Aufwand und Überwindung?

      Und dann die schlechten Angewohnheiten, die »er/sie« mit sich bringt: häufiges Wäschewaschen, Sportschuhe überall im Flur und der Gesprächsmittelpunkt, in den die neue


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