Täglich neu verliebt. Christina Grahn-Hommelsheim

Täglich neu verliebt - Christina Grahn-Hommelsheim


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       06. Chance: Wünsch dir was!

      Weiß deine Partnerin eigentlich, was dir wichtig ist und was du dir wünschst? Viele Menschen tun sich schwer damit, ihren Liebsten zu sagen, was sie möchten. Viele sehnen sich nach einem Menschen, der sie wertschätzt und ihnen Aufmerksamkeit schenkt, doch das auch zum Ausdruck zu bringen ist oft nicht so einfach. Noch schwieriger wird es, wenn sie gar nicht genau wissen, was sie eigentlich möchten. Den meisten fällt es sehr viel leichter zu sagen, was sie nicht wollen als genau zu formulieren, was sie stattdessen gerne hätten.

      Die persönliche Geschichte spielt dabei eine große Rolle. Wenn du zum Beispiel ein sehr strenges Elternhaus hattest oder deine Eltern sehr mit sich selbst beschäftigt waren und deine Meinung niemanden wirklich interessierte, hattest du wenig Gelegenheit, zu lernen, deine Wünsche klar und deutlich zu äußern. Menschen, die in der Kindheit bei Widerworten sogar geschlagen oder auf andere Art bestraft wurden, haben manchmal noch als Erwachsene schlichtweg Angst, zu ihren eigenen Interessen zu stehen. Gerade in unseren nahen Beziehungen werden wir oft von diesen uralten Erfahrungen beeinflusst.

      Doch selbst Menschen, die keine traumatischen Kindheitserfahrungen gemacht haben, fürchten sich oft, ihre Wünsche klar zu äußern. Zu groß ist die Angst, der Partner könne sie für egoistisch halten, die Harmonie könne in Gefahr geraten oder die Liebe könne ihnen entzogen werden. Die eigenen Bedürfnisse auszudrücken und dazu zu stehen ist letztlich ein Ausdruck von Selbstliebe, und die fällt vielen Menschen schwer. Auch hier liegen die Ursachen meistens in der Kindheit. Da manchmal bis zu 70 % der Ansprache an ein Kind negativ oder korrigierend ist, glaubt das Kind dann irgendwann, dass mit ihm irgendwas nicht in Ordnung sein muss. Als Erwachsene agieren wir dann oft aus diesen unbewussten Überzeugungen heraus und träumen wie einst als Kind davon, dass unsere Umwelt unsere Bedürfnisse doch bitte einfach von alleine bemerken und erfüllen möge. In Coaching-Gesprächen hören wir immer wieder von Menschen, die tief enttäuscht sind, dass der Andere ihre Wünsche nicht erfüllt, obwohl diese im Coaching-Gespräch gerade zum ersten Mal wirklich hörbar geäußert wurden. Solche unausgesprochenen Erwartungen führen dann leicht zu Interpretationen wie „er sieht mich nicht“ oder „sie interessiert sich nicht für mich“. Ist ein Paar in dieser negativen Bewertungsschleife angekommen, kann jede Kleinigkeit als vermeintliches Desinteresse des Partners ausgelegt werden. Manche Menschen suchen sich dann lieber jemandem im Außen, der ihren Wünschen eher entgegenkommt, als das Thema mit dem Partner anzusprechen. Um langfristig in einer glücklichen Beziehung anzukommen, ist es jedoch notwendig, die alten Handlungs- und Denkmuster aus der Kindheit zu bemerken, zu verändern und mutig über die selbst erbauten Grenzen hinauszugehen.

      Die Chance, mit deinen Wünschen gesehen zu werden, ist natürlich viel größer, wenn dein Gegenüber deine Ideen und Sehnsüchte auch kennt. Diese Offenheit macht Beziehungen sehr viel einfacher. Wenn ihr euch gemeinsam darauf verständigt, ehrlich und liebevoll anzusprechen, was euch wichtig ist, könnt ihr euch beide mehr entspannen. Je klarer ihr lernt, zu euch zu stehen und euch auszudrücken mit dem, was euch jeweils wichtig ist, desto eher werdet ihr gegenseitig geneigt sein, euch eure Wünsche zu erfüllen.

      Und selbst, wenn eure Wünsche mal in entgegengesetzte Richtungen gehen, ist es gut, darum zu wissen. Sind es Dinge, bei denen ihr euch entspannt freie Hand lassen könnt? Oder geht es dabei um Grundsätzliches? Wenn sich einer die freie Liebe wünscht und mit vielen Partnern Sex haben möchte und der Andere sich auf eine monogame Beziehung verlassen will, dann geht es um grundsätzliche Werte und Ausrichtungen. Diese sind die Basis einer Partnerschaft und es ist unumgänglich, sich darüber zu unterhalten. Wenn das Fundament nicht stimmt, steht auch das Haus nicht sicher und fest.

      Solo-Übung: Beantworte dir folgende Fragen:

      ✳ Was wünschst du dir von deinem Partner?

      ✳ Wonach sehnst du dich?

      ✳ Was würdest du gerne gemeinsam erleben?

      ✳ Was wünschst du dir noch in der Sexualität?

      ✳ Hast du deinem Liebsten all diese Dinge schon einmal klar, ruhig und liebevoll erzählt? Weiß er, wie wichtig sie dir sind?

      Duo-Übung: Wünsche deutlich machen

      Schreibt euch anhand der oben genannten Fragen aus allen Bereichen eures Zusammenlebens offen und ehrlich auf, wonach ihr euch sehnt. Setzt euch im Anschluss achtsam zusammen und lest euch eure Antworten abwechselnd vor (falls ihr mit dem Arbeitsbuch arbeitet, siehe Seite 15, könnt ihr dieses einfach austauschen), ohne dem Anderen das Gefühl zu geben, dass er sie nun zu erfüllen hat. Das Gegenüber hört aufmerksam zu und sagt nichts. Es geht hier nicht um Forderungen und wir empfehlen euch, nicht darüber zu diskutieren oder einander Verantwortung zuzuschieben. Es geht vielmehr darum, etwas voneinander zu erfahren. Nur Mut: Wir haben oft festgestellt, dass die Wünsche der Partner gar nicht so unterschiedlich sind.

      Christinas Sichtweise:

      Für mich war es lange Zeit sehr herausfordernd, auszudrücken, was mir wichtig ist. Ich wusste manchmal selbst gar nicht, was ich mir wünsche und konnte es deshalb nicht äußern. Oft traute ich mich auch nicht, klar und deutlich zu mir zu stehen, weil ich fürchtete, nicht richtig zu sein, unangemessene Forderungen zu stellen und dem Anderen vielleicht nicht gerecht zu werden. Überhaupt etwas vom anderen zu wollen, war mir schon äußerst unangenehm und peinlich. Sofort fühlte ich mich bedürftig und das wiederum fühlte sich schamvoll an.

      Irgendwann erkannte ich jedoch, dass das eine alte Prägung aus meiner Kindheit war. In meiner Familie war es nicht üblich, eigene Ansprüche und Wünsche zu äußern oder gar einzufordern, was mir in diesen Momenten vielleicht wichtig gewesen wäre. Wenn ich mich damit zeigte, wurde ich ausgelacht oder vor Fremden lächerlich gemacht. Daher lernte ich, mich stets anzupassen und es den anderen recht zu machen. Ich wurde sehr viel sensibler für die Bedürfnisse der anderen und verlernte, wahrzunehmen, was ich selbst brauche.

      In meinem Erwachsenenleben führte das dann zu Missverständnissen und Enttäuschungen. Viele meiner Beziehungen waren geprägt von einem „Nicht ehrlich miteinander reden“. Ich bemühte mich, aufmerksam zu erspüren, was mein Partner wohl gerade brauchen könnte und es ihm zu erfüllen. Da ich in dieser Dynamik nicht selbst darauf achtete, was ich brauchte, stellte ich unbewusst Forderungen an den Anderen und war enttäuscht, wenn er sie nicht erfüllte und meine indirekt geäußerten Botschaften nicht verstand.

      Das Leben wurde sehr viel leichter, als Walter und ich beschlossen, einander ehrlich zu sagen, was wir jeweils gerade wollen und uns wünschen. So hatte jeder von uns die Möglichkeit bei sich zu bleiben, sich selbst zu fühlen und sich zu entspannen, weil wir wussten, dass der andere schon sagen würde, was er wirklich will und was nicht.

      Wir begannen damit in unserer ersten gemeinsamen Nacht. Sehr ehrlich schilderten wir einander unsere Ängste und sagten, was wir uns wünschen. Nicht nur in mir, sondern auch in ihm war viel Druck und der Anspruch, es gut machen zu wollen. Ohne unsere ehrliche Begegnung wären wir wohl nur beim Anderen gewesen, und nicht mehr bei uns selbst. Ich empfand es als so erleichternd und schön, mich ehrlich zeigen zu dürfen, all das mal sagen zu dürfen, was ich mich bisher noch nicht getraut hatte zu sagen und war sehr glücklich darüber, ein Gegenüber zu haben, der mir zuhört und sich ebenfalls ehrlich zeigt mit dem, was ihm wichtig ist. So wurde unser erste gemeinsame Nacht sehr schön und intensiv, ohne zu versuchen, es dem anderen Recht zu machen.

      Dennoch falle auch ich immer mal wieder in alte Muster zurück es recht und gut machen zu wollen. Ich verbiege mich dann für andere und stelle mal wieder fest, dass mir das nicht gut tut. Ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht funktioniert, war die Einweihungsfeier mit unseren neuen Nachbarn. Wir wohnten jetzt schon seit einem Jahr im gemeinsamen neuen Haus und wollten gerne die Menschen in unserer Straße näher kennenlernen. Ich freute mich sehr auf diese Feier, plante alles liebevoll,


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