Täglich neu verliebt. Christina Grahn-Hommelsheim

Täglich neu verliebt - Christina Grahn-Hommelsheim


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aber nicht in des Anderen Obhut.

      Denn nur die Hand des Lebens kann Eure Herzen umfassen.

       Und steht zusammen, doch nicht zu nah:

       Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,

       und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der

       anderen.“

       (Zitat aus „Der Prophet)

      Die Säulen des Tempels müssen jede für sich stehen, wie Kalil

      Gibran schreibt. Wenn sie zu weit auseinander sind, bricht das

      Dach genauso zusammen, als wenn sie zu nah stehen.

      Wo hast du in deiner Beziehung deinen eigenen Raum und wie füllst du ihn? Ein Aspekt davon ist der äußere Raum. Falls ihr zusammen wohnt: Wo ist dein Raum, deine Ecke, in die du dich auch mal zurückziehen kannst? Gut wäre, wenn du diesen Platz genauso einrichten könntest, wie es dir gefällt. Hier stehen vielleicht deine Bücher, deine Musik und deine Möbel. Wie eine eigene Höhle oder ein Nest, in das du dich zurückziehen kannst, wenn dir alles zu viel wird oder du einfach mal mit dir sein möchtest. Viele Männer haben ein Arbeitszimmer oder den Hobbykeller, doch für die Frau bleibt häufig nur das gemeinsame Wohnzimmer, die Küche oder das Esszimmer, wo sie wenig Möglichkeiten hat, einfach mal die Türe hinter sich zu zumachen. Wie könnt ihr das ändern? Natürlich ist das auch eine Frage der Wohnungsgröße und des Geldbeutels. Doch mit etwas Kreativität lassen sich auch in kleinen Wohnungen eigene Räume finden.

      Manche Menschen reagieren auf den Wunsch des Partners nach einem eigenen Raum mit Widerstand, weil sie ihn als Vorstufe einer Trennung interpretieren. Doch die Sehnsucht nach Rückzug ist auch in einer erfüllten Partnerschaft normal – ja, sogar gesund. Sie muss kein Zeichen dafür sein, dass man sich auseinandergelebt hat, sondern kann bedeuten, dass sich neue Räume auftun. Vielleicht könnt ihr diese neuen Räume auch nutzen, um euch auch mal bewusst in der Energie des Anderen zu besuchen.

      Ein eigener äußerer Raum hilft sehr, auch den eigenen inneren Raum wieder zu stärken. Wenn du nicht in dir selbst zu Hause bist, kann dich auch niemand besuchen, das heißt, kannst du auch nicht wirkliche Begegnung erleben. Es ist daher eine notwendige Grundlage von Beziehung, immer wieder bei sich anzukommen, sich in sich wohl zu fühlen und den eigenen Raum in sich zu entwickeln.

      Wenn der Partner nicht immer direkt um einen herum ist, sondern jeder zusätzlich einen eigenen Platz hat, kann das auch in der Sexualität Wunder bewirken. So bedarf es etwas mehr Einsatz, als einfach nur nebenbei die Hand herüberwandern zu lassen, um zu signalisieren, dass man Lust auf Sex hat. Wenn jeder seinen eigenen Raum hat, kann er dort auch vorher eine erotische Atmosphäre schaffen, in die die Liebste eingeladen wird. Auf diese Weise geschieht auch körperliche Begegnung bewusster.

      Natürlich geht es nicht nur um den eigenen Raum in deiner Wohnung, sondern auch um die Frage, ob du dich gelegentlich eingeengt und unter Druck in deiner Beziehung fühlst. Hast du genug Bewegungsspielraum, oder fehlt dir Freiheit, um dich wohl zu fühlen? Wenn es so sein sollte, stellt sich die Frage, ob du deinen Raum wirklich einnimmst, zu dir stehst und deutlich machst, wenn du Zeit für dich benötigst.

      Sollte dein Raum, ob innerlich oder sogar sichtbar in Form eines eigenen Raumes, schon da sein, kannst du darüber nachdenken, ob du ihn wirklich nutzt, oder ob du dir in anderer Hinsicht in der Beziehung mehr Spielraum wünschst.

      Solo-Übung: Den eigenen Raum finden

      Überprüfe heute einmal, ob du in deinem Leben einen eigenen Raum hast. Das meinen wir zunächst mal ganz wörtlich bezogen auf eure Wohnung (falls ihr zusammen wohnt), aber auch bezogen auf das tägliche Leben. Hier ein paar Fragen zur Orientierung:

      ✳ Gibt es in eurer Wohnung einen Raum, der nur dir gehört, den du einrichten und gestalten kannst, wie du willst?

      ✳ Wohin kannst du dich zurückziehen, wenn du nur mit dir sein willst?

      ✳ Wenn es solch einen Raum gäbe, wie würdest du ihn gestalten?

      ✳ Fehlt dir in deinem Leben in anderer Hinsicht Raum – z.B. Gestaltungsraum, Spielraum, Freiraum?

      ✳ Hast du in irgendeiner Hinsicht den Eindruck, dass andere Menschen dir deinen Raum nehmen? Woher kennst du das? Wie kannst du deinen Raum wieder ganz einnehmen?

      ✳ Falls du davor zurückzuckst: Wovor hast du Angst?

      ✳ Was wäre der erste mutige Schritt zu mehr eigenem Raum – in welcher Hinsicht auch immer?

      Christinas Sichtweise:

      Für mich ist es in meiner Beziehung zu Walter sehr wichtig, neben den gemeinsamen auch eigene Projekte zu haben. In früheren Partnerschaften habe ich meine Interessen einfach zu oft zurückgestellt. Das versuche ich heute zu vermeiden. Ich pflege daher bewusst meine Freundschaften, achte auf meine inneren Räume und erhalte ein stückweit ein eigenständiges Leben aufrecht.

      Ich gebe zum Beispiel seit Anfang unserer Beziehung neben den Seminaren mit Walter parallel meine eigenen Seminare, mit meinen eigenen Inhalten. Ich treffe mich mit meinen Freundinnen und genieße es, die weibliche Energie um mich zu haben und mich damit zu nähren. Umso schöner ist es, Walter dann nach ein paar Tagen wieder zu begegnen und ihm von all dem zu erzählen, was ich inzwischen erlebt habe.

      Diese Selbstständigkeit nährt mein Selbstwertgefühl. Ich weiß so immer, dass ich mein Leben im Zweifelsfall auch alleine bewältigen könnte – und genieße es dann umso mehr, einen so tollen Mann an meiner Seite zu haben. Ich bin so froh, dass wir heute diese Freiheiten haben und ich nicht mehr wie vielleicht noch in der Generation unserer Mütter und Großmütter fürchten muss, es würde vielleicht mit unserer Beziehung etwas nicht stimmen, nur weil Walter sich in sein eigenes Zimmer zurückzieht oder ich einen schönen Tag mit meiner Freundin verbringe.

      Walters Sichtweise:

      Meine Sehnsucht nach einem eigenen Raum zeigt sich gut an der Finca auf Fuerteventura, die ich mit meiner Ex-Frau zusammen gebaut habe. Im Haupthaus gab es zunächst nur das Schlafzimmer, ein Gästezimmer, ein Kinderzimmer und ein großes Wohnzimmer. In den Krisen, und davon gab es einige, habe ich immer versucht, mir einen eigenen Raum zu erschaffen, indem ich auf dem Grundstück ein kleines Häuschen baue. Mit dem Ergebnis, dass es heute vier weitere kleine Häuschen auf dem Gelände gibt. Gerade in den schwierigen Zeiten habe ich die dadurch entstandenen Freiräume sehr genossen. Natürlich löst der physische Raum nicht alle Probleme, doch er hat mir die Möglichkeit gegeben, zur Ruhe und damit wieder zu mir zu kommen

      Viel wichtiger als ein eigenes Zimmer war es jedoch für mich, mir Raum zu nehmen, um das zu tun, was ich will. Surfen, Motorradfahren oder Klettern, ich habe immer etwas, was mich begeistert. Christina lässt mir meinen Raum und meine Freiheit, da sie weiß, wie viel mir meine Hobbys bedeuten. Da wir so viel gemeinsame Zeit mit unseren Seminaren und Vorträgen verbringen, ist für mich ein Wochenende allein mit mir eine große Erholung. Ich gehe dann alleine spazieren, bummele durch die Stadt oder fahre mit unserem Boot raus und brauche niemanden um mich herum. Auch in der Zeit, die ich mit meinen Freunden beim Klettern verbringe, tanke ich auf. Es ist für mich sehr wichtig, ab und zu nur mit Männern zusammen zu sein, da ich mit Christina sehr viel Zeit verbringe und auch auf unseren Seminaren die Teilnehmer zum größten Teil Frauen sind.

      Wenn jeder von uns auch sein eigenes Ding macht, entsteht eine gesunde Pendelbewegung. Aufeinander zu und voneinander weg. So bleibt die Eigenständigkeit erhalten und es gibt immer etwas zu erzählen. Und solange nicht unser gemeinsamer Raum wegfällt, unterstützt es eher die Beziehung, als dass es ihr schadet.

      Kompass ausrichten

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