Ohne mich ist das Leben ganz einfach. Ayya Khema
behalten ist, wir müssen sie nur in die Tat umsetzen.
Es wird oft gefragt, ob der Buddhismus eine Religion, eine Philosophie, eine Art von Psychologie oder eine Wissenschaft sei. Es kommt wohl ganz darauf an, von welcher Warte aus wir dies betrachten. Im Prinzip ist der Buddhismus nichts weiter als eine Lehre der Praxis, die aus allem Leid herausführt. Um diese Lehre aber erfolgreich praktizieren zu können, müssen wir sie kennen und dürfen sie nicht mit unseren eigenen Meinungen vermischen. Wir sollten versuchen, die Lehre so zu verstehen, wie sie uns überliefert wurde, denn sie basiert auf einer Wahrheit, die wir erst einsehen können, wenn wir genügend praktiziert haben. Es ist also nicht zweckmäßig, zu hoffen, dass unsere eigenen Ideen uns behilflich sein werden. Das Einzige, was uns hilft, ist, den Richtlinien zu folgen und selbst zu sehen, ob wir Resultate dabei erzielen.
Allein der Wille zur Tugend und zur Meditation bewirkt bereits gutes Karma. Der Buddha hat gesagt, Karma ist die Absicht. Ob diese Absicht dann auch die Früchte trägt, die wir uns erhoffen, ist erst der nächste Schritt. Wenn wir uns vornehmen, die unheilsamen Gedanken loszulassen und die heilsamen in uns zu fördern, bewirken wir durch diese Absicht gutes Karma. Je mehr gutes Karma wir bewirken, desto mehr Unterstützung wird uns in praktischer, materieller und geistiger Hinsicht zuteil.
Wir müssen natürlich immer wieder unser eigener Beobachter sein und dürfen nicht versuchen, uns vor uns selbst zu rechtfertigen. Wenn zum Beispiel ein unheilsamer Gedanke aufgekommen ist, etwa: „Ich kann diesen Menschen nicht leiden“, sollten wir ihn nicht damit rechtfertigen wollen, dass diese Person wirklich ekelhaft ist. Das macht nämlich jeder, dazu brauchen wir keinen spirituellen Pfad. Stattdessen erkennen wir den Gedanken als unheilsam, beschmutzend, verhärtend, wehtuend, lieblos und weder für uns noch für andere hilfreich und versuchen ihn so schnell wie möglich zu ersetzen. Je schneller wir das Unheilsame aus unserem Geist entfernen, desto weniger Unheil und Beschmutzung findet im Geist statt. Je länger es dauert, desto mehr Schmutz haben wir dann wegzuräumen.
Der zweite Schritt zum Heil der Tugend wird Geistesverfassung genannt. Damit sind unsere Reaktionen auf unsere Emotionen gemeint, mit denen wir ja ständig zu tun haben. Der erste Schritt betrifft also unsere Gedanken, der zweite unsere Emotionen. Tugend ist viel mehr als nur Sittlichkeit, denn vollkommen tugendhaft zu sein, bedeutet, vollkommen geläutert zu sein, was gleichbedeutend mit Erleuchtung ist. Für uns gibt es den Pfad der Praxis. Man kann sagen, dass das größte Gut, das der Buddha uns hinterlassen hat, seine Erklärungen und Richtlinien sind, nach denen wir üben können. Wir brauchen nicht zu warten, zu hoffen oder zu bitten, es ist ganz deutlich überliefert, was zu tun ist.
Unsere Geistesverfassung baut auf unseren Reaktionen auf. Wenn wir mit unseren Sinnen etwas wahrnehmen, was uns schön oder angenehm erscheint, so ist unsere natürliche, instinktive Reaktion, dass wir uns ihm nähern, es behalten und besitzen wollen. Wir verstärken also unser Anhaften. Wir können aber nun einmal anfangen, uns ein bisschen davon zu lösen. Wir sind mit Geist und Körper der Ich-Illusion verhaftet: „Das bin ich, das gehört mir, das will ich haben, das will ich sein, das will ich werden.“ Alles dreht sich um „mich“. Wenn also die Sinne, die wir ja ständig in Gebrauch haben, uns etwas zeigen, was wir als wünschenswert empfinden, verbinden wir ein angenehmes Gefühl damit, laufen dem hinterher und suchen dadurch etwas Neues zum anhaften. Es genügt uns anscheinend nicht, dass wir schon an so vielen Dingen anhaften.
Die Kehrseite der Medaille handelt davon, dass wir mit den Sinnen etwas Unangenehmes, Hässliches, Schmerzliches berühren und sich sofort Widerstand zeigt: „Ich will das nicht, ich kann das nicht leiden, ich muss weg davon.“ Gleich zeigt sich unsere Negativität, die allein dadurch hochkommt, dass ein Sinneskontakt stattgefunden hat und wir dem glauben, was da vor sich geht, als ob es die einzige Realität wäre. In Wirklichkeit können diese Vorgänge höchstens zeitweiliges Vergnügen oder Missvergnügen bereiten, aber niemals inneren Frieden und innere Harmonie erzeugen. Darum ist es nötig, Innenschau zu halten, um zu erkennen, was hier in uns selbst vorgeht.
Vielleicht hören wir Worte, die uns nicht gefallen, und sofort kommt eine Reaktion: „Dieser Mensch ist bei mir im Haus nicht erwünscht.“ Dabei ist nichts weiter geschehen, als dass wir Worte gehört haben, von denen der Sprecher sogar überzeugt ist. Die Reaktion darauf entsteht in uns selbst, was schwer zu erkennen ist. Die meisten Menschen glauben, alles hinge von dem ab, was von außen auf sie zukommt.
Vielleicht können wir uns einmal Folgendes vorstellen: Eine kleine Teufelspuppe, mit der Kinder spielen, sitzt in ihrem Kasten auf einer Spirale. Wenn das Kind den Deckel nur ganz leicht berührt, springt die Teufelspuppe zum größten Vergnügen des Kindes heraus. Nun entfernt jemand die Teufelspuppe aus dem Kasten und wirft sie weg. Das Kind drückt und drückt auf den Deckel – ohne Ergebnis. Es holt einen Hammer und haut auf den Deckel, aber nichts springt heraus. Das ist ein Gleichnis für unsere Reaktionen. Sie springen jedes Mal heraus, wenn jemand auf den Deckel drückt, weil sie in uns sitzen. Wenn wir einmal festgestellt haben, dass bei uns immer das gleiche Programm abläuft, werden wir vielleicht versuchen, uns von allem fernzuhalten, was auf unseren Deckel drücken könnte. Das ist aber nicht möglich. Die Welt ist voll von diesen „Kindern“, die auf unsere Deckel drücken, selbst wenn wir uns in eine einsame Höhle zurückziehen. Auch da wird es kalt und regnet, gibt es Ungeziefer, kommen Leute vorbei, die uns auslachen, und andere Unannehmlichkeiten. Es hat keinen Sinn, den Deckeldrücker zu tadeln oder ihm auszuweichen. Es gibt nur einen Weg, nämlich endlich einmal die eigene Teufelspuppe kennen zu lernen und sich vorzunehmen, nicht mehr dasselbe Programm ablaufen zu lassen. Wir können uns klarmachen, dass ja nichts weiter stattfindet als ein Sinneskontakt.
Wenn wir zum Beispiel mit Knieschmerzen dasitzen, kann es sein, dass unser Geist sich empört: „Das ist ja schrecklich, wirklich furchtbar. Ich hätte nie so etwas anfangen sollen. Erleuchtet werde ich ja ohnehin nicht. Ich mache das nicht länger mit. Ich gehe einfach.“ Und was hat wirklich stattgefunden? Nichts weiter als ein Berührungskontakt, der unangenehme Gefühle hervorgerufen hat. Der Geist kann aber ein ganzes Drehbuch aus der einfachen Tatsache machen, dass das Knie das Kissen berührt und ein unangenehmes Gefühl hervorruft. Wenn wir das Knie streicheln, findet auch ein Berührungskontakt statt, der jedoch mit einem angenehmen Gefühl verbunden ist. Der Geist reagiert dann wohlwollend: „Wie schön, mach doch weiter, herrlich.“ Die äußeren Anlässe und unsere Reaktionen vermitteln uns den Eindruck, als sei das die Welt. Der Buddha hat wiederholt gesagt: „Die Welt, das sind unsere Sinne und die Sinnesobjekte, die wir mit dem Sinnesbewusstsein wahrnehmen und daher sehen, hören, riechen, schmecken, berühren und denken, und weiter gar nichts.“
Der erste Schritt auf dem Weg zur inneren Reinheit besteht also darin, dass wir unsere Gedanken in heilsame Bahnen lenken, der zweite darin, dass wir unsere Gefühlsreaktionen beachten und versuchen, uns vom Haben- und Loswerdenwollen zu befreien. Beide verursachen Leid, denn sie bedeuten ja, dass wir nicht zufrieden sind mit den Dingen, so wie sie sind. Leider ist das der Gram aller Lebewesen. Wir brauchen uns nur die Kühe anzuschauen; sie stecken immer ihren Kopf durch den Zaun, um das Gras auf der anderen Seite zu fressen. Dabei ist es genau dasselbe Gras wie auf ihrer Seite. Bei uns sieht es auch nicht anders aus; wir sind selten zufrieden mit dem, was wir haben, erleben, wissen und sind. Es sollte immer besser, schöner und vollständiger sein. Was werden wir also ändern können, damit endlich einmal diese Unzufriedenheit in uns aufhört? Wir können wohl etwas ändern, aber nicht von außen. Wir haben die Anweisungen des Buddha, wie wir innerlich etwas ändern können.
Unser Hauptanliegen ist die Läuterung von Herz und Geist mit den entsprechenden Methoden, diese zu erreichen. Die Meditation ist eine Methode der Läuterung; jeder Moment der Konzentration ist ein Moment der Läuterung. Wenn der Geist nur eine Sekunde lang konzentriert ist, kann er nicht unheilsam denken oder reagieren. Wir wissen auch, dass die Zeit sehr schnell verfließt, wenn wir konzentriert sind, was daran liegt, dass der Geist zu der Zeit nichts Unlauteres in sich birgt. Diese Art der Läuterung funktioniert wie eine automatische Waschmaschine. Wir brauchen uns nicht vorzunehmen, nichts Böses zu denken oder alle Menschen zu lieben. Konzentration allein genügt. Um unser Innenleben zu läutern und tugendhaft zu gestalten, brauchen wir keine grandiosen, spirituellen Fähigkeiten. Nur Verständnis und gute Absicht sind nötig.
Der dritte Schritt zum Heil der Tugend besteht darin, dass wir unsere Sinnestore schützen. Wir tun das, indem