Just One thing. Rick Hanson
zum Beispiel. Das Führen eines Praxis-Tagebuchs oder Gespräche über deine Übungen sind ebenfalls hilfreich. Du kannst deine Praxis auch in psychologische oder spirituelle Aktivitäten einfließen lassen – du kannst sie zur Yogastunde „mitnehmen“ in die Psychotherapie oder zum Gebet.
Weil ich mich auf 52 Übungen beschränke, musste ich einige Entscheidungen treffen:
• Die Übungen werden kurz und bündig beschrieben (auch wenn über jede Übung viel mehr gesagt werden könnte). Der Titel jedes Kapitels verweist darauf, worum es bei der jeweiligen Übung geht. Die Kapitel beginnen mit einer Erklärung, warum man diese Übung machen sollte. Danach wird beschrieben, wie man sie übt. Die Länge der Kapitel variiert je nach Thema.
• Mit Ausnahme der letzten Übung habe ich mich auf Übungen konzentriert, die wir in uns selbst tun können, wie Sei dankbar (18. Kapitel). Es geht also weniger um Dinge, die wir in Interaktion mit anderen tun. (Wenn du dich für interpersonelle Übungen im Stil von Just One Thing interessierst, könnte dich mein kostenfreier E-Mail-Newsletter interessieren, den du auf www.RickHanson.net bestellen kannst.) Selbstverständlich kannst du jede in diesem Buch beschriebene Praxis in einer Beziehung oder mehreren Beziehungen üben; mit einem Freund, deinem Partner oder in einer Gruppe (Familie, Team, Lesegruppe).
• Die meisten Übungen finden in deinem Geist statt – aber es ist natürlich ebenso wichtig, körperlich und in der Welt um uns herum aktiv zu werden.
• In der psychischen und spirituellen Entwicklung gibt es drei grundlegende Phasen: das schlichte Sein mit schwierigen Erfahrungen oder Gemütszuständen (z. B. alte Wunden oder Wut); das Loslassen und das Ersetzen dieser Erinnerungen und Befindlichkeiten durch etwas Positives und Heilsames. Kurz gesagt: Seinlassen, Loslassen und Einlassen. Alle drei Phasen werden in diesem Buch berücksichtigt; allerdings habe ich mich auf die dritte konzentriert, denn hier finden sich meistens die direktesten und schnellsten Wege, um Stress und Unglücklichsein zu verringern und positive Qualitäten in sich zu entwickeln.
• Obwohl es meine Erfahrung und meine Überzeugung ist, dass in Geist und Materie auch etwas Transzendentes wirkt, bleibe ich in diesem Buch im Rahmen der westlichen Wissenschaft.
Nicht zuletzt sollen diese Übungen natürlich auch Spaß machen. Wir sollten die Praxis (und uns selbst) nicht zu ernst nehmen. Es steht dir frei, kreativ zu werden und die Übungen jederzeit deinen eigenen Bedürfnissen entsprechend zu verändern. Die Abschnitte über das Wie enthalten meist mehrere Empfehlungen, wie man eine Übung ausführen kann – du musst nicht alle davon anwenden. Such dir einfach diejenigen aus, die dir am meisten entsprechen.
Und das Wichtigste: Vergiss während du übst nicht, gut mit dir selbst umzugehen. Es kann durchaus passieren, dass dir eine bestimmte Übung ausgesprochen schwerfällt oder sehr schmerzhaft ist. Dann lass sie einfach aus – fürs Erste oder auch ganz.
Beim Üben können wir auf unsere eigenen Ressourcen zurückgreifen: Wenn wir beispielsweise das Gefühl haben, dass sich andere um uns kümmern, können wir uns leichter vergeben (7. Kapitel). Abschließend will ich darauf hinweisen, dass die Praxis kein Ersatz für professionelle Psychotherapie oder eine medizinische Behandlung ist.
Geh weiter
Wenn man lernen möchte, wie man einen Lastwagen fährt, eine Abteilung leitet oder Tennis spielt, steht außer Frage, dass es einer gewissen Anstrengung bedarf, bis man es gut kann. Wenn es aber um einen gekonnteren Umgang mit dem eigenen Geist geht, herrscht immer noch die Überzeugung, dass dieser irgendwie von alleine funktionieren müsste, ohne dass wir uns anstrengen oder irgendetwas üben müssten.
Weil aber der Geist in der Biologie und im Körper wurzelt, gelten hier die gleichen Gesetze wie bei jedem anderen Lernprozess: Je mehr du hineingibst, desto mehr bekommst du zurück. Um die positiven Veränderungen der Übungen zu erfahren, müssen wir sie machen – immer wieder.
Um es noch einmal zu sagen, es ist wie beim Sport: Wenn du ab und zu trainierst, wirst du nur ein wenig besser, wenn du regelmäßig trainierst, wirst du viel besser. Manchmal höre ich Menschen sagen, es sei leicht, den eigenen Geist zu trainieren, tatsächlich aber braucht man dafür einiges an Entschlossenheit und Ausdauer und manchmal geht man im Training durchaus an seine Grenzen. Üben ist nichts für Feiglinge. Wir müssen uns die positiven Effekte verdienen.
Es ist wichtig, dass wir uns für unsere Praxis wertschätzen. Die Übungen sind zwar einerseits bodenständig und unspektakulär, aber eben auch ambitioniert und tiefgründig. Wenn wir üben, legen wir das Beste in uns frei und nähren es. Wir begeben uns auf einen anspruchsvollen Weg – nicht den Weg des geringsten Widerstands. Dazu brauchen wir Ernsthaftigkeit, Entschlossenheit und Mut. Wir zähmen und klären den unruhigen, und flatterhaften Geist und erkunden die noch unerschlossenen Gebiete im Dschungel unseres Gehirns, dessen Ebenen bis zu den Reptilien, Säugetieren und Primaten zurückgehen. Dies ist ein wunderbares Geschenk an unser zukünftiges Selbst – an das Wesen also, über das wir die größte Macht haben und für das wir damit auch die umfassendste Verantwortung tragen.
Die Früchte der Praxis werden auch im Außen wirken und anderen – bekannten und unbekannten – Wesen zugutekommen. Zweifle nie an der Kraft der Praxis oder wie weit dich dein Weg der Praxis bringen kann.
Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg!
1. Teil
Sei gut zu dir selbst
1
Sei auf deiner Seite
Um etwas für unser eigenes Wohlbefinden zu tun – zum Beispiel die Übungen in diesem Buch –, müssen wir auf unserer Seite sein. Das heißt nicht, dass wir gegen andere sind, sondern für uns.
Für viele Menschen ist das schwerer, als es sich anhört. Vielleicht haben wir von klein auf gelernt, dass wir nicht so wichtig sind wie andere Menschen. Oder wir wurden, als wir für uns einstehen wollten, daran gehindert oder kleingemacht. Vielleicht hast du irgendwo tief drinnen das Gefühl, dass du es nicht verdienst, glücklich zu sein.
Denk darüber nach, wie es ist, für jemanden ein guter Freund zu sein. Und dann frage dich: Bin ich mir selbst ein guter Freund?
Wenn wir die Frage mit Nein beantworten, liegt es womöglich daran, dass wir zu selbstkritisch sind und zu schnell denken, wir hätten Fehler gemacht und zu wenig wertschätzen, was wir jeden Tag leisten. Oder wir schützen uns nicht ausreichend davor, schlecht behandelt zu werden und sagen nur halbherzig, was wir wirklich brauchen. Vielleicht sind wir unserem eigenen Schmerz gegenüber auch gleichgültig geworden und tun nicht genug dafür – sowohl in unserem Kopf als auch in der Welt –, um unser Leben zu verbessern.
Doch wie können wir für andere da sein, wenn wir nicht zuerst für uns selbst da sind?
Die Grundlage jeder der folgenden Übungen besteht darin, dass wir uns selbst Gutes wünschen und dass wir uns, unsere Sorgen und Bedürfnisse und unsere Träume wichtig nehmen. Dann wird in allem, was wir für uns selbst tun, eine tiefe Kraft liegen!
So geht’s
Frage dich mehrmals am Tag: Bin ich gerade auf meiner Seite? Achte ich auf meine eigenen Interessen? (Die oft auch das Beste für andere bedeuten.)
Das bietet sich besonders dann an,
• wenn du dich nicht gut fühlst (z. B. traurig, verletzt, besorgt, enttäuscht, schlecht behandelt, frustriert, gestresst oder gereizt);
• wenn jemand dich drängt, etwas zu tun;
• wenn du weißt, dass du etwas um deiner selbst willen tun solltest, es aber nicht tust (wie deine Meinung sagen, nach einem neuen Job suchen oder mit dem Rauchen aufhören).
In diesen Momenten aber auch generell kannst du Folgendes tun:
• Erinnere dich daran, wie es sich anfühlt, wenn dich jemand gerne hat. Das hilft Dir zu spüren, dass du wichtig und wertvoll bist, und das wiederum ist die Grundlage dafür, um auf deiner Seite zu sein.
• Erinnere dich daran, wie es sich