Glücksschule. Daniel Hess

Glücksschule - Daniel Hess


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Körpergrenzen hinaus geschehen. Das bedeutet, dass ein Mensch im Flow sich nicht mehr als getrennt von der Tätigkeit und der Umwelt erlebt, sondern vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität aufgeht (Verschmelzen von Selbst und Tätigkeit). Unsere Energie fließt wieder zurück vom Kopf ins Herz und in den Körper und wir erfahren das Leben als sinnerfüllt und beglückend. Flow-Erfahrungen sind also auch wesentliche Energie- und Glückstankstellen im Alltag.

      Während wir in der grenzenlosen Fülle der Einheit des Flows „baden“, sind wir angedockt an die Weisheit der Intuition und an die Kreativität des sich stetig verändernden Lebensflusses.

      Menschen im Flow sind zudem sehr wach und aufmerksam, das heißt, durch dieses hohe Maß an Konzentration können sie die verschiedenen Faktoren eines Prozesses wachsam überblicken und bei sich abzeichnenden oder auftauchenden Schwierigkeiten und Problemen sofort kreativ reagieren.

      Unsere aktuelle Gesellschaft lebt in einer stetigen Beschleunigung, wachsender Komplexität in allen Lebensbereichen, turbulenten Märkten und immer mehr Prozessen, die kaum mehr geplant werden können, und dies nicht nur in den Chefetagen. Alles ist in stetem Fluss und in dauernder, rasanter Veränderung. Das „Fließbewusstsein“ des Flows ist die perfekte Antwort darauf. Wenn alle gesellschaftlichen Prozesse im Fluss sind, dann muss auch das Bewusstsein lernen, im Fluss zu sein.

      Die gesamte Lebensenergie und Aufmerksamkeit ist im jetzigen Moment. Es gibt also nichts, was später hoffentlich erreicht werden sollte oder was früher einmal passiert ist und noch immer unser jetziges Glück scheinbar behindert. Diese Präsenz im jetzigen Moment ist die Basis für Gesundheit und Heilung des Körpers. Wenn die Energie im Körper frei fließen kann, dann ist der Körper auch gesünder. Studien haben außerdem gezeigt, dass glückliche Menschen ein besseres Immunsystem haben als unglückliche.

      Selbstreflexion:

       Bei welchen Tätigkeiten kommst du in den Flow?

       Wie oft ist das der Fall?

       Wie fühlt es sich für dich an, wenn du im Flow bist?

      Das Phänomen des Flows erfolgt ausschließlich bei Tätigkeiten mit intrinsischer (von innen heraus kommender) Motivation, das heißt bei Tätigkeiten, die jemand auch wirklich verrichten möchte.

      Wichtig ist aber auch, wie die Schwierigkeit einer Tätigkeit beziehungsweise die eigenen Fähigkeiten, diese zu bewältigen, eingeschätzt werden. Wird eine Tätigkeit als zu leicht eingeschätzt, dann tritt Langeweile auf. Wird eine Tätigkeit als zu schwer angesehen, dann ist man überfordert oder ängstlich. Kinder suchen sich deshalb, wenn sie mit einem Spiel unter- oder überfordert sind, ganz von selber eine neue Spielmöglichkeit. Auch für uns Erwachsene braucht es, um in den Flow zu kommen, die Fähigkeit, sich selber zu motivieren, sich selber Ziele zu setzen und sich immer wieder selbst gewählten neuen Herausforderungen zu stellen, sonst wird unser Leben zwar bequem, aber auch langweilig werden.

      Es braucht eine Umgebung, in der man möglichst ungestört in der geliebten Tätigkeit versinken kann, damit es möglich ist, die Konzentration wirklich hochzuhalten. Multitasking und ständige Unterbrechungen sind also für den Flow gar nicht ideal.

      Auch bei uns Erwachsenen ist es so, dass wir nur in einer Umgebung in den Flow kommen können, in der wir uns wohl und sicher fühlen. Wenn wir einen Teil unserer Aufmerksamkeit für den Selbstschutz benötigen, ist Flow nicht mehr möglich.

      Wesentlich ist daher für Glück, Höchstleistungen und optimale Lernbedingungen ein möglichst entspanntes und angstfreies Klima.

      Selbstreflexion:

      Erstelle eine Liste, auf der du alle deine alltäglichen Tätigkeiten in zwei Spalten einordnest. In die erste Spalte schreibst du die Tätigkeiten, zu welchen du wirklich intrinsisch motiviert bist, in die zweite Spalte diejenigen, welche du nur erledigst, weil du es musst.

       Überlege dir Antworten auf die folgenden Fragen: In welcher Umgebung (wo und wann) ist es für dich am einfachsten, in den Flow zu kommen? Weshalb ist das wohl so?

      Die Forschungen zum Flow sind auch deshalb so spannend, weil sie uns zeigen, welche ursprüngliche Kraft und Weisheit in uns Menschen aktiv wird, wenn wir uns wirklich verbunden fühlen. Außerdem zeigen sie, welchen Verlust es auf allen Ebenen unserer Gesellschaft und für jeden einzelnen Menschen bedeutet, wenn das Spiel und der Flow der Kinder nicht den zentralen Platz in ihrem Alltag haben darf. Es ist jetzt aber für uns alle an der Zeit, wieder ganz in den Fluss des Lebens und in das Einheitsbewusstsein zurückzukehren! Wir alle haben das Recht, glücklich zu sein – jetzt!

      „Zeit ist überhaupt nicht kostbar, denn sie ist eine Illusion. Was dir so kostbar erscheint, ist nicht die Zeit, sondern der einzige Punkt, der außerhalb der Zeit liegt: das Jetzt. Das allerdings ist kostbar. Je mehr du dich auf die Zeit konzentrierst, auf Vergangenheit und Zukunft, desto mehr verpasst du das Jetzt, das Kostbarste, was es gibt.“

      Eckhart Tolle

      Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Einheitsrealität ist die Fähigkeit, ganz im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Präsenz im Jetzt ist unser ursprünglicher Zustand. Babys und kleine Kinder sind stets voll präsent. Diese Präsenz kann sich als ungeteilte Aufmerksamkeit im Flow äußern, aber auch grundsätzlich darin, jeden Moment des Lebens mit vollständiger Wachheit und Gegenwärtigkeit zu erfahren.

      Das gedankliche Abschweifen in die Zukunft oder Vergangenheit sowie in mentale Prozesse wie Kommentieren, Planen, Bewerten oder Vergleichen – all das ist erlernt. Weil das Abschweifen aus dem jetzigen Moment erlernt ist und weil ursprüngliches Glück nur im jetzigen Moment erfahren werden kann, liegt der Schluss nahe, dass auch das Unglücklichsein erlernt ist. Welchen Beitrag die Schule zu diesem Lernprozess leistet, werden wir im Verlaufe des Buches noch genauer betrachten.

      Jede Form von Unglücklichsein hat ihre Wurzel in unseren Gedanken. Wenn wir in Gedanken im Gestern oder Morgen sind, dann haben wir diesen Kontakt zum gegenwärtigen Moment und auch zum unmittelbaren sinnlichen Erleben unseres Körpers verloren. Unser Verstand ist darauf programmiert, sich vor der Zukunft zu fürchten oder auf die Zukunft zu hoffen, so führt er uns weg von unserer tiefsten inneren Wahrheit und unserem inneren Potential, welche wir stets nur jetzt erfahren können. Wenn der Verstand aber wieder ein Werkzeug ist, das wir benutzen, statt umgekehrt, dann steht dem Glücklichsein nichts mehr im Wege, denn Präsenz im jetzigen Moment ist automatisch da, wenn wir uns nicht in den Geschichten der Gedanken verlieren.

      „Die Meister beobachten die Welt,

      vertrauen aber ihrer inneren Sehkraft.

      Sie lassen die Dinge kommen und gehen.

      Ihr Herz ist offen wie der Himmel.“

      Laotse

      Wie wir in der Einleitung schon gesehen haben, ist Vertrauen ein weiteres Merkmal der ursprünglichen Einheitsrealität von kleinen Kindern. Wer je ein Baby in seinen Armen gehalten hat, konnte vielleicht dieses tiefe Vertrauen des Babys in das Leben spüren. Für mich ist das immer wieder eine sehr tiefe und berührende Erfahrung, dieses kindliche Vertrauen in das Leben zu erfahren. Manchmal habe ich dabei auch gespürt, dass mein Kind mehr Vertrauen in das Leben hatte als ich selber …

      Vertrauen heißt, sich ganz dem Fluss des Lebens zu überlassen, was auch immer er mit sich bringt. Stephen Levine, der jahrzehntelang sehr mitfühlend Sterbende in den Tod begleitet hat, beschreibt in einem seiner Bücher, dass kranke Kinder sich auch viel müheloser und offener auf den Tod einlassen können als die meisten Erwachsenen. Das Urvertrauen von kleinen Kindern ist wirklich grenzenlos und kann nur durch Erfahrungen von Nichtliebe erschüttert werden. Wir Erwachsenen haben gelernt, dass wir nicht dem Leben selbst vertrauen sollten, sondern vielmehr den erlernten Konzepten, Theorien, Kontrollimpulsen und Ängsten. Worauf sich unser Vertrauen richtet, ist eine sehr zentrale Frage, die sehr viel dazu beiträgt, ob wir das Gefühl haben, ein sinnerfülltes und verbundenes Leben führen


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