Tränen einer Braut: 3 Romane. G. S. Friebel

Tränen einer Braut: 3 Romane - G. S. Friebel


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schlägt er dich noch tot.«

      »Das wird er nicht mehr können«, sagte sie leise.

      »Da kennst du Albert schlecht.«

      Elvira antwortete: »Doch, ich lass mich von ihm nicht mehr quälen. Nie mehr!«

      »Na, das Rezept möcht ich wissen«, sagte die verlebte Dirne lachend. »Ich hab schon ’ne Menge versucht, aber der Kerl hat einen Bund mit dem Teufel. Der lässt nicht locker. Erst wenn du kein Blut mehr in den Adern hast, wirft er dich weg. Aber dann bist du auch zu nichts mehr nütze. Ich rate dir, Kleine, mach ihn nicht wild. Ich kann ein Lied davon singen.«

      Elvira dachte: Was rede ich noch mit der Dirne? Ich weiß doch, was ich tun muss. Worauf warte ich noch? Wenn ich jetzt noch länger warte, habe ich keinen Mut mehr. Ich bin am Ende.

      Und dann geschah alles sehr schnell. Die anderen hörten Lola wie wild kreischen, und die Dirnen kamen aus allen Ecken angelaufen:

      »Was ist denn los? Wollte dich einer abmurksen?«

      Lola stand mit weit auf gerissenen Augen unter der Laterne und starrte auf die Elbe. Sie keuchte und zitterte zugleich.

      »Da, da!«, kreischte sie los. »So tut doch etwas. Die ersäuft doch!«

      Anke schüttelte sie hin und her.

      »Was faselst du? Red deutsch, wir verstehen kein Wort.«

      »Verflucht, die ertrinkt doch!  Die Elvira, sie hat sich einfach in die Elbe geworfen.«

      »Wo, wo, wo?«

      Alles rannte zur Kaimauer.

      Der Mond schob sich hinter einer dicken Wolke hervor. Und jetzt sahen auch die Dirnen einen hellen Fleck auf dem schmutzigen Wasser. Einige bekreuzigten sich.

      »Sie hat nicht aufgepasst!«

      »Nein, die ist reingesprungen!«, heulte Lola auf.

      »Herrje, wir müssen was unternehmen!«

      Aber die Dirnen liefen wild durcheinander. Und bis man endlich die Hafenpolizei benachrichtigt hatte, verging geraume Zeit. Aus der Ferne hörten sie einen Motor und die Polizeijacht kam näher.

      Wild mit den Armen um sich rudernd, erklärte jede einzelne Dirne, wo Elvira verschwunden war. Mit Haken suchte man nach ihr. Und sie bekamen sie auch sofort zu fassen, was wirklich ein kleines Wunder war.

      Elvira war tot.

      »Kennt jemand die Kleine?«

      »Sie ist Albert Lanners Frau«, schluchzte Lola.

      Die Beamten staunten.

      »Seit wann ist der denn verheiratet?«

      »Schon eine Weile.«

      »War es ein Unfall.«

      »Nee«, heulte Lola. »Zuerst hat sie so komisch gequasselt und dann ist sie von ganz allein losgelaufen und reingesprungen.«

      »Also Selbstmord?«

      »Ja!«

      »Gut, wir werden uns um alles kümmern.«

      Man brachte sie ins Leichenschauhaus. Andere Beamten machten sich auf den Weg, um Albert, den Zuhälter, zu finden. Sie entdeckten ihn in seiner neuen Bar. Es war hektischer Betrieb. Gerade wurde ein scharfer Strip gezeigt. Albert lehnte an einer Säule und musterte die vielen Männer, die mit gierigen Augen um die kleine Bühne postiert waren. Alles Herren aus der oberen Schicht.

      In zwei Wochen würde er seine zweite Bar eröffnen. Er hatte es ja gewust. Mit ihm ging es endlich aufwärts. Man begann, ihn zu fürchten.

      Von hinten wurde ihm auf die Schulter getippt. Unwillig und wütend drehte er sich herum. Wer wagte es ihn zu stören? Aber als er die Polizeiuniform erblickte, zog er unmerklich seine Augen zusammen. Irgendein krummes Ding drehte er immer, und man konnte nie wissen, ob einer der Geschäftspartner ihn der Polizei verriet oder nicht.

      »Was ist?«

      »Bitte, kommen Sie mit!«

      »Sie sehen doch, ich habe keine Zeit. Kann das nicht bis morgen warten?«

      »Nein.«

      »Wohin wollen Sie mich bringen?«

      »Ins Leichenschauhaus.«

      Er zuckte zusammen, dann sagte er hastig: »Wer ist denn umgebracht worden? Ich hab nichts damit zu tun! Ich hab ein Alibi, ich war die ganze Zeit hier.«

      Die Beamten musterten ihn scharf. Schon lange waren sie hinter Albert her, aber er war zu gerissen. Sie konnten ihm nichts beweisen. Nicht einmal jetzt.

      Böse vor sich hin knurrend fuhr er mit. Fieberhaft überlegte er, wen sie wohl umgebracht haben mochten. Wenn es jemand aus seinem Bekanntenkreis war, und man hatte ihn angezeigt  Himmel, er würde denjenigen finden, und ihm sämtliche Knochen brechen.

      Aber dann zeigten sie ihm Elvira. An die hatte er überhaupt nicht mehr gedacht. Er prallte zurück.

      »Was ist passiert? Welcher Kerl hat sie umgebracht?«

      »Ist das Ihre Frau?«

      »Wer sagt das?«

      »Ein paar Dirnen im Hafen.«

      »Ja, sie ist meine Frau«, presste er zwischen den Zähnen hervor.

      »Sie hat Selbstmord begangen. Können Sie uns sagen, warum?«

      »Nein!«, schrie er ihnen ins Gesicht. »Das weiß ich nicht! Sie war eine dreckige, gemeine Hure. Ich hab mich nicht mehr viel um sie gekümmert.«

      »Warum haben Sie sich dann nicht scheiden lassen?«

      Albert war verblüfft.

      »Ist das nicht vielleicht so, dass du sie gezwungen hast dazu, für dich auf den Strich zu gehen?«, sagten die Beamten scharf.

      Er wurde weiß. Dieses verdammte Luder! Sogar noch nach ihrem Tod machte sie ihm Ärger und Scherereien.

      »Ihr könnt mir nichts nachweisen!«, schrie er. »Gar nichts!«

      »Im Augenblick nicht«, sagten sie kalt. »Aber Albert, wir bleiben am Ball, hörst du? Sei auf der Hut.«

      Fluchend verließ er das Leichenschauhaus.

      »Du wirst dich jetzt um alles kümmern?«, fragten die Beamten draußen.

      »Was denn jetzt noch?«

      »Die Beerdigung«, sagten sie sanft.

      Albert winkte ein Taxi. Jetzt musste er schon wieder Geld für sie ausgeben, dieses verdammte Luder. Nun hatte sie es also geschafft. Durch ihren Tod hatte sie die Bullen auf ihn gehetzt. Und er konnte sich nicht einmal an ihr rächen. Er kannte keinen Augenblick lang Gewissensbisse. Er war nur wütend, dass sie ihm entglitten war.

      Nach Stunden erinnerte er sich wieder an das Kind. Das brachte seinen Zorn zum Sieden. Was sollte denn jetzt mit ihm geschehen?

      Gegen Morgen betrat er die kleine, schäbige Kammer. Dort lag das Kind und schlief. Er stand da und sah es zornig an. Und zum ersten Mal bemerkte er die Ähnlichkeit mit sich selbst. Der Knabe war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Voll Staunen sah er auf diese winzige Ausgabe, und dabei ging ihm so richtig auf, dass das sein Sohn war!

      Er kam aus dem tiefsten Milieu. Tiefer konnte man gar nicht mehr sinken. Aber durch Zähigkeit und Härte hatte er sich emporgearbeitet. Er war jetzt jemand und er hatte schon eine Menge Geld auf der Bank. Sein Sinn stand immer nach mehr und noch mehr Geld. Alles wollte er an sich reißen und reich und mächtig werden. Dann musste man ihn respektieren  auch die großen »Tiere«, die ihn jetzt noch verächtlich über die Schulter ansahen, wenn sie in seine Bar kamen, um sich an lockeren Mädchen zu erfreuen. War er aber erst einmal sehr reich, dann durften sie es nicht mehr wagen, sich ihn zum Feinde zu machen.

      Er strebte nach zügelloser Macht in der Unterwelt. Bald würden ihm alle gehorchen.


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