Tränen einer Braut: 3 Romane. G. S. Friebel
junge Frau hatte längst aufgegeben, an eine gute Zukunft zu denken. Ihr Mann war kein Mensch, sondern ein Teufel. Sie sprach kaum mehr ein Wort mit ihm. Jetzt war er übrigens fast nie mehr in der Kneipe. Lie-San und sie mussten alles allein bewältigen.
Er hatte seine erste Bar eröffnet. Und die war pompös und enorm. Dort gab es Aufführungen von gewagtem Strip und so weiter. Sie hatte gehört, dass sich die Männer abends auf dieser Lokalität drängten. Es sollte eine wahre Goldgrube sein. Woher Albert die Mädchen hatte, konnte sie nicht sagen. Bedrückt fragte sie sich oft, warum die Polizei nicht mehr auf ihn aufpasste.
Aber Albert war gerissen genug, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Die kleinen Animiermädchen, die für ihn herumliefen und hin wieder auch sich selbst anboten, hatten sich selbst angeboten. Ja, er konnte regelrecht unter ihnen wählen. Er beteiligte sie am Umsatz. Kein Wunder, dass sie versuchten, möglichst viel an den Mann zu bringen. Was sie in den kleinen Hinterräumen trieben, das ging ihn einfach nichts an. Später würde er hier seine eigenen Pferdchen laufen lassen. Aber für dieses Unternehmen musste er erst die richtigen Mädchen finden.
In einer Regennacht wurde sein Sohn geboren. Als die Wehen einsetzten, schleppte sich Elvira mit letzter Kraft zum Koch und klopfte an seine Tür.
»Würden Sie mir ein Taxi besorgen?«, flüsterte sie und klammerte sich ans Treppengeländer.
»Ja, ja, sicher!«, rief er. »Ich ziehe mich nur rasch an. Ich bin gleich so weit.«
Wenige Augenblicke später stürzte er aus dem Haus. Elvira hatte die Tasche schon vor Wochen gepackt. So brauchte sie jetzt nichts zusammenzusuchen.
Lie-San begleitete sie zur Klinik.
»Das brauchst du nicht«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Du bist doch auch müde.«
»Jetzt spreche nicht, sei ganz still.«
Sie waren schon ein seltsames Paar, und in der Klinik hielt man den Chinesen für ihren Mann. Aber sie schüttelte nur den Kopf.
Die Wehen waren schrecklich. Der Arzt betrachtete ihren Körper. Sie sah mager und erschöpft aus, am Ende ihrer Kräfte. Er verstand einfach nicht, wie sie so lange hatte schaffen können. Und dazu ihre Jugendlichkeit.
Das Kind musste dann mit Kaiserschnitt geholt werden. Gegen Morgen endlich erhielt Lie-San Bescheid. Und er machte sich auf den Weg nach Hause. Er war todmüde und stolperte vor sich hin. Jetzt wollte er sich erst einmal eine starke Tasse Kaffee bereiten.
Als er die Küchentür aufstieß, sah er Albert. Er stand ans Fenster gelehnt. Als er jetzt den Chinesen kommen hörte, drehte er sich um.
»Ich suche dich schon die ganze Zeit. Wo warst du?«
Die schwarzen Augen des Asiaten sahen ihn ausdruckslos an.
»Bin ich dein Sklave?«, erwiderte er kalt.
Albert ballte die Hände. Es ärgerte ihn, dass der Chinese ihm immer überlegen sein würde. Er besaß Haltung und so etwas wie eine gute Bildung. Immer würde er ihn spüren lassen, dass sie nicht auf derselben Stufe standen. War er denn nicht ein Chinese und er ein Weißer?
»Ich muss mit dir sprechen«, sagte Albert hastig. »Du kannst das hier jetzt Elvira allein überlassen. Ab heute wirst du im Nachtclub für mich kochen.«
»Ich bleibe vorläufig noch hier«, sagte der Chinese.
»Aber die Küche ist fertig. Modern, leicht zu arbeiten. Du wirst deine Freude haben.«
»Trotzdem bleibe ich hier, oder du überlässt jemand anderem die Küche.«
»Du hast sie angelernt. Sie wird es doch wohl endlich können! Zu irgendetwas wird sie mir wohl nütze sein, verdammt noch mal!«
»Sie hat dir diese Nacht einen Sohn geboren. Sie muss sich jetzt um das Kind kümmern.«
Der Zuhälter starrte ihn an. »Das habe ich ganz vergessen.«
»Es ist so.«
Die beiden Männer maßen sich gegenseitig mit einem langen Blick. Albert war es, der die Augen niederschlug.
»So werde ich einen anderen suchen müssen«, murmelte er »Du wirst dann mitkommen?«
»Nur, wenn Elvira hier nicht mehr arbeiten muss.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich dämm kümmern werde«, sagte er grantig.
Lie-San lächelte leicht. Nun hatte er endlich erreicht, dass die junge Frau nicht mehr so schwer arbeiten musste. Jetzt würde sie nur noch Zeit für ihren kleinen Sohn haben und sich selbst pflegen können, würde wieder lachen und heiter werden. Bei so einem kleinen Kind musste das Herz doch groß und weit werden. Hätte der Chinese nur Alberts Gedanken erraten können, hätte er sich anders verhalten.
»Sie liegt in der Klinik«, sagte Lie-San. »Du wirst hingehen! Die Formalitäten müssen erledigt werden.«
Albert vergaß zuerst, dass er einen Sohn hatte. Aber gegen Mittag erinnerte ihn Lie-San wieder daran. Und so fuhr er zur Klinik.
Elvira hatte nicht damit gerechnet, dass Albert sie besuchen würde. Umso erstaunter war sie dann, als sie ihn in der Tür stehen sah. Er hatte ihr nichts mitgebracht. Fast böse sagte er: »Nun hast du es ja erreicht! Das Kind ist also ehelich geboren. Du hast also alles bekommen, was du wolltest. In Zukunft wirst du also tun, was ich dir befehle.«
Sie duckte sich ins Bett hinein. Wahnsinnige Angst überfiel sie. Den ganzen Morgen hatte sie gegrübelt. Aber fortgehen, das konnte sie nicht. Der Krieg war noch nicht lange zu Ende, und Kinderkrippen gab es damals nicht. Entweder musste sie das Kind in ein Waisenhaus geben und arbeiten gehen, oder es behalten und Albert untertan sein. Nein, ihr Kind sollte keine freudlose Jugend erleben. Sie würde immer vor ihm stehen, es so vor Albert schützen.
So lag sie nur da mit zitternden Lippen und schaute ihn an, sagte aber kein Wort.
»Ich werde es anmelden. Wie soll es heißen?«
»Patrick«, stammelte sie.
»Gut, dann wäre also alles erledigt.«
»Du wirst das Krankenhaus bezahlen müssen. Ich habe nicht so viel Geld.«
Er fluchte wild vor sich hin.
»Bis jetzt habe ich für dich nur immer bezahlt, bezahlt und nochmals bezahlt. Du wirst mir alles zurückerstatten, das schwöre ich dir.«
15
Uber vierzehn Tage blieb sie in der Klinik. Und diese Zeit war die schönste für sie, seitdem sie von zu Hause fortgelaufen war, obwohl sie viele Schmerzen erdulden musste. Aber sie war glücklich. Hier waren nette Menschen, hier hatte sie ihren Sohn ganz für sich. Man wunderte sich darüber, dass sie nie Besuch bekam. Nur einmal tauchte Lie-San auf.
»Du wirst nicht mehr in der Küche arbeiten müssen. Ich gehe in die Nachtbar. Aber das habe ich für dich durchgedrückt, Elvira.«
Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»O Lie-San, du bist so gut zu mir. Einmal war ich so böse und habe dir nicht geglaubt, und du bist nur gut zu mir.«
»Jemand muss ein wenig Licht in dein Leben bringen«, sagte er ruhig. »Ohne Licht ein Mensch nicht leben, verkümmert.«
»Ich habe Angst vor der Zukunft. Und wenn ich jetzt nach Hause komme, dann bist du auch nicht mehr da, Lie-San. Ich werde sehr einsam sein.«
»Wenn es meine Zeit erlaubt, werde ich euch besuchen kommen und nachschauen, was der Kleine macht.«
Als er fort war, packte sie sein Geschenk aus. Es war eine kleine blaue Rassel für Patrick. Darüber musste sie so schrecklich weinen, dass die Schwestern sie kaum beruhigen konnten.
Aber dann war die schöne Zeit vorbei, und sie musste das Krankenhaus verlassen. Leer und traurig wirkte das Hinterzimmer, als sie mit Patrick einzog.
Zu später Stunde tauchte Albert auf,