Tanz mit Schlangen. Ulrich Wißmann
mir helfen.“
„Wieso ich?“
„Frank, ich habe überhaupt keine Ahnung von den Hopi und wenn es dort irgendwelche Verflechtungen gibt, ist vielleicht auf die örtliche Polizei auch kein Verlass. Ich weiß, dass Sie sich auch mit der Kultur anderer Indianerstämme gut auskennen. Wenn Sie mit mir dort hinkämen, hätte ich einfach ein besseres Gefühl!“
„Wie ist der Mann gestorben?“, fragte Begay.
„Das ist ziemlich seltsam! Er ist bei einem Ritual umgekommen, dem Schlangentanz. Er ist offensichtlich von einer Klapperschlange gebissen worden.“
Begay erschrak. „Was?“, fragte er ungläubig. Er kannte den Schlangentanz der Hopi, der im Zyklus der Rituale dieses Volkes eine wichtige Rolle spielte.
Der Schlangentanz war eine der spektakulärsten Zeremonien des Volkes und lockte auch immer wieder Schaulustige an. Begay selbst hatte einmal ein solches Ritual miterleben dürfen und erinnerte sich bewundernd an die Tänzer, die mit den bloßen Zähnen Giftschlangen aufgenommen hatten und mit ihnen im Mund getanzt hatten.
„Meines Wissens wird so gut wie nie ein Tänzer bei dieser Zeremonie gebissen“, meinte Begay nachdenklich. „Und wenn, dann haben die Hopi doch ein Gegenmittel bereit.“ Begay wusste, dass Schlangenbisse nicht so gefährlich waren, wie heute besonders von den Weißen immer angenommen wurde. Wenn man schnell ein Gegenmittel bekam, bestand in den meisten Fällen keine Todesgefahr.
„Und selbst wenn ein Tänzer durch einen Biss getötet wurde, ist das dann ja ein Unfall“, fügte er hinzu.
„Ich weiß nicht“, antwortete Caldwalder stockend. „Es gibt dort wohl Leute, die meinen, dass er nicht an dem Schlangenbiss gestorben ist. Jedenfalls muss ich mir die Sache vor Ort ansehen. Wie ist es, Frank, wollen Sie mich begleiten?“
Begay sah auf den Stapel Akten vor ihm und seufzte.
„Ja“, sagte er. „Dann müssen Sie aber mit meinem Vorgesetzten reden.“
„Mit Captain Blackhat habe ich schon geredet“, meinte Caldwalder fröhlich. „Der stellt Sie frei!“
IV
Als Begay auf dem Parkplatz der Stammesverwaltung in Kykotsmovi eintraf, erwartete Agent Caldwalder ihn schon. Er hatte sich nicht verändert, seit Begay ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wie der Indianer war er jetzt Mitte fünfzig und sah dafür gut durchtrainiert und frisch aus, wie Begay feststellte. Dass das auch für ihn galt, sagte der Weiße ihm zur Begrüßung. Caldwalder hatte kurzes, blondes Haar, das mit Grau durchsetzt war, blaue Augen in einem sonnengebräunten Gesicht und ein ständiges Lächeln auf den Lippen. Er war etwas größer als der mittelgroße Begay. Wie Caldwalder trug der Navaho Hemd und Jeans, dazu Cowboystiefel. Aber sein mit Silberconchos besetzter Gürtel und ein Armreif, in den feine Stücke von verschiedenfarbigem Türkis einlassen waren, sowie sein kräftiger, untersetzter Körperbau und das halblange schwarze Haar, in das sich ebenfalls graue Strähnen mischten, wiesen ihn als Angehörigen seines Volkes aus. Die Haut seines Gesichts und seiner Hände zeigten, dass er viel Zeit im Freien verbrachte. Der stets aufmerksame Blick seiner tief dunklen Augen zeugte von einem wachen Geist. Begay war ein typischer Dineh, der fest in der Tradition seines Volkes verankert war und doch auch in einer modernen Welt bestehen konnte.
Begay und Caldwalder waren sich, obwohl sie einen denkbar verschiedenen persönlichen Hintergrund hatten, von Anfang an sympathisch gewesen, und diese Sympathie trug auch jetzt ihr Wiedersehen.
Sie begrüßten sich herzlich. Begay bat Caldwalder, zu ihm in sein Auto zu steigen. Er war mit seinem privaten Pick-up unterwegs, da es ein Affront gewesen wäre, mit einem Gefährt der Navaho-Stammespolizei zu einem traditionellen Hopi-Dorf zu fahren. Begay ging davon aus, dass der Wagen des Weißen den Weg zu dem Dorf Hotevilla nicht geschafft hätte.
Die Tafelberge ragten aus dem Flachland auf wie Festungen von Riesen aus einer mythischen Vergangenheit. Dort standen die Pueblos der Hopi seit hunderten von Jahren und die Menschen fristeten ein karges und einfaches Leben im Einklang mit ihrer Umgebung. Begay bewunderte die Hopi. Auch in seinem Volk hielt ein Großteil der Menschen an den Traditionen fest, aber die Kultur der Navaho war viel opportunistischer als die der Hopi. Die Dineh waren als nomadisierende Jäger aus dem Norden eingewandert, hatten dann von ihren sesshaften Nachbarn den Feldbau und später ebenfalls von diesen und auch den Spaniern die Zucht von Schafen, Ziegen, Pferden und wiederum später von den Amerikanern auch die Haltung von Rindern übernommen. Die Kultur der Navaho definierte sich als eine Kultur des Wandels, so wie es Changing Woman die ersten Dineh vor Urzeiten gelehrt hatte. Die traditionellen Hopi aber hielten an ihrer althergebrachten Lebensform fest und verteidigten sie gegen den Einfluss der Weißen. Zurückgezogen auf ihren weltabgewandten Burgen waren sie wie Ritter, die dem Ansturm der Moderne widerstanden.
Zunächst konnten sie noch einige Meilen auf der asphaltierten Bundesstraße 264 fahren, an der der neuere Ortsteil der Gemeinde Hotevilla-Bacavi lag. Kurz darauf rumpelte Begays alter Pick-up dann langsam und eine Staubfahne weit hinter sich herziehend die Staubpiste zu dem alten Dorf Hotevilla entlang. Geduldig umschiffte er dabei Löcher und große Steine, die auf dem Weg lagen.
Caldwalder hatte schon an der Grenze der Reservation Schilder bemerkt, die die Besucher aufforderten, das traditionelle Dorfleben nicht zu stören, nicht zu fotografieren, sowie Begräbnisstätten und andere heilige Plätze nicht zu betreten. Hier stand ein Schild, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ:
Warnung | Warnung |
Keine weißen Besucher erlaubt.
Auf Grund Ihrer Unfähigkeit, die Gesetze unseres Stammes zu befolgen wie auch der Unfähigkeit Ihre eigenen Gesetze zu befolgen, ist dieses Dorf hiermit geschlossen.
Kurz vor dem Ortseingang stellte Begay seinen Wagen auf einem Platz ab, an dem zwei weitere rostige und offensichtlich altgediente Pick-ups standen. Zu Fuß gingen sie weiter den staubigen Weg zwischen den eng gedrängt stehenden Adobe-Häuser der Hopi. Die Gassen des Dorfes waren wie ausgestorben und auch auf dem zentralen Platz des Ortes begegneten sie nur einer älteren Frau mit buntem Kleid und Kopftuch, die sie argwöhnisch ansah. Es war später Vormittag und die Bewohner schienen entweder auf ihren Feldern zu arbeiten oder sich zu Hause aufzuhalten. Nur ein paar Hunde beäugten sie misstrauisch und verfolgten sie ständig witternd in gebührendem Abstand.
Caldwalder hatte eine Verabredung mit dem Hopi-Stammespolizisten Charles Quochytewa, der in Hotevilla lebte. Glücklicherweise kannte Begay das Haus des Polizisten von früheren Besuchen und führte seinen Kollegen dorthin. In den engen Gassen, die von der Plaza in der Mitte des Dorfes abgingen, gab es weder Straßennamen noch Nummern an den Häusern. Als sie das Haus von Quochytewa erreichten und sich fragten, wie sie sich bemerkbar machen sollten, trat der schon aus der Tür.
„Mister Quochytewa?“, fragte Caldwalder.
„Ja“, antwortete der Angesprochene. „Sie sind Agent Caldwalder?“
„Genau, wir haben telefoniert. Das ist Officer Frank Begay von der Navaho-Stammespolizei, der mir seine Hilfe angeboten hat.“
„Wir kennen uns“, antwortete Quochytewa und die Männer schüttelten sich die Hände.
„Kommen Sie bitte herein“, lud der Hopi sie ein. „Sie können mich ruhig Charly nennen“, fügte er an Caldwalder gewandt hinzu. „Das tun alle. Und ich weiß, wie schwer es für Weiße ist, sich die Hopi-Namen zu merken.“
Der Agent quittierte das Angebot mit einem dankbaren Lächeln. „Sie können mich Jack nennen!“
Sie traten in den halbdunklen Innenraum des Hauses, der offenbar als Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer für Charlys Familie diente. Zwischen mehreren an der Wand aufgereihten Betten stand ein großer Tisch mit einigen Stühlen darum. Neben einem Schrank, in dem Küchenutensilien und anderes Geschirr zu sehen war, gab es einen offenen Schrank, in dem verschiedenes Kinderspielzeug, aber auch die Kachina-Puppen der Hopi lagerten. In einer Feuerstelle an der Rückwand des Hauses brannte ein kleines Feuer und auf einem gusseisernen