Tanz mit Schlangen. Ulrich Wißmann

Tanz mit Schlangen - Ulrich Wißmann


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perfekte Mord“, murmelte Caldwalder.

       VI

      Der Hopi führte sie durch die engen Gassen des Hopi-Dorfes. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, lag ein Großteil der von Generationen festgetrampelten Wege im Schatten der teilweise mehrstöckigen Bauten. Nachdem sie eine Weile gegangen waren, fand sich nach und nach eine Schar Kinder ein, die sie neugierig durch das Labyrinth der aus Adobe-Lehm gefertigten Häuser verfolgte. Einige junge Mädchen, die die traditionelle schwarzweiße Tracht der Hopi-Frauen und die charakteristischen an der Seite des Kopfes zu Schnecken geformten Zöpfe trugen, die zeigten, dass sie unverheiratet waren, beobachteten sie erstaunt vom Dach eines Hauses herab. Am anderen Ende des Pueblos ging der Weg abschüssig auf einige tiefer liegende Gebäude zu, so dass sie auf den Dächern roten, gelben, blauen und weißen Mais und Kolben mit verschiedenfarbigen Körnern liegen sehen konnten, die dort wohl zum Trocknen ausgelegt worden waren. Daneben standen Krüge und Körbe, in denen vielleicht andere Nahrungsmittel getrocknet oder gelagert wurden.

      Sie hielten vor einem gedrungenen Gebäude aus Lehmziegeln, von dessen Dach eine hölzerne Leiter auf das Dach des darauf gebauten Gebäudes führte. Charly hatte seinen Kollegen erklärt, dass man in einem Hopi-Dorf möglichst nicht an die Tür klopfte, wenn man jemanden besuchen wollte, sondern einfach vor dem Haus wartete, bis man bemerkt wurde. Begay kannte das von seinem Volk: Wenn man zum Hogan oder dem Haus von Dineh kam, blieb man auch draußen, bis jemand herauskam. Allenfalls hupte man, um sein Kommen anzukündigen. Tatsächlich öffnete einen kurzen Moment, nachdem sie eingetroffen waren, schon eine kleine, alte Frau, deren braunes Gesicht von unzähligen Runzeln übersät war, die Tür.

      Charly stellte der alten Frau, der gegenüber er sich sehr respektvoll verhielt, zunächst die beiden Polizisten vor und erklärte diesen dann, dass dies Wilma Tasajeswa, die Frau des verstorbenen Albert Tasajeswa, sei. Die alte Dame begrüßte sie freundlich, auch wenn Begay meinte, dass sie den Argwohn gegen die beiden Männer aus einer ihr gänzlich fremden Welt nicht ganz verbergen konnte, und bat sie herein.

      Misses Tasajeswa ging ihnen voran in das Halbdunkel der Wohnung und führte sie zu einem roh behauenen Holztisch und ebenso einfachen Stühlen, auf die sie sich setzten. Caldwalder registrierte zu seinem Erstaunen, dass es trotz der Gluthitze draußen hier drinnen angenehm kühl war, sodass in einem Kamin an der Rückwand des Raumes sogar ein kleines Feuer loderte.

      „Sind Ihre Kinder auch da?“, fragte Charly, der Begay und Caldwalder unterwegs schon erzählt hatte, dass zwei erwachsene Söhne und eine Tochter der Tasajeswas in den umliegenden Häusern mit ihren Familien lebten.

      „Nein“, antwortete Misses Tasajeswa. „Emma ist zum Einkaufen in die Stadt gefahren. Und die Jungen sind auf dem Feld.“ Sie sah Begay an. Nach einer kurzen Pause sagte sie: „Entschuldigen Sie, wenn ich etwas nachdenken muss, bevor ich antworte. Ich spreche nicht oft englisch.“

      „Sie leben von der Landwirtschaft?“, fragte Caldwalder, der darauf einen etwas befremdeten Blick der alten Dame erntete.

      „Ja“, antwortete sie nur. Wahrscheinlich war es für sie nicht vorstellbar, dass ein echter Hopi-Indianer von irgend etwas anderem leben könnte.

      „Es tut uns sehr leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben, Misses Tasajeswa“, versuchte Begay das Gespräch jetzt in die richtige Richtung zu lenken.

      Die alte Dame nickte nur und warf Begay einen dankbaren Blick zu.

      „Officer Quochytewa sagte uns, dass Sie sofort den Verdacht gehabt hätten, dass es sich bei seinem Tod um etwas anderes als einen Unfall handeln könnte“, sprach Begay weiter. „Können Sie uns erklären, warum?“

      Misses Tasajeswa sah eine Weile schweigend auf den Tisch vor sich und sagte dann: „Albert hat immer viel Ärger gehabt. Er war ein guter Mann, müssen Sie wissen.“

      Sie sah Begay und Caldwalder an und fuhr fort: „Aber er war ein echter Hopi und hat sich zeit seines Lebens dafür eingesetzt, unsere Kultur zu erhalten und gegen fremde Einflüsse zu verteidigen.“

      „Mit wem hat er denn Ärger gehabt?“, fragte Caldwalder.

      „Am meisten mit den Leuten von Peabody Coal“, antwortete Misses Tasajeswa. „Er hat sein ganzes Leben gegen die Zerstörung der Black Mesa und die Entweihung unseres Bodens gekämpft.“

      Begay runzelte die Stirn. „Meinen Sie, er hat sich damit persönliche Feinde gemacht?“

      „Ja, ich glaube schon. Er hat ja immer wieder Petitionen geschrieben und Klagen vor Gericht eingebracht in der Hoffnung, den Kohlebergbau auf unserem Berg stoppen zu können.“

      „Da ist er sicher einigen Leuten auf die Füße getreten“, meinte Caldwalder.

      „Hat er denn einmal eine Auseinandersetzung mit Angehörigen der Firma gehabt?“, fragte Begay nach.

      „Ja! Oft. Zweimal haben sie ihn regelrecht verprügelt, als er mit anderen versucht hat, die Zufahrtswege zur Mine zu blockieren. Einmal musste er sogar ins Krankenhaus. Da hatten sie ihm das Schlüsselbein und mehrere Rippen gebrochen.“

      Misses Tasajeswa schüttelte milde lächelnd den Kopf. Sie sah die Polizisten an und fügte hinzu: „Da war er aber noch jünger. Heute hätte er sich auf so etwas nicht mehr einlassen können.“

      „Wissen Sie, ob er mit bestimmten Personen bei Peabody Coal Ärger gehabt hat?“ Caldwalder machte sich einige Notizen.

      „Ja, damals, als sie ihn so schwer verletzt haben, war es ein Vorarbeiter von Peabody, der den Befehl gegeben hatte, die Demonstranten zu verprügeln.“

      „Wissen Sie, wie der Mann hieß?“

      „Ja, ein Mister Rivers war das. Mein Mann hatte ihn auch angezeigt, aber dieser Rivers wurde natürlich freigesprochen.“ Sie grinste die Männer scheinbar fröhlich an und nickte, offensichtlich in ihren eigenen Gedanken gefangen.

      „Auch das andere Mal, als er auf einer Demonstration gegen die Kohlemine verprügelt wurde, war dieser Mister Rivers dabei!“ Sie machte eine Pause und dachte offensichtlich nach, dann fuhr sie fort: „Das ist vor etwa zehn Jahren gewesen! Rivers kannte meinen Mann und hatte ihn auf dem Kieker“, fügte sie hinzu.

      „Also dieser Mister Rivers scheint ja wirklich nicht gerade ein Freund von Mister Tasajeswa gewesen zu sein! Aber dass ein weißer Angestellter der Kohlemine sich Zutritt zu der Schlangenkiva verschafft, ist doch schwer vorstellbar, oder?“, fragte Caldwalder an Charly gewandt.

      „Nein! Da kommt niemand herein, der nicht zu der Kiva gehört! Und auch der Schlangentanz sollte für Touristen und Weiße nicht zugänglich sein!“

      „Das heißt, der Mörder muss doch hier aus dem Dorf sein und wahrscheinlich sogar zur Schlangenkiva gehören“, gab Caldwalder zu bedenken.

      „Ja, das stimmt“, sagte Charly. „Jemand anderes wäre nicht an die Schlange herangekommen!“

      Misses Tasajeswa sah verständnislos von einem zum anderen.

      „Wir haben festgestellt, dass die Schlange präpariert worden war, so dass sie bei einer Berührung zubeißen würde“, erklärte Charly an die alte Frau gewandt.

      Misses Tasajeswa schlug sich mit der Hand vor den Mund, um einen leisen Ausruf des Entsetzens zu unterdrücken.

      „Nun kann es ja sein, dass jemand von außerhalb einem Mitglied der Schlangenkiva den Auftrag für die Tat gegeben hat“, gab Begay zu bedenken.

      „Ja, auch die Hopi sind nicht mehr vor den Verlockungen des Geldes gefeit“, fügte Charly bitter hinzu.

      „Mister Quochytewa hat uns erzählt, dass es auch Streitigkeiten innerhalb der Schlangenkiva gab“, nahm Begay die Befragung wieder auf.

      „Ja, sie waren sich nicht mehr immer einig, wie die Rituale auszuführen seien.“

      „Ihr Mann war für die strenge Einhaltung der Traditionen?“, fragte Caldwalder.

      „Ja, er


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