Tanz mit Schlangen. Ulrich Wißmann

Tanz mit Schlangen - Ulrich Wißmann


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      „Ja, der oder die Mörder konnten davon ausgehen, dass niemand etwas anderes als einen Unfall dahinter vermuten würde“, meinte Begay.

      „Nur gut, dass Sie bei dem Tanz anwesend waren!“ Caldwalder seufzte theatralisch.

      Der Polizist schien etwas verlegen über dieses Lob.

      „Wenn Sie keinen Verdacht geschöpft und die Schlange in Verwahrung genommen hätten, gäbe es jetzt überhaupt keinen Anhaltspunkt für ein Verbrechen!“ Caldwalder lächelte dem Stammespolizisten freundlich zu.

      „Na ja“, meinte Charly, „ich hatte, ehrlich gesagt, überhaupt keinen Verdacht.“ Er sah etwas betreten aus. „Aber die Familie von Tasajeswa bat mich um Hilfe.“

      „Wann war das?“, fragte Begay.

      „Gleich bei dem Tanz“, antwortete der Hopi. „Ich selbst wäre gar nicht darauf gekommen, dass es sich um etwas anderes als einen bedauerlichen Unfall handeln könnte.“

      „Aber der Familie des Toten kam es gleich seltsam vor?“, fragte Caldwalder.

      „Ja, sie hatten sofort den Verdacht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Nur deshalb habe ich die Schlange sichergestellt.“

      „Und warum hatte die Familie diesen Verdacht?“

      „Nun, Tasajeswa war nicht bei allen beliebt. Er war sich nicht immer einig mit seinen Mitmenschen.“

      „Er hatte also Feinde“, stellte Caldwalder fest.

      „Ich weiß nicht, ob ‚Feinde’ nicht übertrieben wäre“, antwortete Charly nachdenklich. „Auf jeden Fall hatte er einige Unstimmigkeiten mit anderen Menschen.“

      „Mit wem hatte er Streit?“, bohrte Begay nach. Er hatte das Gefühl, dass Charly Schwierigkeiten hatte, dieses Thema beim Namen zu nennen.

      „Es gab wohl auch Unstimmigkeiten in seiner Kiva“, sagte Charly betont vorsichtig.

      „Ist das ein Geheimbund, dem er angehörte?“, forschte der Agent.

      „Eine Kiva ist die Zeremonialgemeinschaft, der die Hopi eines bestimmten Klans angehören. In Tasajeswas Fall, der zum Schlangenklan gehörte, war das die Schlangenkiva“, mischte Begay sich erklärend ein.

      „Was machen die so?“, fragte Caldwalder.

      Charly ignorierte die flapsige Bemerkung. „Sie sorgen dafür, dass die Rituale, deren Ausführung dem Schlangenklan auferlegt wurde, ordnungsgemäß durchgeführt werden, und wachen über die heiligen Gegenstände des Schlangenklans.“

      „Kivas heißen doch auch die unterirdischen Zeremonialräume, in denen sich diese Gesellschaften treffen, oder?“ Caldwalder zeigte nun doch, dass er eine rudimentäre Ahnung hatte.

      „Ja“, antwortete jetzt Charly.

      „Und dort hat wirklich niemand Zutritt, der nicht zu der Schlangenkiva gehört. Insofern haben Sie recht, dass man das auch einen Geheimbund nennen könnte“, sagte Begay.

      „Aha“, machte Caldwalder.

      „Und wissen Sie, was das für Unstimmigkeiten innerhalb der Schlangenkiva waren?“, fragte Begay.

      „Nicht wirklich“, antwortete der Hopi. „Ich selbst gehöre dem Antilopenklan an und habe deshalb keinen Einblick. Außerdem ist das ja wirklich geheim. Auch Angehörige des Schlangenklans, die nicht an den Treffen in der Schlangenkiva teilnehmen, wissen davon nichts.

      „Aber Sie haben eine Vermutung“, meinte Begay.

      Charly nickte. „Tasajeswa war einer der ganz traditionellen Hopi. Er wollte keinerlei Veränderungen oder Modernisierungen.“

      „Der alte Zwiespalt …“, warf Begay ein.

      „Insofern kann ich mir vorstellen, dass er mit Angehörigen des Schlangenklans, die die Traditionen nicht mehr ganz so ernst genommen haben oder Vorschriften lockern wollten, Auseinandersetzungen hatte.“

      „Mit dieser Einstellung ist er doch sicher mit vielen der sogenannten „Modernen“ aneinandergeraten, oder?“, fragte Begay.

      „Ja, da haben Sie recht! Immer wenn es um den Aufbau von neuen Unternehmungen, um die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Industrieansiedlung oder im Tourismus ging, war Tasajeswa einer der Wortführer dagegen. Er gehörte zu denjenigen, die keinerlei Veränderung im traditionellen Lebensstil der Hopi zulassen wollten.“

      „Denken Sie da an einen besonderen Fall?“, fragte Caldwalder.

      „Ja, Tasajeswa war einer der Anführer im Kampf gegen die Kohleförderung auf der Black Mesa.“

      „Davon habe ich Ihnen schon einmal erzählt“, erläuterte Begay zu Caldwalder gewandt. „Auf der Black Mesa wurde lange Zeit von der Peabody Coal Company in riesigen Mengen Kohle abgebaut.“

      „Ja, ich erinnere mich“, meinte Caldwalder.

      „Und da die Kohle zerkleinert und mit Wasser vom Berg herunter und in ein weit entfernt liegendes Kraftwerk transportiert wurde, wurden damit auch unendliche Mengen Wasser verbraucht.“

      „Was in dieser trockenen Gegend ja auch wirklich eine zweifelhafte Idee ist“, ergänzte Caldwalder.

      „Genau“, meinte Begay. „Diese Praxis hat dann auch zum Absinken des Grundwasserspiegels geführt und bedeutete natürlich eine Gefahr für die Landwirtschaft der Hopi.“

      Charly nickte: „Die Politiker im Stammesrat der Hopi damals waren offenbar geschmiert, dass sie gegen den Willen eines Großteils der Bevölkerung die Kohleförderung zugelassen haben.“

      „Das Gebiet der Black Mesa wurde von der Bundesregierung zur National Sacrifice Area erklärt, was bedeutet, dass der Landstrich und die Interessen seiner Bewohner den Interessen der gesamten Nation auf Ausbeutung dieser Bodenschätze untergeordnet wurde und das Gebiet also geopfert wurde“, erklärte Begay Caldwalder.

      „Nach jahrelangen Protesten der Hopi und auch vieler Navaho haben dann die Stammesräte die Lizenz für Peabody Coal zum 31. Dezember 2005 nicht mehr verlängert“, nahm Charly den Faden wieder auf. „Zunächst wurde noch weiter gefördert, bis ein Gerichtsbeschluss 2010 jede weitere Kohleförderung untersagte.“

      „Es gibt aber noch eine Mine bei Page auf der Navaho-Reservation. Außerdem gibt es Bestrebungen, die Black Mesa Mine wieder zu öffnen“, ergänzte Begay.

      „Dagegen haben Tasajeswa und viele andere gekämpft. Es gab aber immer auch Befürworter der Kohleförderung, da viele Hopi und Navaho dort eine Anstellung hatten.“

      „Und was hatte Tasajeswa damals dagegen gemacht?“, fragte Caldwalder.

      „Er war einer derjenigen, die den Stammesrat immer wieder öffentlich aufgefordert haben, der Peabody Coal Company die Lizenz zu entziehen oder sie wenigstens nicht zu verlängern. Er und seine Mitstreiter haben sich mit der Bitte um Hilfe an die UNO und an Menschenrechtsorganisationen gewandt.“

      „Hat er auch Streit mit den Leuten von Peabody oder den Befürwortern im Stammesrat gehabt?“, fragte Caldwalder.

      „Naja, wir Hopi sind ein sehr friedliebendes Volk. Aber Tasajeswa und die Gegner der Kohleförderung haben auch Besetzungen und Blockaden auf dem Firmengelände organisiert und Demonstrationen veranstaltet.“

      „Ging denn der Verdacht der Familie Tasajeswa in diese Richtung?“, fragte Begay.

      „Das weiß ich nicht“, antwortete Charly.

      „Können wir sie befragen?“

      „Ja, ich denke, dass dort jetzt jemand zu Hause sein wird.“

      „Wenn die Familie keinen Verdacht geäußert hätte, hätte es dann überhaupt eine Untersuchung gegeben?“, fragte Caldwalder.

      „Nein“, meinte Charly entschuldigend. „Im Fall von Kapitalverbrechen müssen wir, wie Sie vielleicht


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