Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis. Alfred Bekker

Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis - Alfred Bekker


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mit dem er seine Fälle besprechen konnte. Das hatte den großen Vorteil, dass seinen Ansichten niemals widersprochen wurde.

      Er war schon seit längerer Zeit geschieden, und für das Großziehen von Kindern war irgendwie nie Zeit gewesen. Manchmal fragte er sich, ob diese Tatsache zum Ende seiner Ehe beigetragen hatte. Mit seiner Frau hatte er nie so richtig darüber geredet. Nun, jetzt war es zu spät.

      Tjade war seit kurzer Zeit pensioniert, und auch wenn er sich das noch nicht eingestehen wollte – es machte ihm jetzt schon sehr zu schaffen

      Er fühlte sich noch absolut im Vollbesitz seiner Kräfte, vor allem der geistigen. Und wenn er an seinen Nachfolger dachte, der einst sein Untergebener war, kam ihm die Galle hoch. Kriminalhauptkommissar Uwe Dröver hatte seiner Ansicht nach keine Ahnung von echter Ermittlungsarbeit. Daher fühlte Tjade sich immer noch verpflichtet, in seiner alten Dienststelle nach dem Rechten zu sehen.

      Seufzend stemmte er sich aus seinem bequemen Sessel hoch, nahm die Hundeleine von einem Haken und befestigte sie an Harms Halsband. Der Hund wedelte heftig mit dem Schwanz und konnte es kaum erwarten, dass die Tür endlich aufging.

      Es war angenehm warm. Nur ein laues Lüftchen wehte. Hier in Ostfriesland war man an heftigere Winde gewöhnt.

      Tjade schnupperte. Die Luft war frisch und roch gut. Harm zerrte an seiner Leine. Sein Herrchen folgte ihm zum Gartentor.

      Die Nachbarin von Gegenüber sah ihn kommen. Frau Schrader lebte allein wie er selbst in einem alten Haus mit einem kleinen Garten. Sie wusste immer alles, was in der Nachbarschaft geschah, und hatte nichts Eiligeres zu tun, als jede Einzelheit und jedes Gerücht haarklein weiter zu erzählen, ob man zuhören wollte oder nicht.

      Winkels wusste inzwischen, dass man ihr nur etwas unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit anvertrauen musste, wenn man sichergehen wollte, dass die entsprechende Information sich in Windeseile in der Nachbarschaft verbreitete.

      Sie winkte ihm zu, und Winkels wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als der alten Klatschtante eine Zeitlang zuzuhören.

      Harm hatte inzwischen seinen bevorzugten Baum benutzt und folgte Tjade eifrig auf die andere Straßenseite. Im Gegensatz zu seinem Herrchen schätzte er Frau Schrader sehr, da sie ihm hin und wieder Leckerbissen zusteckte.

      „Moin“, sagte Frau Schrader.

      „Moin“, gab Winkels zurück.

      „Haben Sie schon gehört?“, rief sie ihm zu, als er noch ein paar Meter entfernt war.

      „Was gehört?“

      „Na, vom alten Papendieck?“

      „Kenne ich nicht.“

      Frau Schrader war in ihrem Element. Ihre Augen glänzten, und sie unterstrich ihre Ausführungen mit heftigen Handbewegungen.

      „Er wohnt nur eine Querstraße weiter. Sie müssen ihn doch kennen! Er kauft im gleichen Supermarkt ein wie wir. Da müssen Sie ihn doch schon gesehen haben!“

      „Schon möglich, aber deshalb kenne ich seinen Namen noch lange nicht. Was ist denn mit ihm passiert?“

      Frau Schrader konnte nicht mehr an sich halten.

      „Na, er ist tot. Das ist passiert!“

      „Wie alt war er denn?“

      „Das ist es ja. Er ist nicht normal gestorben. Er ist von der Leiter gefallen. Keiner hat es gesehen. Er soll sich alle Knochen gebrochen haben. Blutüberströmt hat er da gelegen. Ist gerade eben geschehen.“

      „Woher wissen Sie das?“ fragte Winkels mit gespieltem Interesse.

      „Käthe Boll, meine Schulfreundin, sie wohnt nur drei Häuser weiter von Papendieck entfernt, die müssen Sie doch kennen, sie ist manchmal bei mir zu Besuch, und dann reden wir über die alten Zeiten, doch als ich sie vorhin auf der Straße traf, hat sie mir erzählt, dass sie mitgekriegt hat, wie die Polizei…“

      „Was genau hat sie Ihnen erzählt?“, unterbrach Winkels ihren Redestrom, denn beim Stichwort Polizei war sein Interesse schlagartig geweckt worden.

      Frau Schrader sah ihn irritiert an.

      „Die Polizei ist jetzt dort.“

      Tjade Winkels drückte ihr die Hundeleine in die Hand. „Passen Sie bitte eine Zeitlang auf den Hund auf. Ich hole ihn später wieder ab. Ich sehe mir das mal an.“

      Harm sprang sofort an Frau Schrader hoch. Sein Interesse galt jetzt einzig und allein den zu erwartenden Leckereien.

      *

      Er sah das Blaulicht schon von weitem. In der normalerweise stillen Wohnstraße standen gleiche mehrere Fahrzeuge hintereinander, die sonst nicht hierher gehörten.

      Tjade Winkels sah einen Streifenwagen, das Fahrzeug des Notarztes und zwei weitere Autos, die halb auf dem Bürgersteig standen. In einem davon hatte er früher selbst gesessen, jetzt fuhr vermutlich sein Nachfolger damit spazieren.

      Kriminalhauptkommissar Uwe Dröver blickte sich gerade um, als sein Vorgänger an der Gartenpforte auftauchte. Er verdrehte kurz die Augen, verwehrte Winkels aber nicht den Zutritt auf das Grundstück.

      Sie begrüßten sich stumm mit einem freundlichen Nicken. Soviel musste sein!

      Der Rest der versammelten Truppe hörte von Winkels nur das landesübliche „Moin“, das zu jeder Tageszeit Verwendung fand.

      Mit einem raschen Blick überflog er die Situation. Vor der Hauswand lag in seltsam verkrümmter Haltung ein alter Mann, neben ihm eine umgestürzte Leiter, sowie eine kleine Schaufel und ein Eimer voller Unrat.

      „Er wollte wohl die Dachrinne reinigen und ist abgestürzt“, erklärte Dröver.

      Ein weiterer Mann trat neben Dröver. Er trug ein Klemmbrett in der Hand, auf dem er eifrig geschrieben hatte. Winkels erinnerte sich dunkel, ihn schon mal gesehen zu haben. Auf sein Gedächtnis war schließlich immer noch Verlass. Einer der Ärzte, mit denen er früher zu tun hatte – wenn auch nur in wenigen Fällen mit denen er zutun gehabt hatte.

      „Das nehme ich auch an“, ergänzte der Arzt Drövers Aussage. „Dabei hat er sich den Unterarm gebrochen und hatte vor Schreck wahrscheinlich einen Herzstillstand. Das wäre in seinem Alter ja nicht wirklich verwunderlich.“

      „Darf ich mich umsehen?“, fragte Winkels.

      „Tu dir keinen Zwang an, Tjade. Ich weiß ja, wie sehr dich Todesfälle interessieren, auch wenn es wie hier nur ein ganz normaler Unfall ist.“

      Dröver wandte sich wieder an den Arzt, während Winkels ganz vorsichtig an dem Toten vorbei und weiter die Stelle inspizierte, an der die Leiter ursprünglich gestanden hatte. Die Abdrücke der Holme waren im Boden gut zu erkennen, der vom letzten Regen noch leicht feucht war. Er ließ sich auf ein Knie sinken und strich mit der Hand über die Erde. Dabei murmelte er etwas, das keiner der Umstehenden verstand.

      Anschließend hob er die Leiter an und studierte den unteren Teil des rechten Holms sehr gründlich, ehe er ihn wieder zu Boden sinken ließ.

      Dröver hatte ihm währenddessen mit nachsichtigem Blick zugesehen.

      Winkels stemmte sich ächzend hoch und klopfte sich die Erde von der Hose. Es war nur seine alte Cordhose, die er gern zu Hause trug.

      „Kein Unfall“, stellte er fest.

      Er runzelte die Stirn und sah seinem früheren Stellvertreter in die Augen.

      „Das war eindeutig Mord.“

      Alle starrten ihn an, als hätte er etwas Unanständiges gesagt. Dröver brauchte eine Weile, ehe er reagierte. In seinen Augen lag ein spöttischer Ausdruck.

      „Wie kommst du denn darauf?“

      „Ich zeige es dir.“

      Dröver trat neben


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