Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis. Alfred Bekker

Ermordet zwischen Sylt und Ostfriesland: 6 Küstenkrimis - Alfred Bekker


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zu erkennen, weil sie ein ganzes Stück in den Boden reichen. Damit hätte die Leiter nicht umfallen können. Neben jedem Loch siehst du eine Furche in der Breite der Leiterholme. Sie führt zur Seite und leicht schräg nach oben.“

      Drövers Gesicht war ein einziges Fragezeichen. „Na, und?“

      Winkels hob die Leiter erneut an und zeigte auf eine bestimmte Stelle.

      „Siehst du das hier?“

      Dröver runzelte die Stirn, bis er sich zu einer Antwort durchrang.

      „Das ähnelt einem Fußabdruck“, gab er schließlich zu.

      Winkels nickte. „Der stark geriffelte Abdruck einer Schuhsohle, die vorher im nassen Boden gestanden hat. Irgendjemand hat die Leiter mit einem kräftigen Tritt gegen den Holm umgestossen, so dass der… wie heißt der Tote noch mal?“

      „Papendieck“, antwortete Dröver automatisch. „Wilhelm Papendieck.“

      „…so dass Herr Papendieck den Halt verlor als die Leiter kippte und zu Boden stürzte.“

      Dröver sah verwirrt aus und stand stocksteif da.

      „Ihr solltet jetzt vielleicht eine Mordermittlung einleiten.“

      Der ehemalige Hauptkommissar lächelte fein.

      Der Arzt sah Winkels mit offenem Mund an., sagte aber nichts.

      Dann riss er das oberste Blatt von seinem Klemmbrett ab und ließ es unauffällig in der Tasche verschwinden.

      „Wir sollten die Rechtsmedizin verständigen“; sagte er mit leicht brüchig klingender Stimme.

      Dröver nickte und zog sein Handy aus der Tasche.

      Tjade Winkels grinste fröhlich in die Runde. Das würde jetzt dauern, denn das zuständige rechtsmedizinische Institut befand sich in Emden. Doch das war nicht mehr seine Angelegenheit.

      „Einen schönen Tag noch. Ich muss jetzt meinen Hund abholen.“

      Als er mit den Händen in den Taschen zur Gartenpforte ging, spürte er förmlich, wie sich Drövers Blicke in seinen Rücken bohrten.

      Fröhlich pfiff er vor sich hin.

      Er würde noch einen kleinen Umweg machen.

      Frau Schrader erwartete ihn schon. Als sie den ehemaligen Kriminalbeamten kommen sah, eilte sie bereits aus der Tür. Harm konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und zerrte an der Leine, so dass Frau Schrader beinahe stolperte.

      Der Hund roch schon von weitem, dass Winkels ihm eine Belohnung vom Schlachter mitgebracht hatte und sprang an seinen Beinen hoch.

      „Und?“, fragte Frau Schrader und platzte fast vor Neugier. „Was ist mit Papendieck? Was ist passiert?“

      „Sie hatten recht“, antwortete Winkels. „Er ist tot.“

      Er vermied es, genauere Ausführungen zu machen.

      Sie sah ihm sprachlos nach, wie er mit seinem Hund an der Leine die Straße überquerte, seine Haustür aufschloss und in seiner Wohnung verschwand.

      Harm war jetzt nicht mehr zu halten, und Winkels ließ das Stück Fleisch in den Fressnapf fallen. Der Leckerbissen war hinuntergeschlungen, noch bevor Winkels in seinem bequemen Sessel Platz genommen hatte.

      Er griff zur Fernsehzeitung und schlug das Programm für den heutigen Tag auf. Harm legte sich zu seinen Füßen auf den Boden und schien hochzufrieden nach seinem Festmahl.

      Winkels legte die Zeitschrift wieder beiseite. Er hatte schon befürchtet, dass ihm der tote Wilhelm Papendieck nicht aus dem Kopf ging. Die alten Ermittlerinstinkte waren wieder zum Leben erwacht, und er hätte sich zu gern an den weiteren Nachforschungen beteiligt. Natürlich war ihm bewusst, was sein Nachfolger davon hielt, wenn er sich einmischte. Nämlich nichts!

      Wenn er allerdings behutsam vorging…

      Es gab noch genügend Kollegen, die ihm mit der einen oder anderen Auskunft helfen würden. Da war er sicher. Er hatte bestimmt noch viele Freunde unter ihnen…

      Eine kleine Nachforschung konnte doch nicht schaden, wenn es im Interesse der Aufklärung eines Mordfalles war.

      Er sah nach unten. „Was hältst du von der Sache?“

      Harm legte seinen Kopf auf die Vorderpfoten und sah ihn treuherzig an. Vielleicht rechnete er damit, dass es noch ein weiteres Stück Fleisch gab?

      „Du stimmst mir doch zu, dass es sich nicht um einen schief gegangenen Einbruch handelte. Dröver hätte mir erzählt, wenn sie dafür Hinweise gefunden hätten. Ein Einbrecher hätte auch verschwinden können, solange Papendieck auf der Leiter stand. Nein, das war es nicht.“

      Harm gähnte. Winkels ließ sich nicht irritieren.

      „Dass jemand zufällig vorbeigekommen ist und aus Spaß die Leiter umgeworfen hat, können wir wohl auch ausschließen. So etwas passiert in Aurich nicht.“

      Harm hatte die Augen geschlossen und die Ohren nach vorn gedreht, als würde er weiter aufmerksam zuhören.

      „Ich denke viel mehr“, fuhr Winkels fort, „dass es sich um einen sehr persönlichen und geplanten Mord handelt, und dass der Mörder einen guten Grund für seine Tat hatte. Das war keine zufällige Tat!“

      Harm öffnete kurz die Augen und klopfte mit seinem Schwanz zweimal auf den Boden.

      „Das siehst du also genauso? Dann sind wir uns ja einig. Ich bin froh, einen so intelligenten Hund zu haben.“

      Harm rührte sich nicht.

      Tjade Winkels griff zur Fernbedienung.

      Er würde die Angelegenheit überschlafen, und am nächsten Morgen entscheiden, wie er weiter vorgehen wollte.

      Jetzt widmete er sich erst mal dem Wetterbericht.

      2.Kapitel

      Tjade Winkels war früh aufgestanden. Er konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen, dass er sich jetzt nicht mehr an seinen Arbeitsplatz begeben musste. Der Fischteichweg, an dem die Polizeiinspektion für Aurich und Wittmund lag, war von seiner Wohnung nur zehn bis fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt. Nur wenn es regnete, benutzte er sein Auto, an den übrigen Tagen genoss er den Spaziergang.

      Er machte eine unwillige Handbewegung vor dem Spiegel im Badezimmer. Er dachte immer noch, dass die Vergangenheit seine Gegenwart war. Er würde noch einige Zeit brauchen, bis er die neue Situation völlig akzeptiert hatte. Er hatte sein ganzes Leben dem Dienst an der Öffentlichkeit gewidmet und dafür gesorgt, dass die Bürger ruhig schlafen konnten.

      Wenn er ganz ehrlich mit sich selbst war, musste er zugeben, dass es allmählich Zeit wurde, der nächsten Generation den Platz frei zu machen.

      Prüfend fuhr er mit den Fingerspitzen über die glatt rasierten Wangen. Ein paar Schaumreste waren schnell weggewischt. Er hasste Elektrorasierer und benutzte seit seiner ersten Rasur ein Rasiermesser, wie er es von seinem Vater gelernt hatte.

      Ein paar Falten im Gesicht – das störte ihn nicht. Seine immer noch vollen dunkelblonden Haare standen etwas wirr vom Kopf ab. Er griff zu einem Kamm und beseitigte das Problem.

      Seine Augen schienen ihm unter den buschigen Brauen leicht eingefallen zu sein. Er hatte nicht besonders gut geschlafen, da er den Mord an Wilhelm Papendieck nicht aus seinen Gedanken bekam.

      Am Vorabend hatte er sich gesagt, dass ihn das nichts anging, aber heute Morgen war dieser Vorsatz wie weggeblasen. Dieser Dröver würde doch Spuren nicht entdecken, wenn sie direkt vor seiner Nase lägen.

      Er warf einen Blick zu Harm, der schwanzwedelnd hinter ihm saß und darauf wartete, endlich aus der


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