Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
er hat nur so schön gespielt. Also: Wie viel?«
»Ich schätze, um die vier Millionen.«
»Donnerwetter!«, sagte sie ehrlich beeindruckt.
»Das waren seine privaten Schulden. Ich möchte nicht wissen, wie viel seine Anlegerkunden verloren haben.«
»Um die zwanzig«, versetzte sie heiter. »Das weiß ich vom Staatsanwalt, der Wolfgang anklagen wollte. Wegen betrügerischen Konkurses, Betrug, Unterschlagung und noch so einer Sache, Verstoß gegen das Kreditgesetz oder so ähnlich.«
»Bist du deswegen abgehauen?«
»Nicht nur, lieber Gerd.« Sein Gesicht hellte sich auf, seine Hand bewegte sich schon wieder und sie drohte ihm mit dem Zeigefinger: »Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten. Nein, nicht nur deswegen. Ich hatte ihn satt, bis oben hin, und dann bin ich einem richtigen Mann begegnet.«
»Diesem Carlsson.«
»Ja, Martin. Du darfst mir glauben, wenn ich eine Anschrift von Wolfgang hätte, würde ich alles schriftlich erledigen.«
Daran hatte Arkenthin zu kauen, geistesabwesend bestellte er noch einen Whisky und spielte mit seinem Feuerzeug, während er sichtlich grübelte. Endlich murmelte er: »Der teure Wolfgang hatte eine Menge Leute angepumpt, bevor er das Weite suchte.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.«
»Und einige sind immer noch nicht bereit, ihr Geld abzuschreiben.«
»Auch das verstehe ich.«
»Deswegen glaube ich nicht, dass man ihn so leicht aufstöbern kann.«
»Denkbar«, stimmte sie so aufgekratzt zu, dass er sie misstrauisch von der Seite anschielte. »Aber versuchen möchte ich es, das verstehst du doch?«
»Vielleicht«, brummte er vor sich hin. Ach nein, das lief alles nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte, und am meisten amüsierte sie, dass man in seinem Gesicht lesen konnte wie in einem aufgeschlagenen Buch. Der gute Gerd hatte geglaubt, sie entweder ins Bett zerren zu können oder sein Geld zurückzubekommen, und wahrscheinlich hatte er auf beides spekuliert. Diesen Zahn würde sie ihm ziehen, und zwar ohne Betäubung, deshalb rutschte sie von ihrem Hocker: »Es war nett, dich einmal wieder zu sehen, aber jetzt muss ich gehen. Gute Nacht, Gerd, und danke für die Einladung.«
Bevor er protestieren konnte, hatte sie schon den Ausgang erreicht.
III.
Das Zimmer war klein und nüchtern möbliert, ein Schreibtisch, zwei Stühle für Besucher, die Wände mit Aktenschränken zugestellt. Auf dem Fensterbrett kümmerten mehrere Kakteen und ihr schoss der Gedanke durch den Kopf, dass andere Pflanzen wahrscheinlich längst verdurstet wären. Denn der große Mann mit dem schmalen, scharfen Gesicht und der Adlernase sah nicht so aus, als verschwendete er einen Gedanken an so etwas Überflüssiges wie Blumen.
»Sie erinnern sich nicht mehr an mich?«
»Nein. Müsste ich denn, Frau -« er schaute auf ihre Visitenkarte, die er säuberlich genau auf die Mitte der grünen Schreibunterlage platziert hatte - »Frau Tepper?«
»Es ist lange her, jetzt sieben Jahre, da habe ich auch vor Ihnen gesessen, allerdings in einem anderen Gebäude und in einem anderen Zimmer.«
Oberstaatsanwalt Dr. Driesch lächelte höflich und wünschte sich, sie möge endlich zur Sache kommen. Hübsch war sie ja, sogar attraktiv, aber schöne Frauen beeindruckten ihn schon lange nicht mehr, zumindest nicht, wenn er ihnen im Gebäude der Staatsanwaltschaft begegnete und noch nicht wusste, wen er vor sich hatte, eine Zeugin, eine Geschädigte oder eine Beschuldigte.
»Sie hatten damals ein Ermittlungsverfahren gegen meinen
Ehemann, Wolfgang Tepper, eingeleitet. Verdacht auf Konkursbetrug und noch ein paar andere Delikte.«
»Tepper, Wolfgang«, wiederholte er nachdenklich. In seinem Hinterkopf bimmelte ein winziges Glöckchen.
»Und eine Zeit lang hatten Sie mich verdächtigt, ich sei an den Geschäften meines Mannes beteiligt gewesen.«
»Es dämmert, aber im Moment noch zu schwach.«
»Eines Tages haben Sie mir dann erklärt, es bestünde kein Verdacht mehr gegen mich. Am nächsten Tag habe ich meinen Mann verlassen, übrigens ohne Aussprache, für ihn kam es wie der Blitz aus heiterem Himmel, und bin mit einem anderen Mann nach Amerika gezogen.«
»Ist Ihr Mann denn angeklagt und verurteilt worden?« Verflixt, woran erinnerte ihn dieser Name Tepper bloß?
»Das weiß ich eben nicht. Ich bin aus dem Haus gegangen und habe seitdem mit meinem Mann nie wieder gesprochen oder etwas von ihm gehört.« Sie verzog den Mund, »Ich weiß nicht einmal, ob ich noch mit ihm verheiratet bin.«
»Das kann unter Umständen fatal werden«, stimmte er zu und sie schmunzelte über seinen trockenen Humor.
»So, und nun habe ich alles versucht, Wolfgang - meinen Mann - aufzustöbern. Bank, Einwohnermeldeamt, Rechtsanwalt, Nachbarn, seine Freunde, seine frühere Mitarbeiterin, Nichts, nichts und nochmals nichts.«
»Deshalb sind Sie zu mir gekommen?«
»Ja, Sie sind sozusagen meine letzte Hoffnung.«
Allmählich fand er Gefallen an der verrückten Geschichte. »So weit sollte man es nicht kommen lassen, dass ein Staatsanwalt die letzte Hoffnung darstellt.«
»Ach, enttäuschen Sie mich nicht. Ist mein Mann denn nun angeklagt und verurteilt worden? - Halt, halt, schauen Sie mich nicht so grimmig an. Denn dann muss er doch in einem Gefängnis gewesen sein und bei der Entlassung eine Anschrift angegeben haben.«
»Theoretisch korrekt, Frau Tepper. Aber praktisch kann ich Ihnen keine Auskunft geben.«
»Können Sie nicht oder dürfen Sie nicht?«
»Über das Zweite denke ich nach, wenn das Erste nicht mehr zutrifft.« Er griente und legte den Kopf schräg, weil sie die komplizierte Antwort erst einmal auseinander sortieren musste, und als sie dann entrüstet schnaufte, lachte er unterdrückt: »Frau Tepper, ich muss einfach in die Akten steigen. Tut mir Leid, aber auch Staatsanwälte vergessen.«
»Und sieben Jahre sind eine lange Zeit«, ärgerte sie ihn fröhlich. »Darf ich morgen wiederkommen?«
»Rufen Sie besser vorher an, morgen ist eine lange Verhandlung terminiert.« Aus einer Schublade holte er eine Karte und reichte sie ihr über den Tisch. »Ich will sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Vielen Dank, Herr Dr. Driesch. Bis morgen dann.«
Der Duft ihres Parfüms hing noch eine Weile in der Luft. Er schnupperte, mit den Gedanken weit weg. Der Name Tepper hatte etwas wachgerufen, und wenn er sich auf sein Gefühl verließ, war das nicht angenehm gewesen. Eher ärgerlich ... Ach was, es würde ihm ja doch keine Ruhe lassen.
Er steckte den Kopf in das Sekretariatszimmer: »Frau Schilde, tut mir Leid, Sie müssen sofort ins Archiv. Tepper, Wolfgang, ein Ermittlungsverfahren vor etwa sieben Jahren wegen betrügerischen Konkurses oder Betruges. Ach so, und auch seine Frau, Tepper, Karin.«
»Mach ich, aber zuerst müssen diese Briefe raus.«
»Natürlich«, willigte er rasch ein. Mit einer gereizten Hildegard Schilde legte er sich nicht gerne an und objektiv betrachtet wurde sie von ihm und seinem Kollegen überlastet. Es kniff an allen Ecken und Kanten, die Arbeit nahm zu, das Personal wurde abgebaut.
Kurz vor Dienstschluss knallte ihm die Sekretärin zwei Hängemappen auf den Schreibtisch: »Ich gehe jetzt.«
»Danke, und einen schönen Abend noch.«
Tepper, Wolfgang, tatsächlich betrügerischer Konkurs, Betrug, Unterschlagung und Urkundenfälschung in wenigstens zehn