Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
was?"
"Sie haben die Bilder gesehen, auf denen ich im Bühnenoutfit fotografiert wurde. Ich finde es auch cool, mich wie ein Geschöpf der Finsternis anzuziehen und in Gothic Discos zu gehen."
"Da hatten Sie und Dolores ja etwas gemeinsam."
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, bei ihr war das etwas anderes. Sie hat dieses Grusel-Zeug wirklich ernst genommen. Das war schon erschreckend. Wir konnten nichts unternehmen, ohne dass vorher gependelt wurde. Und dann war da diese Sekte... Wenn Sie mich fragen, dann haben diese Leute sie einer Art Gehirnwäsche unterzogen. Orden der Dunkelheit nennen die sich, glaube ich. Da gibt's auch einen gewissen Oberguru, dem sie nacheiferte."
"Wie ist sein Name?"
"Bruder Maleficius. Irgend so ein selbsternannter Herr der Finsternis. Den wirklichen Namen kenne ich nicht."
"Sind Sie ihm mal begegnet?"
"Ja, sie hat mich mal zu einem dieser Treffen mitgenommen. Das fand auf einem Friedhof statt. Die spritzten da mit Schweineblut herum und weideten tote Ratten aus. Das war mir dann doch ein bisschen heftig. Alle liefen in Mönchskutten herum. Von den Gesichtern konnte man nicht viel sehen. Nur einen kurzen Moment lang fiel das Mondlicht in das Gesicht des Anführers..." Severine schluckte. "Es war vollkommen durch Narben entstellt. So als hätte er mal unter einer schrecklichen Krankheit gelitten."
"Möglicherweise Verbrennungen?", fragte Milo.
"Wäre natürlich auch möglich...", meinte sie. "Um ehrlich zu sein, hatten Dolores und ich in letzter Zeit nicht mehr viel Kontakt. Sie ist voll auf diesen Sektenmist abgefahren und wollte auch an irgend so einer geheimen Aufnahmezeremonie teilnehmen, die sie zu einer sogenannten Schwester der Finsternis gemacht hätte."
16
Das Büro von Montalban House Ltd. befand sich im 28. Stock eines Hochhauses in der Seventh Avenue. Eine ganze Etage in dieser teuren Lage wurde von José Montalbans Immobilienfirma eingenommen. Die Geschäfte schienen also gut zu laufen.
Als wir das Großraumbüro betraten, fielen mir gleich die zahlreichen Security Guards auf, die hier zu finden waren.
"Das Faible für Sicherheit scheint José von seinem Vater geerbt zu haben", raunte ich Milo zu.
Wir zeigten der Sekretärin unsere ID-Cards.
Sie strich sich das gelockte Haar zurück, nahm per hausinterne Sprechanlage Kontakt zu ihrem Chef auf und wechselte ein paar Worte auf Spanisch mit ihm. Anschließend wandte sie sich wieder uns zu. "Folgen Sie mir bitte!"
"Aber gerne", sagte Milo.
Sie ging vor uns her.
Das enganliegende Kleid zeichnete ihre Körperformen perfekt ab. Eine aufregende Silhouette. Milo stieß mir in die Seite. "Wir sind dienstlich hier!"
"Ich dachte der Aussicht wegen."
"Man hat hier tatsächlich eine fantastische Aussicht", sagte die Dunkelhaarige, ohne sich dabei umzudrehen. Sie deutete kurz auf die Fensterfront. "Bei gutem Wetter können Sie bis zum Connecticut-Ufer des Long Island Sound sehen!"
Milo grinste.
Wir erreichten das Büro des Firmenchefs.
Im Gegensatz zu seinen Mitarbeitern hatte er ein Zimmer für sich allein. Mitten im Raum stand ein gewaltiger Schreibtisch. An den Wänden hingen moderne Kunstwerke.
Durch die hohe Fensterfront war das Empire State Building zu sehen. José Montalban saß in einem Drehsessel mit Lederbezügen und schlug die Beine übereinander.
"Sie können gehen, Angelina!", wandte er sich an die Sekretärin. Als sie verschwunden war, erhob er sich und begrüßte erst Milo und dann mich per Handschlag. "Freut mich, dass Sie her gefunden haben", sagte er.
"Bei Ihrem Vater hatte ich einen anderen Eindruck", stellte ich fest.
"Ich habe ja bereits angedeutet, dass mein Vater der Justiz gegenüber eine Haltung einnimmt, die vielleicht etwas ungerecht ist", eröffnete José auf seine gewohnt moderate Art und Weise.
Er hätte Diplomat werden können, ging es mir durch den Kopf.
"Kommen wir zur Sache", sagte ich.
"Bevor Sie mir Ihre Fragen stellen, Agent Trevellian, möchte ich eine Erklärung abgeben."
Ich zuckte die Achseln. "Bitte!"
"Erstens möchte ich, dass diese Unterredung so weit wie das irgend möglich ist vertraulich bleibt."
"Wir gehen damit nicht an irgendwelche Cable-TV-Sender", versicherte ich.
"Meine Bitte war eher in Bezug auf meinen Vater gemünzt. Ihnen wird ja wohl nicht entgangen sein, dass wir manche Dinge etwas unterschiedlich einschätzen."
"Wir werden sehen, was wir tun können, Mister Montalban", sagte Milo.
José gab sich damit zufrieden. Er nickte leicht und erklärte nach einer kurzen Pause: "Sie hatten Recht. Es gab tatsächlich eine Entführung. Sie hatten den richtigen Riecher."
"Erzählen Sie!"
"Meine Schwester blieb 48 Stunden lang unauffindbar. Mein Vater lässt ihre Wohnung überwachen, daher wusste er genau Bescheid. Natürlich hat Dad Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Es gab einen Anrufer mit verzerrter Stimme. Der Anrufer erklärte, meine Schwester in der Gewalt zu haben. Er forderte eine Million Dollar. Natürlich sollte die Polizei außen vor bleiben."
"Die Vermisstenanzeige..."
"Die war schon aufgegeben worden."
"Was wurde für die Geldübergabe vereinbart?"
"Gar nichts. Der Entführer wollte sich wieder melden, um Einzelheiten bekannt zu geben. Aber dazu ist es nicht mehr gekommen." José Montalbans Gesicht wurde starr. "Diese Typen haben offenbar gar nicht vorgehabt, meine Schwester wieder frei zu lassen."
"Kennen Sie Personen, die Ihrer Schwester nahe standen und sie vielleicht am Tag ihres Verschwindens noch gesehen haben könnten?", hakte ich nach.
José hob die Schultern. "Ich gebe Ihnen die Adresse eines gewissen Estevez. Er hatte den Auftrag, meine Schwester zu überwachen. Wenn jemand etwas über die Kontakte sagen kann, die Dolores hatte, dann dieser Mann."
"Nicht nötig", erwiderte ich. "Estevez ist tot. Er wurde von zwei Einbrechern umgebracht, die Dolores' Wohnung durchsuchen wollten."
"Das wusste ich nicht", behauptete José.
"Vor allem wundert es uns, was dieser Estevez noch bei Dolores' Wohnung zu suchen hatte, schließlich war Ihre Schwester doch tot", stellte Milo fest. "Sein Auftrag, Ihre Schwester zu überwachen war doch damit gewissermaßen erledigt."
José zuckte die Achseln. "Wie Sie schon richtig sagten, wir können Estevez jetzt nicht mehr befragen. Vielleicht hat mein Vater ihm den Auftrag gegeben, die Wohnung weiter zu beobachten."
"Warum sollte er das getan haben?"
"Vielleicht in der Hoffnung, dass genau das passiert, was geschehen ist und es auf diese Weise eine Spur von Dolores' Mördern gibt! Allerdings..." Er stockte, sprach zunächst nicht weiter.
"Allerdings was?", hakte ich nach.
"Für eine Entführung wäre dieser Estevez ein idealer Komplize gewesen, finden Sie nicht auch? Wahrscheinlich wusste nicht einmal Dad so gut über Dolores' Gewohnheiten Bescheid wie dieser Mann..."
"Dann hätten die Einbrecher ihn nicht umzubringen brauchen!"
"Auch wieder richtig."
Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, holte Bilder von den beiden Einbrechern Pat McGovern und Brett Nolan hervor und reichte sie José Montalban. "Kennen Sie diese beiden Männer?"
José schüttelte den Kopf. "Wer soll das sein?"
"Das