Wirtschaft hacken. Uwe Lübbermann
Video- oder Telefonkonferenz zusammenkommen. Allerdings arbeite ich immerhin mit einer anderen Kollektivistin zusammen, Dörte, die mich bei der Bearbeitung von Rechnungen unterstützt. So ist die ja schon grundsätzlich einsame buchhalterische Arbeit nicht ganz so einsam. Ich habe BWL studiert und war zunächst mit einer PR-Agentur selbstständig, bevor ich zu Premium gekommen bin. Dort habe ich angefangen, die Buchhaltung zu machen und mich immer weitergebildet. Inzwischen habe ich auch andere Kunden, für die ich freiberuflich als Buchhalterin arbeite, aber Premium ist immer noch mein Hauptkunde.
Obwohl ich die Buchhaltung verantworte, habe ich keine Verfügung über Geld. Alle Rechnungen werden von Uwe bezahlt. Nur er hat Zugriff auf unser Hauptkonto. Für Notfälle gibt es ein Zweitkonto, auf das ich zugreifen könnte, wenn ich wollte oder müsste – etwa, weil Uwe krank ist –, aber dazu ist es noch nie gekommen.
Manchmal hadere ich damit, dass alle denselben Lohn bekommen. Immerhin habe ich lange studiert, bin dadurch viel später ins Berufsleben eingestiegen und meine, es wäre fair, wenn sich das dann durch einen höheren Lohn ausgleichen würde. Andererseits kann ich die Idee hinter dem gleichen Lohn gut nachvollziehen und sehe auch das Gute in diesem Ansatz. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Bei den anderen Kunden, für die ich die Buchhaltung mache, verlange ich natürlich mehr Geld für meine Arbeit. Wenn ich dann was für Premium mache, fange ich sehr früh morgens an und arbeite mein Pensum ab, damit ich den Rest des Tages für andere Sachen frei bin. Sonst rechnet sich das nicht. Bei den Diskussionen im Kollektiv halte ich mich oft zurück. Entweder, weil es in meinem Bereich nicht viel zu diskutieren gibt oder weil mich bestimmte Diskussionen nicht interessieren. Ich muss mich bei meiner Arbeit an Gesetze halten und da gibt es keinen Spielraum, die Dinge auch mal anders zu machen. Offenere Fragen, etwa, ab wann ich eine Rechnung anmahne, handhabe ich so, wie ich es für richtig halte. Premium möchte ja die Welt verändern, aber wir sind nun mal ein Unternehmen, das in der Marktwirtschaft bestehen muss. Deshalb müssen wir uns auch an die Spielregeln halten.
Bei Diskussionen jenseits meines Bereichs halte ich mich eher zurück. Wenn die anderen meinen, drei Stunden über die Rückseite eines Etiketts verhandeln zu müssen, das man nur durch die leere Flasche hindurch sieht, mache ich da nicht mit. Kann schon sein, dass das alles ausdiskutiert werden muss, aber ich muss mich daran nicht beteiligen.
— MICHAEL HARMS, Spediteur.
Ich habe Uwe über einen gemeinsamen Kunden kennengelernt. Uwe hatte schon ein paar Jahre einen Verteilstützpunkt in Hamburg und für den bin ich dann gefahren. Persönlich kennengelernt haben wir uns erst, nachdem ich schon zwei Jahre für ihn gefahren war. Wir wohnten zwar nah beieinander, aber das hat sich nicht ergeben. Der Uwe hat viel von mir gelernt. Von dem, was man bei uns Fuhrleuten normale Arbeit nennt, hatte er anfangs keine Ahnung. Wenn ich ihm gesagt habe, das oder das sieht man doch schon daran, was bei dem Händler auf dem Hof rumsteht, hat der nur gestaunt. Für mich war das alltäglich, aber Uwe fand das interessant, weil ich darauf einen anderen Blickwinkel hatte als er.
So war das auch bei der Entstehung des Antimengenrabatts. Die Fuhre kostet immer das Gleiche – egal, ob eine Palette auf dem Lkw steht oder zehn. Warum soll denn der, der höhere Umsätze macht, auch noch beim Transport einen Vorteil haben? Natürlich, alle versuchen, es im Einkauf möglichst billig zu kriegen, aber Uwe und ich haben immer gesagt, »Wir sind doch nicht auf dem Basar. Wir wollen alle davon leben.« Eine Fahrradkette hat auch nicht unterschiedlich weite Abstände zwischen den Gliedern. Der ist immer gleich, denn die Kette funktioniert nur, wenn die Abstände gleich sind. So ist das auch bei Lieferketten. Ich fahr zwar Lkw, aber ich bin nicht doof, kein Dieselknecht. Ich kann auch was anderes, das hat Uwe erkannt. So kamen wir ins Gespräch und ich habe mein Wissen mit ihm geteilt.
Dabei habe ich etwas von Uwe gelernt, zum Beispiel dass man sich auch mit mir absprechen kann. Dass mich ein Kunde fragt: »Wann passt dir die Fuhre? Und wann kannst du ungefähr da sein?« Das ist mir vor Uwe noch nie passiert. Aber klar, der Kunde kennt ja nicht meine Strecke und wenn die Umstände eben so sind, dass ich nicht eher da sein kann, kann ich auch nichts dafür. Da macht es doch keinen Sinn, mir eine Vertragsstrafe aufzubrummen. Manchmal geht es nicht anders und dann bin ich eben erst am Montagmittag da und nicht schon am Samstagmorgen. Uwe hat das verstanden und respektiert. Das kannte ich vorher nicht. Dass das nicht nur möglich ist, sondern dass ich diesen Respekt vor meiner Arbeit auch erwarten kann, das habe ich von Uwe gelernt und das erwarte ich jetzt auch von meinen anderen Kunden. Fliegen können wir alle nicht; wir sind alle an die Schwerkraft gebunden und gehen auf der Erde. Das habe ich zu meinem Credo gemacht.
Insgesamt kann man sagen, dass Uwe und ich viel voneinander gelernt haben. Wir sind ein bisschen wie ein altes Ehepaar und arbeiten jetzt schon achtzehn Jahre zusammen. Ich hoffe, das bleibt so.
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