Die Salbenmacherin und der Fluch des Teufels. Silvia Stolzenburg
Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Als die Magd mit dem Wasser zurückkam, machte sie ihm Wadenwickel, rieb ihn mit Rosenöl ein und hoffte, dass der Alchemist sich nicht getäuscht hatte.
»Und?« Matthäus, der sich in der Zwischenzeit um einen anderen Kranken gekümmert hatte, gesellte sich zu ihr.
Olivera zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe den Eindruck, das Zucken lässt nach.«
Tatsächlich schien die Arznei den Jungen zu beruhigen und ihm das Atmen zu erleichtern.
»Ich hoffe, es hilft.« Matthäus rieb sich das Gesicht. »Offenbar sind noch zwei Kinder erkrankt. Wenn das so weitergeht …« Er schüttelte den Kopf. »Die ersten reden schon von einem Fluch des Teufels.«
Kapitel 13
Auf dem Weg zum Rathaus hatte Götz Mühe, nicht dauernd die Hand in die Tasche zu stecken, in der sich Paumgartners Siegelring befand. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass der Ring ein Loch in den Stoff brannte, und fragte sich, warum er ihn nicht zu Hause gelassen hatte. Sollte man ihn aus irgendeinem Grund bei ihm finden, würde er wohl kaum erklären können, wie er in seinen Besitz gekommen war. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er das kühle Metall betastete, nur um hastig die Hand zurückzuziehen und sich schuldbewusst umzusehen.
Du hast niemanden getötet, sagte er sich immer wieder, allerdings war diese Tatsache weniger beruhigend, als sie sein sollte. Aus Erfahrung wusste er, dass es oft niemanden interessierte, was wirklich vorgefallen war. Viel wichtiger war, wie die Dinge zu sein schienen. Und vor diesem Hintergrund würden Olivera, Mathes und er so schuldig wirken wie Adam und Eva.
Als das Rathaus vor ihm auftauchte, atmete er ein paar Mal tief ein und aus. Auf keinen Fall durfte er sich durch seine Fragen verdächtig machen oder so viel Neugier erwecken, dass jemand anfing, sich für den Hof des Alten Endris zu interessieren. Größte Vorsicht war geboten. Er warf einen Blick zum Himmel, der sich bewölkt hatte. Von Norden her schoben sich dunkle Wolken zusammen und ein auffrischender Wind blies durch die Stadt. Während man am Morgen den Eindruck gehabt hatte, der Sommer würde noch einige Wochen andauern, ließen die kalten Böen keinen Zweifel am nahenden Herbst.
Obwohl er versuchte, sich einzureden, dass nichts schiefgehen konnte, beschleunigte sich sein Herzschlag, als er vor dem prächtigen Gebäude anlangte. Mit einem Gefühl, als laste ein Zentnergewicht auf seiner Brust, betrat er die Eingangshalle, in der mehrere vornehm gekleidete Männer zusammenstanden und heftig diskutierten. Er näherte sich ihnen und hörte, worüber sie sich so aufregten.
»Es ist ein Fluch, das sage ich euch, so wahr ich Markus Holzschuher heiße!«
»Woher willst du das wissen?«
»Habt ihr nicht gehört, dass Martin Groß einen Priester ins Haus geholt hat?«, fragte der, der zuerst gesprochen hatte. Er war wie Götz ein Ratsmitglied und entstammte einem alten Nürnberger Patriziergeschlecht.
»Er hat recht«, pflichtete ihm ein anderer Mann bei, den Götz als einen der Widersacher erkannte, deren Intrige Olivera und ihn beinahe das Leben gekostet hatte. »Inzwischen sind zwei Dutzend Kinder erkrankt und es scheint kein Ende zu nehmen.«
»Nicht nur Kinder«, wusste ein jüngerer Kaufmann. »Auch unter den Bettlern grassiert die Seuche.«
»Ihr seid Heiden, wenn ihr glaubt, dass es ein Fluch des Teufels ist«, brummte ein älterer Mann. »Es ist die Geißel Gottes.«
Holzschuher winkte ab. »Warum sollte Gott die Nürnberger strafen wollen? Hier leben fromme Leute.«
Diese Feststellung erntete Hüsteln und das eine oder andere unverhohlene Lachen.
»Soso, fromme Leute?« Der Alte schüttelte den Kopf. »Meinst du damit die abergläubischen Narren, die auf diesen Betrüger hereingefallen sind, der behauptet hat, unedle Metalle in Gold verwandeln zu können?«
Götz verzog das Gesicht. Es konnte kein gutes Omen sein, dass ausgerechnet jetzt die Sprache auf Alphonsius kam.
»Das ist doch Jahre her.«
Der Alte schnaubte. »Wenn ihr wollt, dass das Leiden aufhört, geht in die Kirche und betet, bis euch die Knie wehtun«, riet er, ehe er sich von der Gruppe abwandte und auf den Ausgang zusteuerte.
»So ein Unsinn!«, erboste sich jemand, den Götz nicht kannte.
»Ich weiß nicht, ob es Unsinn ist.« Eines der Mitglieder des Größeren Rates wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht hat er recht, vielleicht nicht. Ich befolge seinen Rat lieber, sonst trifft es am Ende auch meine Familie.« Er löste sich von der Gruppe und kam auf Götz zu. Als er ihn sah, zog er die Brauen hoch. »Bringst du Neuigkeiten?«
Götz schüttelte bedauernd den Kopf.
»Deine Frau kennt sich doch mit derlei Dingen aus. Warum kann denn niemand etwas gegen diesen Fluch ausrichten?«
Götz wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Es fehlte noch, dass die Nürnberger schon wieder die Schuld bei Olivera suchten. »Deshalb bin ich nicht hier«, erwiderte er und beschloss, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. »Ich bin wegen der neuen Straße etwas verwirrt.«
Der Ratsherr runzelte die Stirn. »Welche neue Straße?«
»Die im Westen der Stadt. Weißt du, wo genau sie gebaut werden soll?«
»Wieso? Gehört dir Land dort?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
Der Mann beschrieb ihm den Weg, den die Straße nehmen sollte.
Vor Erleichterung hätte Götz beinahe etwas Unbedachtes gesagt.
»Und?«
Götz blinzelte verwirrt.
»Führt sie über dein Land?«
»Nein.«
»Das ist schade. Du hättest sicher einen ordentlichen Batzen dafür verlangen können.« Mit diesen Worten ließ der Ratsherr ihn stehen, überquerte die Straße und verschwand in der gegenüberliegenden Kirche. Zweifelsohne, um eine Kerze für jedes Mitglied seiner Familie zu entzünden und Gott um Schonung für sie zu bitten.
»Wir sollten eine Sitzung einberufen, um über die Maßnahmen zu entscheiden, die getroffen werden müssen«, hörte er einen der Männer sagen, die sich immer noch über die Seuche unterhielten. »Die Bürger müssen geschützt werden. Falls nötig, sollen die Leute in ihren Häusern bleiben und Räucherungen vornehmen, um die Miasmen zu vertreiben. Dieser Fluch wird bestimmt durch üble Dünste verbreitet.«
»Wenn es ein Fluch ist, braucht es keine üblen Dünste, um Schaden anzurichten«, widersprach Markus Holzschuher.
»Das haben sie auch bei der Pest gesagt«, brummte der, der neben ihm stand.
»Ich werde jedenfalls meine Türschwelle mit Weihwasser bespritzen und dafür sorgen, dass einer der Pfaffen mein Haus mit Weihrauch segnet«, beschied Holzschuher.
Als daraufhin mehrere Männer durcheinanderredeten, kehrte Götz der Gruppe den Rücken und verließ das Rathaus. Er überlegte einen Moment, bevor er sich in Richtung Flussufer aufmachte. Je länger er den Ring bei sich trug, desto größer war die Gefahr, dass man ihn entdeckte. Zielstrebig bahnte er sich einen Weg durch die vielen Menschen auf dem Marktplatz und erreichte schließlich den schmalen Pfad, der zum Henkerturm führte. Dahinter erhob sich eine Gruppe von alten Weiden, deren tief hängende Äste ausreichend Sichtschutz boten. Vorsichtig, um an der steilen Böschung nicht abzurutschen, kletterte Götz zum Ufer hinab und sah sich um. Außer einem Fischerkahn, der etwa einen Steinwurf flussabwärts vor sich hin dümpelte, war nichts zu sehen. Während sich sein Herzschlag erneut beschleunigte, holte er den Ring aus der Tasche und schleuderte ihn ohne zu zögern ins Wasser.
Er versank in der Mitte des Flusses.
Als ob er befürchtete, dass er wie durch Zauberhand zurück an die Oberfläche gelangen könnte, starrte Götz eine Weile auf die Stelle, an der er versunken war. Schließlich