Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein - Jakob Matthiessen


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Grinsen seiner Frau ging von einem Ohr zum anderen. »Salomo hat gesagt, dass genau fünfzehn Tage vor der nächsten Blutung die beste Zeit sei.«

      Chaim wurde es zu bunt, er zeigte mit der Hand nach oben und platzte heraus: »Schatz. Die beste Zeit wofür? Deine Sprache ist so dunkel wie die Balken an unserer Decke.«

      Zärtlich nahm Jehudith den Kopf ihres Mannes in ihre warmen Hände und zog ihn zu sich hinunter. Er spürte ihre weichen Lippen auf seinem Mund. Ihre Zunge berührte seine Lippen, und bereitwillig öffnete er sie. Langsam dämmerte es ihm, worauf seine Frau hinauswollte, und seine Anspannung löste sich. Frei und sorglos gab er sich Jehudith hin.

      So fühlten die beiden sich als Teil von Gottes großem Plan. Sie würden sich nun verewigen in dem großen Geschichtswerk, das Generation für Generation, Geschlecht für Geschlecht der Welt Seinen herrschaftlichen Willen einprägte und Seine Größe und Schönheit abbildete in all der Fülle des Lebens.

      Samstag, der 24. Mai Anno Domini 1096 / 29. Ijjar 4856

      Peters Heim nahe Gerstendorf

      Kein Wort sprach Peter bei der morgendlichen Mahlzeit in der Stube. Die getrockneten Pflaumen, die seine Mutter für ihn auf den Tisch gelegt hatte, ließ er achtlos liegen. Und auch Lene würdigte er keines Blickes. Er zog das Kumt fest um den Hals eines Ochsen, nahm die Peitsche von der Wand, zerrte das Tier aus dem Stall, spannte das kleine Wägelchen an und wuchtete den Pflug, der über Nacht draußen vor der Tür gestanden hatte, auf das Gefährt. Nach einem Schlag mit der Gerte auf den breiten Rücken des Zugtieres setzte sich der Karren in Bewegung und Peter stapfte hinterher.

      Auf dem Acker machte er dort weiter, wo er gestern aufgehört hatte. Alles in ihm war taub. Weder bemerkte er den Schmerz in seinem Rücken noch die Sonne, die ihm ins Gesicht brannte. Dem leisen Rauschen des Windes schenkte er so wenig Beachtung wie dem fröhlichen Zwitschern der Vögel, die laut und energisch ihr Revier verteidigten. Den großen Fluss, der sich unten im Tal kraftvoll um die Hügel wand, sah er nicht an. Stumpf richtete er die Augen zu Boden. Wie die Zahnräder einer Mühle arbeitete er, und auf den Ochsen sah er nur, wenn der zu langsam wurde oder nach links oder rechts abdriftete. Dann gab er mit dem Seil, das an dem Kumt des massigen Tieres angebracht war, ein Kommando, setzte einen kurzen festen Schlag mit der Peitsche und es ging weiter.

      In all dieser Dumpfheit spürte er auf einmal einen sanften Druck auf seiner Schulter. Die Anspannung in seinem Körper löste sich ein wenig, während eine freundliche Stimme zu ihm sprach: »Komm mit, Peter, Gott ruft dich.«

      Er hatte den Priester mit der roten Kutte gar nicht bemerkt. Peter blickte auf zu dem großen Mann, dem das Mitgefühl im Gesicht stand. Der Mann beugte sich ein wenig zu ihm hinunter und wies mit der Hand in Richtung Tal. Peter schaute auf die gepflegten Hände und dann auf den mächtigen Strom. Langsam, sodass Peters Blicke folgen konnten, zog der Priester die weiten Bögen des Flusses zwischen den Hügeln mit seinem Finger nach. Mainz mit seinem großen Bischofsdom und den hohen Stadtmauern musste hinter diesen Kuppen liegen. Der Mann zeigte hinauf auf den Kamm des Hügels. Dort stand bereits ein Junge aus dem Dorf und winkte ihm zu. Peter lächelte verlegen.

      Er blickte auf den halb gepflügten Acker, sah auf den Ochsen, der vor ihm stand, dumm und stumm, als sei er ein Stein und nicht ein Wesen aus Fleisch und Blut. Er hörte den Priester freundlich sagen: »Christus spricht: Wer seine Hand an den Pflug legt, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.«

      Peter ließ vom Pflug ab. Wortlos folgte er dem Mann in der roten Kutte.

      Der Junge gesellte sich zu ihnen, und zu dritt schritten sie den Berg hinunter. Peter konnte vor Aufregung nicht sprechen und hielt Abstand zu dem anderen Buben.

      Die Fähre wartete am Ufer. Ein anderes Boot mit einem Ochsenkarren und Soldaten war schon bis zur Mitte des Flusses vorgefahren. Der gestern noch leere Wagen war nun voller Brotlaibe und Getreidesäcke. Vier Schweine standen auf wackeligen Beinen auf dem Boot und quiekten vor Angst. Der Ritter und der Knappe schienen zufrieden.

      Eine Bauernfamilie mit vier Kindern, die Mönche von gestern und sechs Jungen in seinem Alter stiegen mit Peter auf die Fähre. Zuletzt trat der Priester, der ihn von dem Acker abgeholt hatte, in das Boot und der Ferge gab das Kommando zum Ablegen.

      Bald schritten sie auf dem Treidelweg voran, der ganz bedeckt war mit den Ausscheidungen der Pferde, Ochsen und Menschen, die gestern hier entlanggeströmt waren. Hinter der Biegung des Flusses erkannten sie bereits die Zelte der Pilger.

      Das Lager war in Auflösung begriffen. Wie sich am Ufer eines Flusses Erde löste, die durch die Strömung fortgerissen wird, so reihten sich die Rastenden in den Menschenstrom flussabwärts ein.

      Peters Taubheit war verflogen. Mainz, endlich würde er sie sehen, die große Stadt. Und von dort ging es weiter nach Jerusalem. Er richtete sich auf und mit festen Schritten stapfte er durch den von den vielen Tritten aufgeweichten Unrat, der den Treidelpfad bedeckte.

      Bald fanden sie Anschluss an die Menschenmenge. Nach einiger Zeit verschwand der Priester in der roten Kutte in dem Menschengewusel. Aber das machte nichts, denn nun war Peter Teil der großen Prozession zur Huldigung des Herrn im Himmel und zur Befreiung der Heiligen Stadt.

      Zitat

      Die Stimme, die so wimmert,

      ist die Stimme von Jakobs Kindern,

      die von Frevlerhänden geschlagen werden.

      Selichah – Kalonymos ben Jehuda

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