Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein - Jakob Matthiessen


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Vater,

      uns alle vereint durch das Licht Deines Angesichts,

      denn im Lichte Deines Angesichtes gabst du uns, Ewiger, unser Gott,

      die Lehre des Lebens und die Liebe zum Guten.«

      Er blieb einen Moment sitzen, genoss den warmen Abend und schaute hinaus in Richtung des mächtigen Flusses, der ruhig und kraftvoll sein Wasser hin zum großen Meer fließen ließ.

      Chaim stand auf, füllte Wasser aus dem Tonkrug neben der Kommode in die große Schale auf der marmornen Platte und entkleidete sich. Mit einem Lächeln zog er die oberste Schublade auf und nahm einen der gelben Schwämme heraus. Sündhaft teuer waren diese toten Überreste von seltsamen Lebewesen, für die Taucher an den Küsten Griechenlands sich tief ins Meer vorwagen mussten. Es gab sie nur bei Schmuel, und das wusste der schlaue Kerl auszunutzen. Chaim hasste das Feilschen, aber in diesem Fall konnte er nicht anders. Er hatte Jehudith mit diesem porösen und gleichsam weichen Wirrnis zu ihrem Hochzeitstag überrascht – und Schmuel schließlich mit einem Satz Gläser bezahlen müssen.

      Freudig hatte Chaim ihr gezeigt, wie diese gelben Ballen das Wasser in sich aufnahmen und wie weich man mit ihnen über die Haut streichen konnte. »Das Dreißigfache seines Gewichtes saugt ein solcher Schwamm auf«, hatte er ihr stolz verkündet. Jehudith hatte ihn ausgelacht, weil er immer so exakt mit Zahlen war. Aber ihr Lachen war in Liebe getaucht gewesen, sie hatte sich riesig gefreut.

      Chaim musste an all dies denken, als er den weichen Ballen in die Schale tauchte, der sofort begann, das Wasser gierig in sich aufzunehmen.

      Er rieb sich gründlich ab. Das kühle Wasser erfrischte ihn, zog ihn hinaus aus der seligen Gleichmut, in die ihn das Gebet geführt hatte. Er genoss seine Nacktheit und verzichtete darauf, sich abzutrocknen. Stattdessen setzte er sich auf den Hocker am Fenster und betrachtete den langsam dunkler werdenden Himmel durch das offene Fenster.

      Die Sterne gossen ein zartes Leuchten über die Stadt aus, während sich die Geräusche des Hafens nach und nach in der Stille der Nacht verloren.

      An diesem lauen Maiabend trocknete seine Haut rasch. Er setzte sich auf das Bett, in dem David, Hannah und Benjamin gezeugt und geboren worden waren. Mit dem Rücken lehnte er sich an das hölzerne Kopfende, zog sich die helle Leinendecke über seinen Körper und wartete in freudiger Erregung auf seine Frau.

      Am Bach bei Peters Heim

      Peter ging zunächst zum Bach, mit einem kurzen Wiehern kam Lene auf ihn zugetrabt. Längst wäre es für das Kaltblut an der Zeit gewesen, im Stall zu sein. Nach all den Stunden allein sehnte sich die Stute nach der Wärme der anderen Tiere. Peter nahm den Zügel und zog Lene mit sich, ohne ihr braunes Fell zu streicheln, wie es sonst seine Gewohnheit war. Vom Stall ging er in das gedrungene Grubenhaus, rollte sich in eine Decke ein und drehte sich zur muffigen Holzwand.

      Nun merkte Peter, wie die schwere Arbeit auf dem Acker ihm in den Knochen steckte. Und die Ohrfeige seines Vaters hatte sich wie ein Brandzeichen in seine Seele eingeprägt.

      Er konnte nicht einschlafen. So viele Eindrücke waren heute auf ihn eingestürzt. Der Strom von Pilgern. Dieser seltsame Fremde in der roten Kutte, der gar seinen Namen kannte. Und dann dieser demütigende Schlag, das laute Klatschen der Hand seines Vaters in seinem Gesicht.

      Mainz – in Jehudiths und Chaims Haus

      Nach einiger Zeit vernahm Chaim Jehudiths leise Schritte, die die Treppe hinaufkamen. Als sie die Schlafkammer betrat, setzte er zu einer freundlichen Begrüßung an. Doch legte seine Frau einen Finger auf die Lippen und flüsterte ihm zu: »Die Kinder schlafen endlich alle.« Behutsam schloss sie die Tür und setzte sich zu Chaim aufs Bett. »Nun erzähl mir in allen Einzelheiten, was ihr im Rat besprochen habt?«

      Chaim zögerte zunächst. Dann sagte er: »Ein Heer der Unbeschnittenen hat in Speyer für Unruhe gesorgt.«

      »Christenkämpfer? Darüber gab es viel Gerede in der Gemeinde, einige denken sogar an Flucht. Das erschien mir jedoch alles sehr aufgebauscht«, bemerkte Jehudith. »Die wollen doch Jerusalem erobern. Warum Speyer? Geht es darum, Leute anzuheuern oder Geld zu erpressen?«

      »Wahrscheinlich beides. Jedoch haben sie dort elf der Unseren ermordet.«

      Jehudith sog scharf Luft ein. »Das ist ja furchtbar.« Sie schwieg einen Moment. »Also ist doch etwas dran an dem, was die Leute reden.«

      »Die Mörder wurden jedoch, dem Ewigen sei Dank, von Bischof Johann bestraft.«

      »Das ist gut. Das hat diese Irren hoffentlich gelehrt, unsereinem Respekt zu zollen.«

      Chaim schnaubte. »Sie haben wohl einige der Unseren zu ihrer Taufe gezwungen. Aber als das Heer weiterzog, erlaubte der Bischof unseren Brüdern und Schwestern, zum Glauben an den Einen zurückzukehren.«

      »Dann scheint es ja nicht ganz so schlimm zu sein.«

      »Ich bin jedenfalls besorgt.«

      »Speyer wird diesen Teufeln hoffentlich eine Lehre sein.« Jehudith betrachtete ihren Mann. Ihre Lippen kräuselten sich. »Hab keine Angst, der Eine wird uns beschützen. Erzähl mir lieber, was du mit Raimund übersetzt hast.«

      Jehudiths Augen leuchteten vor Neugierde.

      Chaim war dankbar, dass seine Frau das Thema wechselte. Er wollte sie nicht noch mehr belasten, und auch er sollte sich die Zukunft nicht allzu schwarz malen. Jehudith würde sicher recht behalten, schließlich schien die Sache in Speyer aufgrund des Eingreifens des Bischofs einigermaßen glimpflich ausgegangen zu sein.

      So kam es ihm gelegen, dass er ihr nicht von dem Heer vor Worms erzählen musste. »Wir waren ja leider wegen der Sitzung des Rates gezwungen, unsere Arbeit abzubrechen. Aber ich könnte dir den Anfang des Psalms vortragen.«

      »Sehr schön. Vorher mache ich mich kurz fein.«

      Jehudith stand auf und begab sich zur Kommode mit der großen Schale. Sie schüttete das Wasser aus dem Fenster und füllte aus dem Tonkrug frisches nach. Dann zog sie ihr Kleid über den Kopf und stand, nur mit ihrem Leinenhemd bekleidet, den Rücken zu Chaim gewandt am Fenster. Silbern leuchtete ihre Haut im zarten Licht des Mondes und der Sterne.

      Sie nahm den Schwamm, wusch sich langsam über ihr Gesicht und den Hals. Anschließend entledigte sie sich ihres Hemdes und rieb mit dem gelben Ballen über ihre kräftigen Schultern, sodass das Wasser ihr über den Rücken rann. Chaim beobachtete das Rinnsal, das ihre Wirbelsäule hinunterlief und zwischen den Pobacken zu versiegen schien. Er merkte, wie sein Geschlecht sich wohlig regte.

      Jehudith rieb sich über die vollen Brüste und den Bauch. Danach stellte sie ihren linken Fuß auf den Hocker am Fenster, dafür musste sie sich etwas zur Seite drehen. Langsam ließ sie den Schwamm über ihren Schenkel gleiten. Natürlich wusste sie, dass Chaims Blick nun auf ihren Brüsten ruhen würde. Er lächelte. Sie stellte den anderen Fuß auf den Schemel, ließ das Wasser auch über ihr rechtes Bein rinnen, wischte nach und legte den Schwamm schließlich zurück in die Schale. Abschließend nahm sie ein frisches Leintuch aus der Kommode, wickelte es sich um und verknotete es über ihren Brüsten.

      Sie kämmte sich durch ihr langes schwarzes Haar. Jedes Mal, wenn der Kamm hängen blieb, gab sie ein leises Stöhnen von sich. Köstlich, dachte Chaim. Er mochte es, wenn ihre Haare vom Kamm befreit zurückwippten. Schließlich nahm sie das Tuch von ihrem Körper und rieb sich Gesicht, Arme und Füße trocken.

      Chaim war angenehm erregt. Aber er wusste, dass es ratsam war, seine Lust noch einige Zeit zu zügeln. Jehudith schlüpfte zu ihrem Mann unter die Decke und schaute ihn mit großen Augen an. »Nun, fang an.«

      »Womit?«

      »Mit eurer Übersetzung.«

      »Ahh … Also gut. Raimund hat es aufgeschrieben, ich habe heute Nachmittag sogar noch ein paar weitere Zeilen übersetzt. Ich glaube, ich kann es auswendig hersagen.«

      Chaim blickte tief in Jehudiths braune Augen und sprach:

      »Lobe


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