Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein. Jakob Matthiessen

Tod oder Taufe - Die Kreuzfahrer am Rhein - Jakob Matthiessen


Скачать книгу
und Glanz sind Deine Kleider,

      Er trägt das Licht wie einen Mantel,

      spannt den Himmel wie eine Plane,

      baut auf dem Himmelsmeer Seine Burg.

      Wolken macht Er zu Seiner Kutsche,

      reist auf den Flügeln des Windes.

      Winde macht Er zu Seinen Boten,

      loderndes Feuer zu Seinem Diener.

      Er baut die Erde auf festen Grund,

      dass sie in Ewigkeit nicht schwankt.«

      Jehudith hatte sich inzwischen an Chaim geschmiegt, und er legte seinen Arm zärtlich um seine Frau.

      »Hast sie mit dem Meer bekleidet.

      Über die Berge traten die Wasser.

      Als Du drohtest, flohen sie,

      Deine Donnerstimme schreckte sie auf.

      Berge stiegen, Täler sanken,

      dorthin, wo Du den Grund gelegt.

      Grenzen hast Du für sie gezogen,

      dass sie nicht kommen, die Erde zu fluten.

      Du füllst Auen aus den Quellen,

      sie fließen zwischen saftig grünen Berghängen dahin.

      Die Tiere des Feldes trinken,

      wilde Esel löschen ihren Durst.

      Darüber wohnen die Vögel des Himmels,

      singen zwischen den Zweigen.

      Berge tränkst Du aus Deiner Burg,

      füllst die Erde mit Deinen Früchten.«

      »Herrlich! Der Ewige wird uns beschützen in allen Gefahren.« Ein seliges Lächeln lag über dem Gesicht seiner Frau. »Es ist so schön, diesen Psalm in unserer Alltagssprache zu hören. Bitte sag Raimund, wie sehr ich seine Arbeit schätze.«

      »Das werde ich machen, meine Rose von Scharon«, antwortete Chaim.

      Am Bach bei Peters Heim

      Nach langer, langer Zeit übermannte Peter endlich die Erschöpfung und er fiel in einen unruhigen Schlaf. Tief in ihm arbeiteten all die Bilder weiter, während er sich schwitzend und gleichzeitig frierend von einer Seite zur anderen wälzte. In etwas, das weder ganz Traum noch ganz Wunschgemälde war, formten sich die Bilder zu etwas Neuem.

      Vor den Mauern einer großen Stadt sah er sich einem massigen braunen Bären gegenüberstehen. Strahlend blau war der Himmel, und der Sand brannte unter seinen nackten Füßen. Langsam schlich das zottige Ungetüm um ihn herum, belauerte ihn aufmerksam. Ritter bildeten einen Kreis um sie, schlugen mit ihren Schwertern langsam im Takt auf ihre Schilde. Auch Peter hielt ein Schwert in seiner Hand, mit dem er den Bären auf Abstand halten konnte.

      Eine junge Frau wurde zu ihm in den Ring gestoßen. Sie stolperte und fiel auf den heißen Boden. So lag sie da, hilflos, bemitleidenswert, gleichzeitig süß anzusehen mit ihrer braunen Haut und den langen schwarzen Locken.

      Unruhig witternd riss der Bär seinen mächtigen Kopf in die Höhe und wendete sich der Schönen zu. Angstvoll sprang das Mädchen auf und versteckte sich hinter Peters Rücken. Das laute Brüllen des Ungetüms ging ihm bis ins Mark.

      Die Schläge der Ritter wurden schneller. Der Bär kam langsam näher, dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf. Das metallische Hämmern der Schwerter war nun ein einziger dröhnender Trommelwirbel. Plötzlich ließ sich das Raubtier auf Peter fallen. Blitzschnell hob der das Schwert, sodass dessen Spitze sich dem Bären mitten in die Brust bohrte. Peter taumelte, konnte sich jedoch gerade noch auf den Füßen halten. Der pelzige Fleischkoloss fiel in den Sand. Röchelnd lag das Tier vor ihm und schleuderte seine Schnauze vor Schmerz hin und her.

      Dunkelrotes Blut quoll aus der Wunde, versickerte augenblicklich im hellen Sand und färbte den Boden in einem schmutzigen Rot. Peter ließ den Bären nicht aus den Augen. Die junge Frau hatte ihre Arme um seinen Bauch gelegt, ihre weichen Brüste rieben sich wohlig an seinem Rücken.

      Peter konnte den Schwertgriff fassen, riss die Klinge aus der Brust des Bären und setzte an zum Gnadenstoß. Während das scharfe Metall in den Hals des Tiers eindrang, verwandelte sich dessen Schnauze in einen Mund und eine Nase. Das Fell des Ungetüms wurde glatt und hell. Es war nun das verzerrte Gesicht seines Vaters, dessen Augen ihn anstarrten, gleichermaßen verwundert und entsetzt. Stöhnend wand er sich vor ihm, während Peter die Klinge langsam aus seinem Hals zog. Ein letztes Zucken ging durch den Körper seines Vaters, bis sich seine Augen schließlich starr gen Himmel richteten.

      Schweißgebadet wachte Peter auf. Aber schon kurz darauf fand er endlich in den ersehnten Schlaf.

      Mainz – in Jehudiths und Chaims Haus

      Jehudiths Kopf lag entspannt an der Schulter ihres Mannes, der seinen Arm locker um sie geschlungen hatte. Eigentlich war es nun der rechte Moment, seine Frau zu küssen, aber sie wich seinem Blick aus. Ihr verschmitztes Grinsen sagte Chaim, dass da etwas war, das sie ihm mitteilen wollte.

      Jehudith schloss die Augen. »Ich glaube, ich weiß, warum Salomo dich so merkwürdig angeschaut hat, als du ihn heute im Rat getroffen hast.«

      »So?«

      »Hannah hatte Bauchschmerzen.«

      »Ah ja.« Chaim hatte nicht die geringste Ahnung, worauf seine Frau hinauswollte.

      »Und uns ist der Kräutersud ausgegangen, den ich in solchen Fällen den Kindern gebe.«

      »Hm.«

      »Deshalb bin ich heute Morgen zu Salomo gegangen. Der hat mir ein Säckchen getrockneten Fenchel mitgegeben.«

      »Und, haben die Kräuter geholfen?«, fragte Chaim, mehr, um in Jehudiths Spiel mitzuwirken, als aus wirklichem Interesse.

      »Ja, Hannah ging es schon am Nachmittag viel besser.«

      »Sehr schön. Aber war das der Grund für sein Grinsen?« Chaim war verwirrt, dieses Rumgestottere war ganz und gar nicht Jehudiths Art. Die Klarheit ihrer Worte war nicht nur bei den Kindern gefürchtet.

      »Ähm … wohl nicht«, druckste Jehudith weiter herum.

      »Was war dann der Grund?«, fragte Chaim mit Engelsgeduld.

      »Ich habe mit Salomo über dies und das gesprochen.«

      »Aha.«

      »Nun ja, ich habe ihm erzählt, dass ich immer ziemlich genau nach dreiunddreißig Tagen meine Blutungen bekomme.«

      Chaim konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Schon oft habe ich unserem Schöpfer dafür gedankt, dass der Zeitraum deiner reinen Tage länger ist als bei den meisten anderen Frauen. Und auch dafür, dass du das immer so genau einschätzen kannst. Wir sind wirklich gesegnet.«

      Jehudith lächelte. »Meine letzte Monatsblutung war am sechsten Ijjar. Ich mache dann immer eine Kerbe in den Kalender in der Küche. Daher weiß ich das so genau.«

      Natürlich war es Chaim nicht entgangen, dass seine Frau am Dienstag letzter Woche für das rituelle Reinigungsbad die Mikwe aufgesucht hatte. Seit dem Tag war ihnen nach der Niddah, wie die zwölf Tage der Schonung nach der ersten Blutung genannt wurden, wieder die Möglichkeit der Vereinigung gegeben. Aber abgesehen von dem Abstimmen der Zeiten der Reinheit und der Schonung redeten sie normalerweise nicht über diese Dinge, das war eigentlich Frauensache. So blickte Chaim Jehudith ratlos an und sagte mit gespielter Empörung: »Ich hoffe nur, dass unsere Kinder das mit dem Kalender nicht wissen. Oder willst du, dass die ganze Familie diese Dinge mitverfolgt?« Mit jeder Sekunde wuchs Chaims Lust. Als Jehudith schwieg, konnte er seine Ungeduld kaum noch beherrschen. »Nun spann mich nicht weiter auf die Folter, worauf willst du hinaus?«

      Jehudith gab vor,


Скачать книгу