Partnerschaft und Sexualität. Monika Röder
Sie bieten einen fundierten, aus Erfahrung fein selektierten und vollkommen am Benefit, nicht an der Kritik orientierten Überblick über das Feld und zeigen nach sorgfältiger Darstellung, wie sie verschiedene Konzepte praktisch nutzen.
Das ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch erfrischend uneitel, weil gar nicht erst versucht wird, noch einen angeblich neuen Ansatz zu generieren, sondern die eigene Klugheit und therapeutische Reife für ein Lehrbuch des sinnvollen und durchdachten Zusammenspiels bestehender Ideen zu nutzen. Mögen möglichst viele Leser darin Orientierung, Inspiration und Ermutigung zur eigenen Vielfalt in einem vielfältigen Geschäft finden.
Karlsruhe im Januar 2021
Angelika Eck
Sex oder Kommunikation? Henne oder Ei?
Wo fängt es eigentlich an, das Problem in der Beziehung? Ist es so, dass ein Paar Probleme mit Sex hat, weil es in der Beziehung nicht rund läuft? Oder kriselt die Beziehung, weil der Sex nicht genügend häufig, aufregend oder ausgefallen ist?
Mit dieser Huhn-Ei-Frage beschäftigen sich nicht nur die Paare in partnerschaftlichen Krisen intensiv, sondern auch alle, die in der Paar- und Sexualberatung tätig sind. Je nach Standpunkt kommen die unterschiedlichen Betrachter zu unterschiedlichen Schlüssen. Bei den Paaren wird der Standpunkt schnell anhand der Vorwürfe an das Gegenüber deutlich: »Wenn du doch nur …, dann …«.
Bei den Beratenden erkennt man ihre Präferenz an ihren Interventionen, sprich daran, wie sie mit dem Paar versuchen, den entscheidenden Dreh hinzukriegen. Manche Berater fokussieren eher auf die partnerschaftlichen (Kommunikations-)Schwierigkeiten, auf die nicht befriedigten Bedürfnisse in der Partnerschaft und auf die Eskalationsspiralen: Die Leitidee ist, dass durch die Reduktion der zwischenmenschlichen Spannung wieder körperliche Nähe ermöglicht wird. Andere Fachpersonen dagegen nehmen eher die sexuelle Funktionsfähigkeit, den Körper, die Lust und die Sexualpraktiken ins Visier. Ganz nach dem Motto: Die Lust auf Sex kommt mit der Lust am Sex. Und so führt schlussendlich (guter) Sex zu emotionaler Nähe und Verbundenheit.
Ist es nun wichtig zu verstehen, was den Appetit verdorben hat (resp. immer wieder verdirbt) oder kommt der Hunger mit dem (richtig guten) Essen? Für beide Sichtweisen gibt es eine Reihe empirischer Evidenzen. Wer hat nun recht?
Das Schöne und Bemerkenswerte am vorliegenden Buch ist, dass diese Frage nicht beantwortet wird. Es geht gerade nicht darum, den einen oder den anderen Weg zu bevorzugen; es geht nicht darum, die eine richtige Antwort auf diese Frage zu finden. Im Gegenteil: Im Vordergrund steht eine integrative, offene Sichtweise, die versucht, die unterschiedlichsten Perspektiven miteinander sinnvoll zu kombinieren, um dadurch einen individuellen und auf das Paar zugeschnittenen Weg zu finden.
Die beiden Autorinnen können aus einem reichen Erfahrungshintergrund schöpfen, sowohl in Bezug auf verschiedenste therapeutische Zugänge als auch in Bezug auf ihre Praxiserfahrung in der Paar- und Sexualtherapie. Und so bringen sie auf eine sehr gelungene und fundierte Art die Themen Partnerschaft und Sexualität zusammen, die ja auch im echten Leben ganz natürlich zusammengehören.
Ich wünsche dem Buch viele interessierte Leserinnen und Leser und diesen wiederum viele Anregungen mit und durch das Buch.
Zürich im Januar 2021
Marcel Schär
»Vertrautheit« – Zeichnung von der Künstlerin Heidi Reubelt, Abdruck in Schwarzweiß (www.heidireubelt.de).
Vorwort
Liebe LeserInnen/Leser(innen)/Leser*innen/Leser (m/w) … genau diese Schreibformen möchten wir Ihnen ersparen. Dennoch ist uns eine gendersensitive Sprache wichtig. Daher erlauben wir uns von der »Therapeutin« oder »Beraterin« zu sprechen, was unserer persönlichen Situation als Frauen entspricht. Und es spiegelt auch die Realität in sozialen Berufen, da Frauen hier die Mehrheit sind.
Wichtiger Kommentar: Zum Ausgleich dazu sprechen wir von »dem Klienten« oder »dem Partner«. Die anderen Geschlechter sind immer mitgemeint, ob in der Konstellation Mann-Frau, Frau-Frau, Mann-Mann oder etwas dazwischen.
Neben der Erläuterung unseres Verständnisses einer gendersensitiven Sprache braucht es eine Einordnung der Begriffe »Paarberatung« und »Paartherapie«, die in diesem Buch parallel eingesetzt werden.
Dieses Buch erscheint in der Kohlhammer-Reihe »Psychologische Beratung in der Praxis«. Wir schreiben es für Paarberaterinnen, aber auch für andere Fachleute, die in Kliniken, Beratungsstellen oder in eigener Praxis mit Paaren arbeiten oder zukünftig arbeiten möchten. Im Gegensatz zur »Psychotherapie« sind »Paarberatung« und »Paartherapie« gesetzlich nicht geschützte Angebote und auch schwierig voneinander abgrenzbar. Gerade in der Praxis werden in Beratungen oft therapeutische Elemente eingesetzt und in Therapien beratende. Wir werden in diesem Buch daher die Begriffe Paarberatung und -therapie sowie Paarberaterin und -therapeutin abwechselnd und austauschbar verwenden. Den Unterschied zwischen akuter Krisenberatung und therapeutischen (Entwicklungs-)Prozessen beschreiben wir mit den Begriffen Stabilisierung und Vertiefung bzw. Wachstum, die beide Teile der Arbeit mit Paaren sind. Als Theorie- und Ideenpool für unsere Arbeit verwenden wir therapeutische Konzepte aufgrund ihrer weit größeren Fülle und Evidenzbasiertheit.
Dieses Buch haben wir nicht allein geschrieben, sondern mit Unterstützung von verschiedenen Seiten. Eine besondere Rolle hatte Marcel Schär für uns: Mit Ermutigungen, wertvollen Impulsen und vor allem uneingeschränkter Ansprechbarkeit hat er uns über manche Klippe hinweggeholfen.
Spannende Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen und fachliche Anregungen von vielen haben wesentlich zur Entwicklung des Textes beigetragen. Flurina Hefti sorgte für sprachsensible Verfeinerungen und Kathrin Kastl vom Kohlhammer-Verlag für die professionelle Begleitung und Gestaltung. Herzlichen Dank!
Besonders inspiriert für die Arbeit mit Paaren haben uns einige AusbilderInnen und SupervisorInnen. Unser Dank gilt dabei Karol Bischof und Marielle Sutter, die beide auch Teile des Textes kritisch gegengelesen haben, sowie Guy Bodenmann, Ulrich Clement, Angelika Eck und David Schnarch.
Vor allem aber bedanken wir uns bei unseren Klientinnen und Klienten, die uns wichtige Teile ihres Lebens anvertrauen und mit denen wir uns stetig weiterentwickeln dürfen.
Einführung
Menschen, Paare, Beziehungsdynamiken und Lebenssituationen sind extrem unterschiedlich. Unserer Ansicht nach lohnt es sich nicht, über die beste Methode für die Arbeit mit Paaren oder die beste Therapierichtung zu streiten. Wir brauchen verschiedene Methoden und einen authentischen eigenen Stil, um unsere Klienten wirkungsvoll unterstützen zu können.
In diesem Buch versuchen wir unsere integrative Arbeit auf einem Fundament evidenzbasierter Methoden zu beschreiben. Bei welchem Paar, bei welchem Anliegen, in welcher Phase der Beziehung oder Therapie und in welchem Moment ist welche Methode hilfreich? Was braucht ein eskalierendes Paar, um vor Verletzungen sicher zu sein, was braucht ein distanziertes Paar für erneute Annäherung? Welche Unterstützung hilft einem sexuell lustlosen Partner, um wieder Zugang zum eigenen Begehren zu finden? Ein einzelner therapeutischer Ansatz kommt hier an seine Grenzen. In der Praxis braucht es verschiedene Methoden und ein Modell, in das die Tools stimmig integriert sind.
Wir beiden Autorinnen sind beruflich recht unterschiedlich sozialisiert.
Zu Beginn unseres Buchprojektes fragten wir uns zunächst, ob unsere Unterschiedlichkeiten nicht zu groß seien, um unser Vorgehen in der Paartherapie einheitlich zu beschreiben. Bei der Arbeit kristallisierte sich dann aber heraus, dass wir übereinstimmende Haltungen, Grundprinzipien und sogar Interventionsstrategien haben. Wir denken beide schulen- und themenübergreifend und lassen uns von den Fragen leiten: Wo steht dieses Paar miteinander in diesem Moment? Wie geht es den beiden Einzelpersonen, was belastet und schmerzt sie? Welche Rolle spielt die Sexualität in der Paarbeziehung? Und welche Methode