Sternstunden und Schandflecke der Kirchengeschichte. Josef Imbach
der »nordische Barbar« Italien verlassen, schlägt der Papst sich auf die Seite des Schattenkaisers Lambert. Um diesem seine Anhänglichkeit zu beweisen, möglicherweise aber auch aus persönlicher Rachsucht gegenüber seinem Vorgänger Formosus, inszeniert Stephan in der Folge ein abscheuliches Schauspiel. Er beruft eine Synode ein. Kaum dass die Kardinäle, Bischöfe und andere geistliche und weltliche Würdenträger sich eingefunden haben, lässt er die Leiche des Formosus aus der Gruft reißen. Dann wird der bereits in Verwesung übergegangene Körper mit päpstlichen Gewändern bekleidet und im Lateranpalast auf einem Thron festgebunden; der Prozess kann beginnen.
Erster und wichtigster Anklagepunkt bei diesem frevelhaften Totengericht: Formosus wurde gegen das geltende Recht zum Papst gewählt. Wie bereits erwähnt, war dieser, bevor er den Stuhl Petri bestieg, Erzbischof von Porto. Nun erinnerte man sich plötzlich wieder an weit zurückliegende und längst überholte Entscheidungen früherer Kirchenversammlungen, welche verboten, einen Bischofssitz mit einem anderen zu vertauschen. Ebendies aber habe Formosus sich zuschulden kommen lassen, indem er, angeblich aus Ehrgeiz, von Porto nach Rom wechselte – ergo sei seine Wahl null und nichtig. »Weshalb«, so der lebende zu dem schon verwesenden Papst, »hast du aus Ehrsucht den apostolischen Stuhl usurpiert, da du doch Bischof von Porto warst?«
Wohl hat man dem Toten einen Anwalt zugestanden, der für ihn spricht. Aber der übt sich wohlweislich in Zurückhaltung, weil er befürchten muss, dass man sonst auch mit ihm kurzen Prozess macht … In der Folge erklärt die vor der Papstleiche tagende Synode sämtliche von Formosus vollzogenen Weihen und Amtshandlungen – somit auch Arnulfs Krönung – für ungültig. Anschließend unterschreiben die Versammelten ein Absetzungsdekret, während der Henker der Leiche die drei Segensfinger der rechten Hand abhackt. Dann wird der Verurteilte vom Thron gerissen, durch die Straßen Roms geschleift und in den Tiber geworfen.
Stephan bringt die Leichensynode (wie diese ruchlose Versammlung schon bald genannt wird) kein Glück. Da er alle systematisch verfolgt, welche Formosus in ihre Ämter eingesetzt hat, wächst die Zahl seiner Gegner. Diese verehren den Vorgänger wie einen Märtyrer und bald geht die Rede, dass Rom seinen Wohltäter geschändet habe. Die deutschfreundliche Partei gewinnt zunehmend Sympathisanten und wagt den Aufstand. Stephan wird gefangen gesetzt und im Kerker erdrosselt.
Die geschändete Leiche des Formosus hingegen wird später von Fischern aus dem Tiber gezogen und in Alt-Sankt-Peter ehrenvoll beigesetzt. Das Grabmal fiel (wie das so vieler anderer Päpste) im 16. Jahrhundert dem Neubau der Peterskirche zum Opfer. Abgesehen von einem Porträt im Kranz der Papst-Rundbilder, die das Mittelschiff der Basilika San Paolo fuori le Mura zieren, erinnert in Rom kein Monument und keine Inschrift an Formosus.
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