Unter Vormundschaft. Lisbeth Herger

Unter Vormundschaft - Lisbeth Herger


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Frauen schliesst sich in diesen späten Fünfzigern ein eisernes Gitter, in der Alchemistenküche gegossen aus patriarchalem Herrschaftswissen und ebensolchem Zeitgeist, ein Schmiedewerk geltender Moral und Medizin, und, im Falle Lina Zinggs, der staatlichen Kontrolle. Frauen hinter Fallgittern. Ohne Aussicht auf wirkliche Freiheit. Es bleibt nur die Flucht in den Tod, wie ihn Iris von Roten wählen wird. Oder die Resignation einer Lina Zingg, deren Leidensweg eben erst begonnen hat.

      Im Spätherbst 1958 soll Lina in ihrer Heilanstalt langsam auf den Einstieg in den künftigen Dienstmädchenalltag vorbereitet werden. Seit etwa zwei Monaten arbeitet sie halbtags in der Klinik bei der Hausarbeit mit. Man müsse ihr genau sagen, was sie tun müsse, schreibt der Arzt in die Krankengeschichte, sie sei aber sehr willig und gebe sich grosse Mühe, alles recht zu machen. Gesundheitlich geht es aufwärts mit ihr. «Der psychische Zustand ist jetzt recht gut. Seit ungefähr 3–4 Wochen hat das Mädchen nie mehr zerfahren dahergeredet, ist vollständig geordnet, fängt langsam an, sich unaufgefordert körperlich sauber zu halten und scheint jetzt so weit wieder hergestellt zu sein, dass man eine Placierung an einer ganz leichten Haushaltstelle denken könnte. […] Ob die Besserung des psychischen Zustandes auf das Largactil zurückzuführen ist, oder ob es sich um eine Spätwirkung der am 19.7. beendeten grossen Insulinkur handelt, können wir nicht entscheiden, ist ja auch belanglos.» Jedenfalls geht es Lina besser, und im Laufe des Monats kann auch das Largactil schleichend abgesetzt werden.

      Über private Kontakte findet man für die entlassungsreife junge Frau bald einmal die gesuchte leichte Haushaltsstelle. Bereits eine Woche vor Abschluss des amtlichen Entmündigungsverfahrens, am 19. Oktober 1958, bricht Lina in ihren neuen Lebensabschnitt auf. «Das Mädchen war heute erstmals an einer leichten Haushaltstelle in Althausen bei einer Frau Gauck, Ehefrau eines Konzertmeisters, wo zwei grössere Kinder vorhanden (1 davon ist in einem auswärtigen Internat) und zudem vier vorschulpflichtige Kinder. Da die Frau bis jetzt alles allein gemacht hat und sich nur jetzt, nachdem ein 7. Kind unterwegs ist, eine Hilfe nehmen will, sollte es für das Mädchen, das zum Nachtessen in der Anstalt zurück sein muss, nicht zu viel werden. Sie kam heute jedenfalls ganz begeistert zurück und wir hoffen, dass es weiter gut geht, sodass dann eventuell die Entlassung ins Auge gefasst werden könnte. Hat vorläufig nur Fr. 40.–Lohn.»

      Der Start scheint also geglückt, und einen Monat später entscheidet die Klinikleitung, Lina nach knapp acht Monaten Aufenthalt zu entlassen. «20.11.58 Nachdem es mit der Pat. in der Familie Gauck über einen Monat gut gegangen ist und auch das Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Lina Zingg verständig ist, schreiben wir sie heute ab.» Im abschliessenden Eintrag der Krankenakte wird Lina medikamentenfrei und als «sozial geheilt» entlassen. Diesen Status bekommen jene Patientinnen und Patienten, die gemäss Medizinerhandbuch «arbeitsfähig und angepasst in ihr früheres Milieu zurückkehren» können. Er wird bei Klinikaustritten sehr verbreitet verwendet und spiegelt die passgerechte Entlassungspraxis im Einklang mit Manfred Bleulers Heilungstheorie bei Schizophrenie. Die Entlassenen sollen vor allem arbeiten, schreibt dieser, und propagiert die Vermeidung von Langeweile und die Erziehung zur Arbeit als erfolgreiche Langzeittherapie. Auf dem Deckblatt von Linas Krankenakte steht bei ihrer Entlassung die mit handschriftlichem Schwung in Schwarz hingemalte Diagnose Hebephrenie und Debilität. Sie wirkt wie eine Kalligrafie. Damit ausgerüstet startet Lina in ihr neues Leben. Bei der Familie des Konzertmeisters Gauck mit ihren bald sieben Kindern. Die Frau des Hauses zeigt sich erfreut über die neue Hilfe, die ihr nun täglich unter die Arme greifen wird. Genau so, wie sich dies Vater Zingg für seine Familie auch gewünscht hat.

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