Fall Jeanmaire, Fall Schweiz. Jürg Schoch

Fall Jeanmaire, Fall Schweiz - Jürg Schoch


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war am Tisch von Gnägi und habe ihn richtig zum Lachen gebracht, ich habe Witze erzählt und alles, was man will. Es war ein sehr schöner Tag. Alle waren liebenswürdig mit mir. Ich verdiente auch den Dank der Armee und des Schweizer Volkes, den er mir ausgesprochen hat.3

      Zum Jahresende hin durfte der Demissionär noch manche Zeichen der Wertschätzung entgegennehmen. Die herzlichsten, für militärische Verhältnisse geradezu überschwänglich formulierten Sätze sind im Mitteilungsblatt der Schweizerischen Luftschutz-Offiziersgesellschaft nachzulesen:4 «Es gebührt Ihnen Dank für das, was Sie geleistet haben und Dank dafür, wie Sie es geleistet haben. Ihre Begeisterung wirkt anspornend. Trotz Ihres militärischen Berufes und der formell strengen Hierarchie dringt Ihre Menschlichkeit durch und schafft Vertrauen.» Den Verfasser schmerzte offensichtlich der Abschied von jener Persönlichkeit, die den Luftschutz während Jahren geprägt und dessen Ansehen gehoben hatte: «Ihr persönliches Engagement für Ihre Lebensaufgabe wird es mit sich bringen, dass man Sie auch nach dem Stichdatum vom 31.12.75 weiterhin sehen und hören wird.»

      Brigadier Jeanmaire trat Ende 1975 in den Ruhestand. Bei einem währschaften Nachtessen in Grosshöchstetten wurden seine Verdienste im Kreis der Generalität gewürdigt. Der Geehrte ahnte damals nicht, dass ihn die Bundespolizei bereits seit drei Monaten auf Schritt und Tritt observierte und seine Telefone abhörte.

      Solche Worte schmeichelten dem Brigadier. Aber noch mehr schmeichelte ihm, dass er der obersten Armeeführung offenbar unentbehrlich schien. Denn jener Herr, der im «Sternen» in Grosshöchstetten den Vorsitz des Tisches Nr. 2 innehatte, Divisionär Weidenmann, Chef des Nachrichtendienstes, wandte sich um den Jahreswechsel an ihn mit der Anfrage, ob er bereit wäre, eine Studie über die Zivilverteidigungsmassnahmen in andern Ländern anzufertigen.

      Nichts lieber als das. Bevölkerungsschutz war sein Fachgebiet, da machte ihm keiner etwas vor. Und ein solcher Auftrag würde dem kontaktfreudigen Pensionär erst noch Gelegenheit bieten, seine Beziehungen weiterzupflegen, bei den Leuten zu bleiben, den Blick über die Landesgrenze zu werfen.

      Am 13. Januar 1976 setzte sich P. B.,5 Weidenmanns Adjunkt, mit Jeanmaire telefonisch in Verbindung, um die Einzelheiten des Auftrags zu besprechen: Honorar, Spesen, Befristung, Arbeitsort. Jeanmaire gab sich kulant, man wurde rasch handelseinig. Kurz danach läutete das Telefon erneut bei Jeanmaire. Am Apparat war Verena Ogg.6

      Ogg: Machst Du etwas?

      Jeanmaire: Ich schaffe, ja.

      O: Ich wollte schauen, ob Du «pfusest».

      J: Nein, nein, ich schaffe, ich bin hinter dem Telefon, siehst, nur einmal geläutet.

      O: Das ist wunderbar, das ist in Ordnung.

      J: Ich will heute mein Papier erledigen.

      O: Ja … dann kann man nachher hinter das Andere, gell.

      J: Mhm.

      O: Mhm. Ist es gut gegangen diesen Morgen?

      J: Ja, ich habe sogar den Seppli gesehen.

      O: Welcher Seppli?

      J: Der Seppli F(V)ischer.7

      O: Ah der Seppli Fischer …

      J: Ja, und er hat gesagt: «Was machen Sie da»? hat er mir gesagt, non «que faites-vous là, que faites-vous là».

      O: … hat er gemacht.

      J: Im Treppenhaus und nachher sind wir in den Gang gegangen und er hat noch lange mit mir gesprochen. Und dann habe ich ihm gesagt, ich ginge zum Weidenmann. «Ja ja, er habe scheints etwas für mich», der Herr Weidenmann, etc. und er hat gefunden, ich sähe gut aus und ob es mir gut ginge, und er glaube, mein Nachfolger habe gut begonnen, hat er mir gesagt, und heute Nachmittag habe er Rapport mit ihnen, nicht wahr.

      O: So, ist in Ordnung.

      J: Um 14 Uhr, in 10 Minuten, müssen sie in den Saal rein, nicht wahr.

      O: Das ist in Ordnung, Du.

      J: Voilà,

      O: Er soll sie nur bürsten, «die Sieche».

      J: Mh, «die dumme Cheibe», nicht wahr.

      O: Hahahaha.

      J: «Chüe».

      O: Ist das etwas, das, was der Weidenmann hat?

      J: Ja ja, ich bekomme es schriftlich.

      O: Und würde es Dir passen?

      J: Es würde mir passen. Ich bekomme ein Büro an der Thunstrasse 22.

      O: Ou! das wäre ganz toll.

      M: Das ist gerade bei der Tramhaltestelle Luisenstrasse. Ich bin zu Fuss gegangen, schauen gehen, es ist eine alte Hütte, aber sie haben dort ihren Technischen Dienst.8 […] Also die Bedingungen wären diese: Ungefähre Dauer des Auftrages 6 Monate. 2. 500 Franken pro Monat. 3.

      O: Aber das ist noch schön, das zahlt Dir gerade schön die Reise.

      J: Und nachher die Reisen Lausanne–Bern unbeschränkt bezahlt.

      O: A-a!

      J: Und 4. wenn ich in Bern übernachte 40 Stein.

      O: Das ist aber toll.

      J: Und 5. pro Mahlzeit 20 Franken.

      O: Du, das ist aber grosszügig.

      J: Voilà.

      O: Aber, und es interessiert Dich, der Job an und für sich? […]

      J: Ja, nicht wahr, ich muss prospektieren, einfach ein Inventar machen über die Massnahmen, die getroffen werden, zuerst einmal in allen Staaten, wo wir Vertreter haben […]. Und zweitens, in allen anderen möglichen Staaten – und da habe ich schon wieder Glück gehabt, etwas wahnsinniges, als ich zum Bundeshaus herausgekommen bin, läuft vorbei der Colonel Jacques Frémond.9 Der Jacques Frémond ist bei mir Generalstäbler geworden im Jahre 47 mit dem Zermatten.

      O: Ja.

      J: Ist ehemaliger Regimentsoberst, ist Professor und Direktor der Ecole Internationale Politique in Genf […] und Oberst im Generalstab: «Qu’est-ce que tu fais, mon cher Jean-Louis, j’ai cru que tu étais en retraite. Tu sors du Département Militaire fédéral?» J’ai dit, «oui, je viens de recevoir une nouvelle mission.» Und er ist ja sogar Direktor des Roten Kreuzes gewesen, vor zwei Jahren ausgetreten, ist aber noch im Verwaltungsrat drin, und er hat ja mit der relation internationale saumässig viel Beziehungen. […] Und er hat gesagt: «Je te conseille, 1. (Pause, weil O. rasch weg musste) Und da habe ich gleich auf meiner La Suisse notieren können und jetzt habe ich es bereits hier auf einem Kärtli notiert, die Nr. vom Oberst im Generalstab de Mülinen, der ist im Roten Kreuz und hat Beziehungen mit allen Ländern der Erde.

      O: Das ist natürlich Schwein.

      J: Und kann gerade zu ihm gehen, nachher die zweite Adresse, der Rubli, der ist Arzt in Zürich, ist gegenwärtig in Schuls im Guardaval.10

      O: Hahahahaha.

      J: Und da haben wir gelacht, und er hat mir gesagt, ich soll zum Rubli gehen, der Rubli ist ja in Vietnam gewesen, überall, er hat gesagt, er kennt alle Völker der Erde, der könne mir Adressen und Zeugs und Sachen geben, an wen ich mich wenden kann, nicht wahr. Voilà!

      O: Das ist gut, du, da bin ich also froh für Dich. Weisst, da regst Du Dich nicht auf, Du kannst komplett frei machen.

      J: Keine Beschwerden und nichts […].

      O: Genau, also etwas besseres könnte Dir nicht passieren.

      J: Mhm-mhm, nein.

      O: Das ist fein. Aber bei Dir ist man d’accord daheim?

      J: Ja ja, sehr.

      O: So.

      J:


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