Hüter der Schöpfung. Dr. Stephan Götze

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Zum Autor

       Declaration from October 15th, 2012

       Literatur und Quellen

       Glossar der Lakota-Begriffe

       Stichwortregister

      VORWORT

      Im August 2012 war ich bei einem Leseabend von Ernie LaPointe in Mannheim. Ernie ist der anerkannte Urenkel von Sitting Bull. Wissenschaftlich nachgewiesen wurde dies 1992 durch einen polizeilichen Gentest: Es gab noch zwei Gegenstände aus dem Besitz von Sitting Bull (der 1890 erschossen wurde) – eine Haarlocke und seine Leggings. Der DNA-Abgleich war eindeutig, und „the Policeman had a hard time with that“, berichtete Ernie schmunzelnd.

      Doch wie kam es überhaupt dazu, dass Ernie LaPointe heute als Urenkel des berühmten Indianerhäuptlings auftritt? Für Indianer nämlich sind diese wissenschaftlichen Nachweise für die Abstammung bedeutungslos. Andere Kriterien sind wichtiger und entscheidender – etwa die Erscheinung von spirits, also Geistern. Es mag für uns Europäer erstaunlich klingen und unvorstellbar sein, für Indianer jedoch ist es eine völlig normale Sache, auf die Äußerungen von Geistwesen zu bauen, ihren Erscheinungen zu vertrauen und nach ihren Anweisungen zu handeln. Ich habe das selbst erlebt, und zwar nicht nur einmal. Ernie LaPointe hatte vor einigen Jahrzehnten an einer spirituellen Lakota-Zeremonie teilgenommen, bei der der verstorbene Häuptling Sitting Bull erschien und kundtat, dass ein Verwandter von ihm anwesend sei. Der einzig mögliche Kandidat war – Ernie.

      Das Mannheimer Publikum bei der gut besuchten Veranstaltung im Rahmen des „Indianersommers“ auf der Seebühne im Luisenpark applaudierte Ernie nach seiner Lesung stehend. Jemand aus dem Publikum stellte ihm später die Frage, was denn die Indianer, die doch so gut mit der Natur stünden, zu unseren ökologischen Problemen meinten und wie sie helfen könnten. Dazu wusste Ernie nicht viel zu sagen, außer dass man eben Respekt und Liebe zeigen müsse. Mir allerdings wurde bei dieser Veranstaltung eines klar: „Mein“ Zeitpunkt war da. Es war soweit. Plötzlich dämmerte mir: Nun musste und wollte ich die Aufgabe erfüllen, die ich viele Jahre zuvor gestellt bekommen hatte – nämlich das Wissen und die Weisheit der Lakota auf meine Weise an die Öffentlichkeit zu tragen.

      „You are our communicator“ – „Durch dich sprechen wir“: Mit diesem Satz aus dem Munde von Medizinmann Archie Fire Lame Deer wurde ich vor etwa einem Vierteljahrhundert dazu bestimmt, die Botschaft der nordamerikanischen Lakota-Indianer weiter in die Welt hinauszutragen. Diese Botschaft lautet schlicht: „Berichte, was du selbst erlebt hast, wie dieses Erleben dich verändert hat – und wie du und wir alle damit die Welt verändern können!“

      Die Lakota sind bei uns unter dem Namen Sioux bekannt. Mit ihren Zelten, den Tipis, und ihrem Federschmuck haben sie unser Bild von den Indianern geprägt wie keine andere indianische Nation. Als Einzige haben sie ihre Riten und ihre Spiritualität weitgehend erhalten und bis in unsere moderne und von der Technik so abhängige Zeit bewahrt. Das fasziniert nicht nur uns; es beeindruckt nicht nur ein paar wenige Menschen, sondern mittlerweile viele Millionen auf der ganzen Welt. Auch andere Stämme der nordamerikanischen Indianer, die im Zuge der Unterdrückung und zahlenmäßigen Minimierung ihre Überlieferungen und Gebräuche verloren haben, schlossen sich in den letzten Jahren der Religion der Lakota an.

      Wenn wir also etwas über den Zusammenhang zwischen Mensch und Natur erfahren wollen; wenn wir mehr wissen wollen über die Verbindung von Geist und Materie, von Glauben und Magie; wenn wir uns einer Zeit (wieder) verbunden fühlen möchten, in der Stunde und Tag nicht im Minutentakt mit Uhren gemessen werden und sich die Menschen noch eins mit der Natur fühlen – dann sind die Lakota eine erste Adresse.

      Der „weiße Mann“ ist mit seinen technischen Errungenschaften ursächlich verantwortlich für den Treibhauseffekt. Dieser scheint, während wir einige andere Probleme industriebedingter Umweltverschmutzung zumindest technisch wieder einigermaßen im Griff haben, ein Problem zu sein, das sich wohl nicht so schnell beheben lassen wird. Dass mittlerweile andere Nationen und Kontinente wie Asien und Indien, Südamerika, ja selbst Afrika unseren Lebensstil mit Autos und Flugzeugen, Kühlschrank, TV und Handy als erstrebenswert erachten und ihn im kleinen und großen Stil kopieren, ändert nichts daran, dass – historisch betrachtet – zunächst die Europäer, später dann die Amerikaner den Weg zum Klimawandel ebneten.

      Dem gegenüber steht die Weisheit der Indianer. Wussten sie schon vor beinahe 150 Jahren, was da womöglich auf uns zukommt? „Erst wenn der letzte Baum gerodet und der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ Dieser allseits bekannte Spruch stammt zwar von einem Cree und nicht von einem Lakota. Wir können jedenfalls nur hoffen, dass es nie so weit kommt. Angesichts der ökologischen Probleme auf unserem Planeten – ich denke da vor allem an den Klimawandel und die Ressourcenplünderung – sollten wir von denen lernen, die sich am besten mit der Natur und ihren Kreisläufen auskennen und seit jeher im Einklang mit ihr leben. Das indianische Basiswissen ist für jeden sofort nachvollziehbar, kann in jedes Weltbild integriert werden und helfen, unseren Planeten zu heilen. Man muss lediglich ein paar Grundsteine der indianischen Weltanschauung übernehmen, beispielsweise dass das ganze Universum ein Organismus ist und keine toten Steine, die zufällig in Ellipsen umeinander fliegen.

      Wir sprechen den Indianern oft und berechtigterweise die Kompetenz zu, sich mit der Natur auf ihre Weise bestens auszukennen. Sie haben keine Öko-Katastrophe heraufbeschworen – wohl aber wir, trotz unserer exorbitanten Errungenschaften in Wissenschaft und Technik. Wenn wir davon ausgehen, dass die Lakota den tiefsten Geist der Natur besser verstehen als wir, auf ganz andere Weise als wir mit den vielen Details, die wir mit unseren High-Tech-Geräten zu konstruieren in der Lage sind – dann, ja dann scheint es geboten, sich das Wissen und Handeln dieses Volkes genau anzuschauen. Begleiten Sie mich auf diesem Weg!

      Dr. Stephan Götze,

       Wintershouse/Mannheim, im Herbst 2013

      WIE ALLES BEGANN

      Während im „weißen Amerika“ der Sezessionskrieg (1861–1865) zwischen dem Norden und Süden der Vereinigten Staaten tobte, während die meisten Teile Nordamerikas schon lange erobert und besiedelt waren und die reichen Bodenschätze und Pelztierpopulationen in Kanada längst gieriges Interesse geweckt hatten, lebten die Sioux in der zunächst kaum als interessant betrachteten Prärie von der Lebensweise des „weißen Mannes“ weitgehend unbehelligt. Es war ein relativ friedliches Leben in den Great Plains, einem Gebiet, das sich von Colorado aus über Nebraska, vor allem aber über Süd- und Nord-Dakota bis nach Minnesota und Montana ausdehnt.

      DER GROSSE WENDEPUNKT

      Das Jahr 1877, genauer: der 7. Mai 1877, ist heute noch für unser modernes Leben von entscheidender Bedeutung. Dieser Tag markiert das Ende des freien Indianerlebens und ist – der festen Überzeugung bin ich – der ursprüngliche Beginn all der ökologischen Probleme, mit denen wir aktuell zu kämpfen haben. 1877 waren die anderen Naturvölker schon lange unterworfen. Die Lakota, die zusammen mit den Nakota und Dakota die Grand Sioux Nation bilden, waren die letzten beim Widerstand gegen die neue Welt; sie boten den Besatzern am heftigsten die Stirn. Dieser 7. Mai 1877 ist der Tag, an dem der letzte Häuptling der frei lebenden Lakota-Indianer seine monatelange und entbehrungsreiche Flucht mit einer Gruppe von Männern, Frauen und Kindern abbrach. Seit Langem hatten sie nicht mehr genug zu essen und zu trinken; dem Hungertod wollte Tashunka Witko, der unter seinem englischen Namen Crazy Horse zur Legende wurde, sie nicht ausliefern.

      In Fort Robinson, Nebraska, breitete Crazy Horse an diesem Tag seine


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