Sicher als Frau. Kompakt-Ratgeber. Barbara Reik
indem der Herzschlag und der Blutdruck erhöht werden. Im anderen Fall fährt das ganze System herunter, die Atmung wird flach und der Blutdruck sinkt ab, wenn der Körper auf diese Weise in den »Totstell-Modus« gebracht werden soll. Das Totstellen bringt uns für unser heutiges Leben nicht viel. Nicht mal mehr dem Igel, der diese Praxis perfektioniert hat, indem er sich bei Gefahr zusammenrollt und den Angreifer mit seinen Stacheln sticht – aber mit dieser Aktion leider keinen Autoreifen davon abhalten kann, ihn zu überrollen.
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WAS ANGST TUT …
Wenn es uns nicht gelingt, aus diesem Alarmzustand herauszukommen, ergreift das Gehirn Anpassungsmaßnahmen, wie z. B. eine eingeengte Wahrnehmung, um uns vor weiteren Reizen zu schützen. Oder das Gehirn schottet die Angstgefühle ab, sodass diese nicht mehr bewusst wahrgenommen werden können. Beide Maßnahmen führen jedoch dazu, dass die Bereitschaft, auf angstauslö-sende Reize zu reagieren, erhöht wird. Die Angst ist somit im Körper gespeichert und verändert unbewusst unser Verhalten.
Hat man sich dann in Sicherheit gebracht, und das limbische System erkennt, dass die Gefahr vorbei ist, dann beruhigt es sich, und alle Körpersysteme erhalten das Signal, in den »Normalzustand« zurückzukehren. Wir Menschen müssen jedoch oft Ängste ausstehen, ohne die Möglichkeit zu haben, davonzulaufen oder uns tot zu stellen. Das führt dazu, dass das limbische System den Körper in einen Daueralarmzustand versetzt. Dann kann sich die Angst verselbstständigen und ohne aktuell realen Grund weiterhin vorhanden sein. Gleichzeitig können dann auch verschiedene Regulationssysteme, wie eben der Blutdruck, dauerhaft aktiviert sein.
»Angst essen Seele auf …«
… heißt der wohl bekannteste Film von Rainer Werner Fassbinder. Lassen wir es nicht so weit kommen, denn Angst ist keine Schwäche – nur zu viel Angst macht schwach! Da wir nun wissen, wofür sie gut ist und weshalb sie uns schaden kann, schauen wir unsere eigene Angst einmal an. Ist es die Angst vor etwas Unbekanntem, oder habe ich Angst vor etwas, das ich kenne und wovor ich mich konkret fürchte, weil ich die Auswirkungen auf mein ganz individuelles Leben kenne?
Angst vor dem großen Unbekannten
Von dieser Angst höre ich vor allem in meinen Abendkursen. Verunsichert durch Presseberichte, Erzählungen von Bekannten und mangelnder Selbstsicherheit, läuft bei vielen Frauen täglich ein energiefressendes Kopfkino ab. Sie stellen sich vor, wo, was und wie es passieren könnte. Tatorte für angsteinflößende Situationen wie gewalttätige Übergriffe gibt es viele: im Parkhaus, auf der Straße, im Park, in einer Seitengasse, auf einem dunklen Parkplatz … Und sicher fallen Ihnen im Augenblick noch viele andere »gefährliche« Orte ein. Je länger Sie darüber nachdenken, desto mehr werden es. Wenn Sie dann noch die Art und Weise eines möglichen Angriffs bedenken, dann kann dies bereits zu Schweißausbrüchen, Zittern, Schlafstörungen und vielen anderen Unpässlichkeiten führen. Sie merken, wie sehr schon allein diese Gedanken an Ihrer Kraft zehren. Ohne, dass Ihnen wirklich etwas passiert ist. Vielleicht möchten Sie aus lauter Angst eines Tages gar nicht mehr aus dem Haus gehen und verzichten auf alles, was man so gemeinhin »Lebensfreude« nennt.
Begleiten Sie mich nun auf einem anderen Weg zum gleichen Kopfkino. Sie stellen sich vor, wo Sie gerne wären, in welchem Park es Ihnen besonders gut gefällt, was für ein Traumauto Sie auf einem Parkplatz abstellen möchten, in welcher engen Gasse Sie ein ganz entzückendes kleines Geschäft mit lauter Lieblingssachen finden könnten und in welcher sternenklaren Nacht Sie mal ein besonders kuscheliges Erlebnis mit einem Freund hatten …
Und wie geht es Ihnen jetzt? Zehren diese Gedanken auch an Ihrer Kraft? Sicher nicht.
Sie sehen, ein Großteil Ihrer Angst spielt sich in Ihrem Kopf ab, nur weil etwas sein könnte, das nicht sein muss. Und von diesem »Vielleicht« lassen Sie sich bitte nicht mehr kaputt machen. Gehen Sie wachsam durch Ihr Leben, und bereiten Sie sich aus der Distanz heraus auf Unangenehmes vor. Verabreden Sie sich mit einer Freundin, wenn Sie sich allein unsicher fühlen, achten Sie auf die Passanten, die Ihnen begegnen. Lassen Sie sich bei der Polizei beraten, wo es in Ihrer Stadt am sichersten ist. Erstellen Sie sich Ihr persönliches Sicherheits-Programm: mithilfe dieses Ratgebers, mit Übungen, mit Checklisten und Telefonnummern. Oder holen Sie sich professionelle Hilfe.
Wenn es schon einmal passiert ist …
… dann ist Ihre Angst sehr real, denn dann wissen Sie, was auf Sie zukommen kann. Was passiert ist, hat schlimme Auswirkungen hinterlassen. Nun lauert keine diffuse Vorstellung in der Dunkelheit, sondern das Wissen um die Realität – um das, was kommen kann. Diese Angst lähmt oder macht aggressiv. Das ist schlimm.
Denn Sie wurden aus Ihrer Sicherheit, aus Ihrem Vertrauen ins Leben gerissen!
Wichtig ist, es geschah! Die Tat liegt in der Vergangenheit! Sie darf keinen derart belastenden Einfluss mehr auf Ihr heutiges Denken und Fühlen haben! Lassen Sie diese alte Geschichte los. Sie müssen sie nicht mit sich herumtragen und sich damit belasten. Sicher haben Sie sich mit dem Geschehen bereits auseinandergesetzt – wenn nicht, wird es höchste Zeit dafür.
Zum Glück gibt es mehrere Möglichkeiten, aus dieser Angst herauszukommen. Ganz wichtig: Nehmen Sie Hilfe an!
Von Seite 110 bis Seite 117 finden Sie eine Auswahl an Möglichkeiten und Kontaktadressen.
Denken Sie daran: Es ist nie zu spät, sich helfen zu lassen. Egal, wie lange der Übergriff her ist. Egal, wie lange Sie schon unter Angstzuständen leiden, egal, wie sehr Sie sich verändert haben: Es gibt einen Weg zurück ins Leben, ein Leben in Freude und Vertrauen. Das können Sie mir getrost glauben. Denn auch ich habe ihn gefunden und bin ihn gegangen. Also: Beginnen Sie noch heute, Ihre Festplatte zu löschen.
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EIN DANK AN DIE ANGST …
Gut, dass es so ein ausgeklügeltes Frühwarnsystem wie die Angst gibt. Ein System, das uns auf mögliche Unbill aufmerksam macht. Damit wir dieses zu unserer Sicherheit einsetzen können, trainieren wir unser Selbstbewusstsein und unser Körpergefühl, um dann sicher zu spüren: Hier fühle ich mich unwohl, oder dieser Mensch berührt mich unangenehm. Nun sind wir selbstbewusst genug, um wegzugehen und diesen Menschen einfach stehen zu lassen.
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