Qualität in Pfarreien. Thomas Wienhardt
und anderseits die Einzelkirchen nur in der kommunikativen (d. h. letztlich in Glaubens- und Eucharistiegemeinschaft miteinander stehenden) Einheit aller Kirchen ihr eigenes Kirche-sein verwirklichen.“118
Den Ortskirchen kommt es also als Aufgabe zu, Glaube vor Ort inkulturiert zu leben und die Grundvollzüge mit dem Leben der Menschen zu verbinden. Das differenziert die Ortskirchen. Zugleich müssen die Ortskirchen immer auch den Blick auf die Gesamtkirche, auf die größere Einheit gerichtet halten, auf das verbindende Miteinander.119
Gemeinde - Kirche lokal
Kirche ist Zeichen und Werkzeug. Kirche lebt in und aus ihren kleineren Einheiten und existiert nicht nur als große Einheit. Also müssen auch die kleinen Einheiten Zeichen und Werkzeug sein.
„Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen. Sie sind nämlich je an ihrem Ort, im Heiligen Geist und mit großer Zuversicht (vgl. 1 Thess 1,5), das von Gott gerufene neue Volk. In ihnen werden durch die Verkündigung der Frohbotschaft Christi die Gläubigen versammelt, in ihnen wird das Mysterium des Herrenmahls begangen, ‘auf daß durch Speise und Blut des Herrn die ganze Bruderschaft verbunden werde’. In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener ‘Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann’. In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird.“ (LG 26)
Gemeinde lebt aus den Grundvollzügen kirchlichen Handelns.120 Die Gemeinden vor Ort, in denen die Grundvollzüge von Kirche präsent sind, sind also auch Kirche.121 Sie sind eine Form, mit der sich Kirche in der Geschichte verwirklicht.122 Die Pfarrei ist die kirchenrechtliche Struktur der Ortsgemeinde. Mit dieser Größe ist erst einmal eine Einheit definiert, die Kirche vor Ort deutlich und präsent macht. Sie umfasst ein bestimmtes Territorium oder eine bestimmte Personengruppe (Personalpfarrei), dessen bzw. deren Leitung durch einen Pfarrer wahrgenommen wird. Die Kirche wird so in einem Raum ansprechbar und wahrnehmbar. Sie hat einen konkreten Ort, an dem sie sich versammelt. Hier wird der christliche Glaube im Rahmen lokaler Kultur und Tradition gelebt. Hier wird in den sozialen Raum hinein interagiert. Gemeinde wird als Pfarrei und damit als Institution greifbar. Was für die Gesamtkirche gilt, gilt auch hier. Hier sind die Grundvollzüge zu finden: durch die Taufe haben die Gläubigen Anteil am Volk Gottes und werden Teil der größeren Gemeinschaft. Sie selbst sind Beteiligte. Eine Pfarrei ist Communio, weil sie eine Gemeinschaft von Glaubenden darstellt, die in Beziehung zu Gott stehen. Hier findet Sammlung statt, aber auch Sendung, damit Kirche heute ihren Auftrag erfüllt.123
„Das Ziel der Grundsendung der Kirche im Ganzen und konkret der Ortsgemeinden liegt im Heil der Menschen.“124
Das Tun der Kirche vor Ort in den Gemeinden zielt wie die Kirche gesamt auf das Heil der Menschen.125 Dabei bezieht sich Heil auf den ganzen Menschen, also sowohl auf Seele wie auch den Leib, und bezieht die soziale Dimension mit ein. Alle Getauften sind in diese Sendung eingebunden.126
Das Konzil hat den Blick auf die Ortskirche wieder geöffnet und damit den Blick auch auf die Gemeinden gerichtet. Damit kommen Basisgemeinden, Personalgemeinden oder andere Gemeinschaften in den Blick. Insbesondere die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren hat sich damit beschäftigt.
„Denn der einzelne Christ ist heute mehr als in früheren Zeiten darauf angewiesen, in seinem Glauben durch andere mitgetragen und bestärkt zu werden, wie er umgekehrt nur durch aktive Teilnahme am Leben einer Gemeinde zu einem reifen persönlichen Glauben kommen mag. Die Synode geht deshalb von der Erwartung aus, dass die Bildung und Erneuerung lebendiger Gemeinden eine der wichtigsten Aufgaben und Ziele der kirchlichen Reformbemühungen ist.“127
Mit Kasper geht die Gemeinsame Synode von dieser Voraussetzung aus und versucht darauf aufbauend eine Definition von „Gemeinde“:
„Die Gemeinde ist an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines bestimmten Personenkreises die durch Wort und Sakrament begründete, durch den Dienst des Amtes geeinte und geleitete, zur Verherrlichung Gottes und zum Dienst an den Menschen berufene Gemeinschaft derer, die in Einheit mit der Gesamtkirche an Jesus Christus glauben und das durch ihn geschenkte Heil bezeugen.“128
Kasper macht folgende Strukturelemente129 aus:
1. Basis der Gemeinde sind „Wort und Sakrament“130, insbesondere die Eucharistiefeier.
2. Ziel der Gemeinde: „Verherrlichung Gottes“ und „Dienst an den Menschen“.
„Zur christlichen Gemeinde gehört deshalb die Spannung zwischen Sammlung und Sendung, Aktion und Kontemplation, Offenheit und Eindeutigkeit.“131
3. Gemeinde lebt aus der „Einheit und Vielfalt aller Charismen, Dienste und Ämter“132. Dazu gehört die gegenseitige Achtung und Kooperation.
4. Das Amt steht der Gemeinde einerseits gegenüber, andererseits steht es in deren Dienst. Es muss also mit den anderen Diensten kooperieren und diese zur deren Aufgabe befähigen.133
5. Eine Gemeinde ist verortet in der Universalkirche und im Bistum und besteht darüber hinaus selbst aus Untergliederungen in Form von Gemeinschaften im Raum der Gemeinde.134
Lehmann verweist darauf, dass mit dem Begriffswechsel von Pfarrei zu Gemeinde manche Bilder von lokaler Kirche verändert wurden. Demnach wird statt einer territorialen Verwaltungseinheit der freie Zusammenschluss von Personen betont, die sich aufgrund ihres Glaubens versammeln. Damit wird Kirche in der Gemeinde vor Ort konkret greifbar als Lebensraum, in dem Personen wichtig sind und der eine Funktion für das eigene Leben wie auch im Rahmen des Sozialraums erfüllt. Statt einer starren Verwaltung wird eine lebendige Gemeinschaft beschrieben, die situativ agiert und erfahren wird. Gemeinde betont außerdem die grundlegende Gleichheit der Getauften.135
Zum soziologischen Verständnis von Gemeinde gehört mit Lehmann ein gewisser Ortsbezug und dauerhafte soziale Beziehungen. Außerdem wird damit zu rechnen sein, dass mehrere Generationen Zusammenleben. Das theologische Verständnis diesem Begriff sehr nahe, hat aber die zentrale Differenz, dass sich Gemeinde im Bekenntnis zu Jesus Christus versammelt. Ihr geht es zum einen um die Sammlung von Menschen (egal welcher Nationalität, welchen Milieus usw.) und um die Sendung, die den Heilswillen Gottes, der sich an alle Menschen richtet, weiter umsetzt bzw. voranbringt.
„Die Konstituierung der christlichen Gemeinde