Qualität in Pfarreien. Thomas Wienhardt
ecclesiarum’ eine Möglichkeit eröffnet, um die vom Geist geschenkte Einheit auch auf der Ebene der gesellschaftlichen Vielheit von kirchlichen Gemeinschaften zu realisieren.“76
Die katholische Kirche hat von Anfang an über formalisierte Elemente (z. B. Taufe, Eucharistie, Glaubensbekenntnis, Ämter, Synode) verfügt, mit denen sie ihre Identität und damit ihr Sein durch die Zeit hindurch deutlich machen konnte. Daraus erwächst eine Einheit. Der Geist wirkt durch solche formalisierten Strukturen, die der Einheit dienen sollen. Auch durch Charismen wirkt der Geist, deren Vielfalt einen gemeinsamen Raum bzw. Rahmen in der Kirche brauchen. Institutionelles wie Charismen können sich gegenseitig korrigieren und so den Blick auf geistreiches, heilvolles Handeln als Kirche öffnen. Die übergeordneten Institutionen ermöglichen dabei die größere Einheit. Gerade Formalisierungen haben dabei die Chance, gemeinsame Räume abzustecken, in denen ein gemeinsames Agieren möglich wird. Zugleich braucht auch die Institution Menschen mit Charisma, d. h. Begabungen, diedem Grundanliegen heute Wirkkraft verleihen.77
Heiligkeit
Die Kirche an sich besteht aus sündigen Menschen. Aber Gottes Liebe kommt durch die Kirche zum Ausdruck, besonders in den Sakramenten und hier besonders in der Eucharistie. Die Kirche hat auf diese Weise Anteil an der Heiligkeit Gottes.78
„Im Empfang dieser ‘heiligen Gaben’ konstituiert sich die Kirche als ‘Gemeinschaft der Heiligen’, als ‘Communio Sanctorum’.“79
Gemeint ist dies in Form einer Teilhabe an den Sakramenten und damit am Leib Christi. Oder anders gesagt, ist damit die „Teilhabe am Heiligen“80 gemeint, das insbesondere in den ,,‘sancta’, den heiligen Zeichen der eucharistischen Mahlgemeinschaft“81, präsent wird. Gott ist die Quelle des Heiligen. Daraus bildet sich die Gemeinschaft der Geheiligten, die aber zu einem entsprechenden Leben herausgefordert sind, wodurch die „sancta“ erst ihre Wirkung entfalten.82 Mit diesem Verständnis verbindet sich noch eine eschatologische Bedeutungsebene, indem nicht nur die lebenden Gläubigen gemeint sind, sondern auch die bereits „Vollendeten“.83
Zugleich gilt, dass Kirche durch Menschen geprägt wird und so immer der Sünde ausgesetzt ist. Entgegen dem Wunsch, die Heiligkeit im Handeln spürbar zu machen, zeigt sich stattdessen die Fehlbarkeit. Kirche erreicht nie von sich aus die endgültige Heiligkeit, um die sie sich immer wieder neu bemühen muss und wozu das Leben stets herausfordert. Kirche ist also „ecclesia semper reformanda“.84
„Z. B. manifestiert sich diese ‘strukturelle Sündigkeit’ der Kirche dann, wenn eine allgemeine Mittelmäßigkeit und Sattheitjeden radikalen, an die Wurzel der glaubenden Existenz gehenden Anruf des Evangeliums für immer mehr Gläubige fast a priori abfängt; oder wenn sich eine Kirche bzw. eine Gemeinde so sehr in einem binnenkirchlichen ‘Milieu’ einschließt und dabei in einer institutionellen Selbstgenügsamkeit aufgeht, daß sie nicht mehr wirklich offen ist für die realen Nöte der Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche (…).“85
So spricht auch das II. Vatikanische Konzil davon, dass die Kirche sündhaft ist und stets der Reinigung bedarf (LG 8). Das Wirken der Kirche kann ihre Heiligkeit verdecken und doch bleibt die Kirche das Volk Gottes, denn der Kern der Kirche ist ein heiliger. Auf das Wirken des Geistes sollte darum geachtet werden, um wieder auf die Spur des Heiligen zu kommen.86 Mit Siebenrock ist Heiligkeit unter dem konziliaren Verständnis von katholisch zu verstehen, demnach es Heiligkeit auch außerhalb der Kirche geben kann, wenn Menschen vom Geist Christi erfüllt handeln.87
Katholizität
Mit „katholisch“ im ursprünglichen Sinn ist die universale Kirche gemeint. Gott will das Heil der ganzen Schöpfung zukommen lassen;
„dazu dient ihm das (empirisch so partikuläre) Volk Gottes, (…) das schließlich in seiner universal-sakramentalen Präsenz überall anzutreffen ist, wo Menschen sich vom Geist der Liebe Gottes erfüllen lassen (…).“88
„Katholisch“ enthält demnach auch die Aufgabe, dass die Botschaft des Glaubens eine universelle Zugänglichkeit bei den Menschen erreicht. „Katholisch“ ist ein Auftrag.
Die Katholizität „ist damit jenes opus hominum, das im tripolaren Spannungsfeld zwischen göttlicher Forderung, menschlichem Versagen und göttlicher Versöhnung und Beistandsverheißung je geschichtlich neu zu gewinnen ist.“89
Die universale Kirche subsistiert laut Konzil in der katholischen Kirche, die institutioneil und sakramental in Kontinuität zur Urkirche steht (LG 8).
Nach Kehl wird die universale Kirche in Form konzentrischer Kreise gedacht, die nach außen hin einen abnehmenden Bezug zur sichtbaren Institution Kirche haben. Im Zentrum zieht letztlich Christus alles an sich und will zum Heil führen.90
Wenn Menschen den Glauben bzw. seine Grundanliegen wirklich leben, wird die universale Kirche sichtbar (Werkzeugcharakter), die größer als die sichtbare katholische Kirche zu denken ist. Dagegen kann es im Extremfall sein, dass sich die institutioneil sichtbare Kirche rein auf äußere Zeichenhaftigkeit beschränkt, weil die Mitglieder den Glauben nicht wirklich leben. Das Zeichen ist trotzdem gegeben, muss sich aber nicht zwingend im Handeln zeigen.
„Während bei der universalen Kirche die Werkzeugfunktion direkt und unmittelbar ist und die Zeichenfunktion ambivalent bleibt, ist dies bei der institutionellen Kirche gerade umgekehrt. Durch ihre institutionelle Verfasstheit und durch die ausdrückliche Verkündigung der biblischen Botschaft und Jesu Christi sowie durch die liturgische Feier der Sakramente besteht das spezifische sakramententheologische Merkmal der institutionellen Kirche gerade in der eindeutigen sakramentalen Zeichenhaftigkeit (signum). Hingegen ist die Werkzeugfunktion hier nur mittelbar, nämlich gebunden an ihre Zeichenhaftigkeit und abhängig davon, ob ihre Mitglieder auf allen Ebenen den Glauben nicht nur bekennen und verkünden (Orthodoxie), sondern auch tatkräftig leben (Orthopraxie).“91
Als „Gemeinschaft der Glaubenden“ braucht die Institution Kirche also auch „orthopraktisch Glaubende“, damit sich ihre Werkzeugfunktion ausprägt.92
Apostolizität
Kirche muss sich immer wieder neu in die Zeit hinein aktualisieren, sie bekommt ihre Identität erst im Bezug zum Ursprung, zu Christus. Darum muss Kirche an der Tradition anknüpfen, die von den Aposteln her kommt. Sie muss auf diese Weise den Kern ihres Glaubens bewahren, der über die Zeit hinweg nicht verloren gehen darf.93 Natürlich muss der Glaube im Heute neu verstanden und damit auch interpretiert werden. Glaube trifft hier auf andere Zusammenhänge, eine gewisse „Übersetzungsleistung“ ist notwendig.