Eine Zukunft für meine Kinder. Pacem Kawonga
oder irgendetwas zu erklären.
Ich reagierte nicht, ich wehrte mich nicht. Ich nahm es hin.
Wir zogen einige Blocks weiter in ein großes Haus, das im selben Bezirk lag.
Wir lebten mit seinen drei Kindern aus erster Ehe, mit seiner Schwägerin, die sich um ihre Nichten und Neffen kümmerte, seinen beiden jüngsten Brüdern, seiner Schwester und einigen Cousinen und Cousins zusammen. Mit mir und Maupo waren wir zwölf.
Ich fühlte mich verloren, im Stich gelassen. Aber ich hatte keine Wahl. Was konnte ich schon tun ? Ich war allein und hatte ein kleines Kind. Wenn ich fortgegangen wäre und meinen Mann verlassen hätte, hätte ich auf niemanden zählen können. Ich hätte aufs Geratewohl losziehen und mir einen Mann suchen müssen, der bereit gewesen wäre, sich um mich und Maupo zu kümmern. Um was zu erreichen ? Zu welchem Zweck ? Wahrscheinlich hätte er ein Kind von mir haben wollen, und ich hätte mich wieder an demselben Punkt, in exakt derselben Situation befunden, der ich vermeintlich entronnen war. Und dann hätte ich wieder fortgehen und mir wieder einen anderen Mann suchen müssen, und womöglich wäre diese Irrfahrt mein ganzes Leben lang so weitergegangen. Das war nicht die Zukunft, die ich mir vorgestellt hatte. Ich wollte doch nur Stabilität, Frieden. Ich biss die Zähne zusammen, versuchte mit aller Kraft, durchzuhalten. Wieder und wieder sagte ich mir, dass James sich ändern, dass er wieder der werden würde, der er gewesen war : der Mann, in den ich mich verliebt hatte.
Seine Brüder und seine Schwester, die noch zu jung waren, um alleine zu leben und auf eigenen Füßen zu stehen, waren grob und unerzogen und respektierten mich nicht im Geringsten. Nie bezogen sie mich mit ein, und sie sprachen nur das Allernotwendigste mit mir. Jedes Mal, wenn ich sie beim Wasserholen oder Feuermachen um Hilfe bat, erhielt ich eine Abfuhr. Also gab ich es auf und bemühte mich, das Haus auf Vordermann zu bringen. Ich konnte nicht anders, obwohl es nicht mein Zuhause war und sich für mich auch nicht so anfühlte. Ich hatte niemanden, bei dem ich mich aussprechen und mit dem ich meine Gedanken und Gefühle hätte teilen können. Manchmal, wenn ich ein wenig Zeit übrig hatte, unterhielt ich mich ein bisschen mit den Nachbarn, aber ich vertraute mich ihnen nicht an. Ich fragte mich, was sie wohl von mir denken, was James und seine Verwandten ihnen erzählt haben mochten. Meine Brüder sah ich selten, und wenn, dann blieben unsere Gespräche an der Oberfläche : Ich erzählte ihnen nicht, wie die Dinge in Mponela wirklich standen. Sie hatten mich gewarnt, und ich hatte meinen Kopf durchgesetzt. Jetzt musste ich für meine Fehler bezahlen. Wenn ich an jene Jahre zurückdenke, erinnere ich mich vor allem an die große Traurigkeit, die mich in den Momenten der Einsamkeit überkam. Mein einziger Trost war Maupo, der zu einem hübschen und kräftigen Jungen heranwuchs. Er war meine Hoffnung und meine Kraft.
Eines Abends kam James wieder betrunken nach Hause und schlug mich ohne Grund. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der letzte, der entscheidende Tropfen. »Es reicht«, sagte ich mir. »Ich halte es nicht mehr aus. Ich gehe fort.« Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen, band mir meinen Sohn auf den Rücken und machte mich auf den Weg nach Lilongwe zu meinem älteren Bruder.
Ich ging nicht ins Detail, ich erzählte ihm nicht, dass James mich schlug und all das. Ich sagte nur, dass ich eine Weile bei ihm bleiben wolle, dass ich Abstand bräuchte von der Familie meines Mannes. Ich bat ihn um Verzeihung für all die Sorgen und Probleme, die ich ihm bereitet hatte, und vor allem dafür, dass ich seinem Rat nicht gefolgt war. Er war verärgert und billigte mein Verhalten nicht, doch er nahm mich auf in sein Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern bewohnte. Es war ein kleiner, bescheidener Bau mit nur einem Schlafzimmer. Maupo und ich mussten uns mit dem Gemeinschaftsraum begnügen, der an Regentagen als Esszimmer diente.
Während meines ganzen Aufenthalts dort brachte ich es nicht über mich, meinem Bruder alles zu erzählen und ihm zu sagen, wie es mir wirklich ging. Ich arbeitete nicht und verbrachte viel Zeit alleine. Es gab nicht viel zu essen, und es war nun einmal nicht mein Leben. Nach etwa einem Monat fasste ich einen Entschluss, ich sagte zu meinem Bruder : »Ich gehe zurück zu meinem Mann.«
Er antwortete nicht. Er widersprach nicht. Ich packte meine wenigen Habseligkeiten und machte mich auf den Weg – in der Hoffnung, dass er sich verändert, dass mein Weggang etwas genutzt hatte. Ich betete : »Mach, dass er wieder der ist, der er früher war.«
Es ging weiter, wie es aufgehört hatte. Ich wurde schwanger.
Während der Schwangerschaft tat ich alles, was ich konnte, um das Leben zu schützen, das in mir heranwuchs, und ging regelmäßig zum besten Antenatal Care der Region in Mtenga Wa Ntengha. Ein Antenatal Care ist eine medizinische Station, die sich auf die Schwangerschaftsbetreuung spezialisiert hat und sich bis zur Geburt um schwangere Frauen kümmert. Diese Stationen sind im ganzen Land verbreitet. Es handelt sich um eine öffentliche Dienstleistung, die vollkommen kostenlos ist. Die in Mtenga Wa Ntengha war die beste. Die Ärzte maßen meine Größe und mein Gewicht und verschrieben Medikamente, wenn es nötig war. Sie rieten mir, ein Eisenpräparat gegen die Blutarmut zu nehmen, die infolge der Ernährungslage und der Malaria in Malawi weit verbreitet ist. Außerdem gaben sie mir Tipps für die Hygiene und Lebensweise. Eine Schwester riet mir, zum VCT zu gehen und den HIV-Test machen zu lassen, und sie sprach mit mir über Aids. Die Untersuchung war noch nicht obligatorisch, das wurde sie erst einige Jahre später, aber sie war gratis und wurde nachdrücklich empfohlen.
Ich sprach mit James darüber, und er antwortete : »Damit bin ich nicht einverstanden.« Ich insistierte, doch er wollte nichts davon wissen. Er sagte, es gebe keinen Grund zur Sorge, ich solle ihm vertrauen, und seine erste Frau sei an einer Lungenerkrankung gestorben, die nichts mit Aids zu tun gehabt habe.
Das überzeugte mich nicht, ich machte mir Sorgen. Immer wieder musste ich an den Tratsch und die Gerüchte denken, dass er zu anderen Frauen ging. Hinzu kam, dass er sich in letzter Zeit zunehmend schlecht fühlte. Er schluckte ein Paracetamol pro Tag und hustete ständig.
»Keine Sorge«, sagte er dann, »das sind noch die Nachwirkungen der Tuberkulose.«
Im Oktober 2004 kam meine zweite Tochter zur Welt, Melinda, während mein Mann Blut und Schleim aushustete.
»Das reicht«, dachte ich bei mir, »wir dürfen nicht länger warten, wir müssen den Test machen.« Wenn er nicht dazu bereit war, würde ich es eben alleine machen, heimlich. Und wenn ich das Ergebnis hatte, würde ich entsprechend reagieren. Wir waren für unsere Familie verantwortlich, für Maupo und für die kleine Melinda. Wir konnten nicht einfach so tun, als ob nichts wäre.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.