Kaufmann/Kauffrau im Gesundheitswesen. Jochen Gürtler

Kaufmann/Kauffrau im Gesundheitswesen - Jochen Gürtler


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      Herr Z., 57 Jahre alt, betrieb einen Kiosk. Die Lage seines Kleinunternehmens wurde zunehmend prekär, zudem belasteten Herrn Z. die steigenden Beiträge zu seiner privaten Vollversicherung. Er wurde zahlungsunfähig und schied aus der PKV aus. Da er mit 57 Jahren nicht mehr in die GKV aufgenommen werden kann, ist er nunmehr im Basistarif versichert.

      Konsequenzen aus dem Standard- bzw. Basistarif ergeben sich für niedergelassene Ärzte. Haben sie die Kassenzulassung, d. h. dürfen sie gesetzlich Versicherte behandeln, so haben sie automatisch auch den sogenannten Sicherstellungsauftrag für Basis- und Standardtarifversicherte. Für Versicherte im Basis- bzw. Standardtarif ist die Arztvergütung niedriger als für Privatpatienten im Normaltarif (image Kap. IV 2.7.2).

      PKV-Unternehmen bieten für die unter 3.2. und 3.3 genannten Personen Krankheits-Vollversicherungen an. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf alle Versorgungsbereiche des Gesundheitswesens. Viele Privatversicherte im Normaltarif wählen Versicherungsverträge, die ihnen zusätzlich die Übernahme von Mehrkosten für Chefarztbehandlung und Ein- oder Zweibett-Zimmer garantieren. Die Abrechnung solcher Leistungen erfolgt gesondert neben der eigentlichen Krankenhausleistung mit dem Patienten selbst (image Kap. IV 3.9).

      Für Chefarztbehandlung und Ein- oder Zweibettzimmer bietet die PKV auch Teil- bzw. Zusatzversicherungen für gesetzlich Krankenversicherte an. Schließt ein Versicherter der GKV privat solche zusätzlichen Versicherungsverträge ab, so gelten für ihn dieselben Bedingungen wie im Kapitel II 3.1 beschrieben. Seine Prämie ist risikoabhängig, sie steigt mit dem Alter bei Vertragsabschluss an. Mit dem Zusatzversicherten wird ebenso wie mit dem privat Vollversicherten gesondert abgerechnet.

      Neben den Policen für Chefarztbehandlung und Ein- oder Zweibettzimmer bietet die PKV zahlreiche weitere Zusatzversicherungen an. Wer z. B. eine über die Leistungen der GKV hinausgehende Versorgung mit Zahnersatz oder Brillen möchte, wer sich von Heilpraktikern behandeln lassen will, kann sich privat versichern.

      Gesetzliche Krankenkassen können in ihrer Satzung vorsehen, dass sie ihren Versicherten günstige Verträge für Zusatzversicherungen mit PKV-Unternehmen vermitteln. Die Krankenkassen handeln mit dem PKV-Unternehmen die Prämien für Teilversicherungen z. B. für Zahnersatz aus. Da sie für eine große Anzahl von Versicherten stehen, bringen sie viele potentielle Kunden für die PKV mit und können deshalb Mengenrabatte erhalten. Allerdings haben die Kassen nur die Funktion eines Vermittlers. Kommt es zum Abschluss einer Police für Zusatzleistungen, so sind der einzelne Versicherte und die PKV die Vertragspartner.

      Aufgabe 1

      a) Erklären Sie, warum die Prämie in der privaten Krankenversicherung mit dem Eintrittsalter ansteigt.

      b) Anders als die GKV ist die PKV von der Lage am Kapitalmarkt abhängig. Bitte erklären Sie den Grund.

      Aufgabe 2

      Von Krankenversicherungsexperten ist gelegentlich die Meinung zu hören, die Altersrückstellungen der PKV seien dem Umlageverfahren der GKV in demografischer Hinsicht überlegen. Wie ist das zu verstehen?

      Aufgabe 3

      Bitte erklären Sie, was unter dem Äquivalenzprinzip zu verstehen ist.

      Aufgabe 4

      Herr G. ist als Polizist Beamter und hat eine private Krankheitskostenvollversicherung. Er verdient pro Monat 1934 €. Seine Frau arbeitet als Angestellte in einem Unternehmen; ihr Monatsbrutto beträgt 2135 €. Sie ist Mitglied einer Ersatzkasse. Das Paar hat ein Kind. Kann das Kind beitragsfrei bei seiner Mutter mitversichert sein?

      Die Krankenversicherung übernimmt die mit der Erkrankung direkt einhergehenden Risiken, also die Kosten der medizinischen Behandlung und den Verdienstausfall durch Krankheit nach der Entgeltfortzahlung. Erkrankung oder Behinderung kann aber auch mit weiteren Risiken verbunden sein, die von der Krankenversicherung nicht (bzw. nur in geringem Umfang) getragen werden, dem Risiko, aufgrund von eingeschränkter Selbstständigkeit und beeinträchtigter Fähigkeiten der Hilfe anderer zu bedürfen. Dies kann z. B. bei körperlichen Erkrankungen dazu führen, sich bei der Hygiene, der Fortbewegung nicht mehr allein zurechtzufinden. Bei psychischen Erkrankungen, vor allem Demenz, können sich davon Betroffene nicht mehr räumlich und zeitlich orientieren, um nur einige Beispiele zu nennen. Eben diese Risiken werden von der Sozialen Pflegeversicherung, dem jüngsten, 1995 eingeführten Zweig der Sozialversicherung abgedeckt.

      Der Hauptgrund für die Einführung der Pflegeversicherung war dieses Defizit in der Risikoabdeckung, das auch dazu führte, dass Pflegeeinrichtungen nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren. Pflegebedürftige Menschen in Altenheimen waren vor der Einführung der Pflegeversicherung auf Sozialhilfe angewiesen, wenn ihr eigenes Einkommen nicht ausreichte, das Heim zu bezahlen. Sozialhilfe ist eine subsidiäre Leistung, die aus Steuern finanziert wird und von den Städten und Gemeinden getragen wird. Die auch schon in den 80er- und 90er-Jahren spürbare Alterung der Bevölkerung brachte eine zunehmende Belastung der Kommunen durch Sozialhilfe mit sich; die Pflegeversicherung sollte denn auch zur Entlastung der Städte und Gemeinden beitragen. Hinzu kam die sogenannte Fehlbelegung von Krankenhausbetten mit pflegebedürftigen Menschen. Alte Patienten, die der Krankenhausbehandlung nicht mehr bedurften, konnten dennoch nicht entlassen werden, da sie nicht in der Lage waren, sich zuhause selbst zu versorgen. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit wurde damit zum Teil auf die Krankenversicherung abgewälzt. Alle genannten Gründe führten schließlich dazu, das Risiko Pflegebedürftigkeit solidarisch zu finanzieren, wie die übrigen sozialversicherten Risiken auch.

      Die Pflegeversicherung weist im Gegensatz zu den übrigen Zweigen der Sozialversicherung einige Besonderheiten auf, auf die im Folgenden jeweils hingewiesen wird.

      Eine Besonderheit der Pflegeversicherung ist deren Versichertenkreis: Es ist seit Einführung der Pflegeversicherung die gesamte Bevölkerung Deutschlands verpflichtet, sich gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern.

      Versicherungspflichtig ist jeder, der einer gesetzlichen Krankenversicherung als Mitglied oder Mitversicherter angehört. Pflichtmitglieder der GKV und ihre Familienangehörigen unterliegen dem Versicherungszwang in der Pflegekasse, die ihrer gesetzlichen Krankenkasse angegliedert ist. Wechselt ein Mitglied die Krankenkasse, verlässt z. B. die AOK und versichert sich in einer Ersatzkasse, dann erfolgt automatisch ein Wechsel der Pflegeversicherung. Der Versicherte im genannten Beispiel wird Mitglied der Pflegekasse der Ersatzkasse. Kinder und nichterwerbstätige Ehepartner sind wie in der GKV beitragsfrei mitversichert. Wer freiwillig in der GKV versichert ist, kann auch einen Pflegeversicherungsvertrag mit einem privaten Versicherungsunternehmen abschließen (§ 22 SGB XI).

      Privat Krankenversicherte müssen sich privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit absichern. Einen Zwang zur privaten Krankenversicherung kannte das Sozialrecht dagegen bis zum 1.1.2009 nicht; er wurde erst mit dem Basistarif (image Kap. II 3.3) eingeführt. Ebenfalls versicherungspflichtig in einer privaten Pflegeversicherung sind Heilfürsorgeberechtigte. Mit diesen Vorschriften des SGB XI ist eine die gesamte Bevölkerung umfassende Pflegeabsicherung gewährleistet.

      Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung


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