Zwingli. Franz Rueb

Zwingli - Franz Rueb


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       Vor dem Waffengang

       Landgraf Philipp von Hessen

       Marburger Gespräche

       Was unterscheidet Zwingli von Luther?

       Die Synode

       Uneinig mit Bern

       Ringen um Bündnisse

       Verlorene Schlacht in Kappel

       Langer Frieden

       Das Zwingli-Porträt

       Das Denkmal

       Zeittafel

       Literatur

      VORWORT

      Dreissig Jahre habe ich meinen Wunsch mit mir herumgetragen, eine Zwingli-Biografie zu schreiben. Mein Arbeitszimmer hatte eine Archivecke mit mehreren Ordnern und 64 Schubladen, fein säuberlich nach Themen beschriftet. Im Sommer 2014 begann ich die Zwingli-Biografie zu schreiben, machte mich systematisch an die Materialien. Eine Schublade nach der anderen wurde verlebendigt.

      Über Zwingli zu schreiben, entspringt meinem Anliegen, das seit 30 Jahren in der breiteren Öffentlichkeit immer wieder heraufbeschworene sogenannte Zwinglianismus-Syndrom zu korrigieren. Ich beabsichtige mit dem vorliegenden Buch, die Ungerechtigkeiten, mit der diese grosse geschichtliche Figur in der breiteren Öffentlichkeit abgetan wurde, als eine im damaligen Zeitgeist verankerte Modeerscheinung zu entlarven.

      Ursprung meiner Geschichte mit dem Reformator Zwingli war das Zwingli-Porträt von Hans Asper und das Zwingli-Denkmal von Heinrich Natter. Gegen beide hatte sich mein Geist, meine Fantasie und meine Ästhetik immer und von Anfang an gewehrt. Was haben diese Herrschaften mit dem Reformator angestellt? Da beide – Porträt sowie Denkmal – meine Beschäftigung mit Zwingli stets befördert haben, konnte ich auch 30 Jahre auf meine Stunde warten.

      An Zwingli interessiert mich vor allem das politische Individuum: der Humanist, seine bäuerliche Herkunft, seine Bildung, seine gewaltige Leistung, seine Philosophie, seine soziale Theologie, seine Bedeutung in der Zeit, seine Visionen, seine grundsätzliche Fortschrittlichkeit. Das religiöse Argumentarium bleibt mir eher fremd.

      Bei Zwingli sind, wie bei keinem anderen Religionsführer, Politik und Religion, Humanismus und Christentum eng verbunden. Darin liegt meine Faszination für diesen Mann, der meine Stadt in etwa zwölf Jahren umgepflügt und verändert hat, der einen Geist geschaffen hat, der weit über seine eigene Zeit hinausreicht und der unser Leben bis heute prägt.

      Ich lege das Schwergewicht des Buches auf seine Reformpolitik. Ich erzähle die äusseren Vorgänge und gebe einen Einblick in seine Sozialpolitik. Ich will die geschichtlichen Prozesse so plastisch wie möglich, so nachvollziehbar und so präzise wie es geht, schildern.

      Über Zwingli gibt es fast ausschliesslich Bücher von Theologen und meist religiös ausgerichteten Historikern. Es sind jeweils mit ungezählten Fussnoten und grossen Textfeldern in Latein und in alter deutscher Sprache besetzte Bücher. Die vierbändige Biografie von Oskar Farner zum Beispiel (1943, 1946, 1954 und 1960 erschienen) ist über weite Strecken mühsam zu lesen, aber fruchtbar, wenn man sich darauf einlässt. Ich schreibe keine wissenschaftliche Publikation, vielmehr ein modernes Lesebuch, für alle verständlich. Zwingli und die Reformation verdienen, von der Allgemeinheit neu wahrgenommen zu werden.

      Meiner Meinung nach ist Zwingli einer der bedeutendsten Schweizer unserer Geschichte. Ein überragender Kopf und ein grosser Theologe. Ein grosser Praktiker und ein ebenso grosser Theoretiker. Ein Kenner der griechischen und lateinischen, klassischen Literatur. Er war der erste gründliche Bibelkenner, während Geistliche der damaligen Zeit das Alte und das Neue Testament teilweise kaum kannten. Es ist lohnend, einen überragenden Menschen in seinem Wirken darzustellen, in seinem Reifeprozess im 16. Jahrhundert, im damaligen Gesellschaftsgefüge einer mit Hochspannung geladenen Zeit, die Verflechtung von subjektivem Wollen und objektivem Wirken klar verständlich zu machen.

      Seit 30 Jahren ist kein Buch mehr erschienen, das Ulrich Zwinglis Leben in den Mittelpunkt stellt. Ich bin der Überzeugung, dass es dringend an der Zeit ist, Zwingli aus dem Kontext von Kulturfeindlichkeit und asketischer Rigorosität zu befreien.

      ZWINGLIS TOD

      Sein Tod war sinnlos. Er ist in der Schlacht gefallen, in einer der blödsinnigsten Schlachten aller blödsinnigen Schlachten. Aber wir wissen nicht, ob er gekämpft hat; es sind alles nur Vermutungen. Es ist nicht anzunehmen, dass er mit der Waffe in der Hand gekämpft hat. Doch er ist auf dem Schlachtfeld zu Tode gekommen, das ist unbestritten. Ihn heute deswegen als Kriegsgurgel zu diffamieren, wie das oft getan wird, ist demagogisch, und ihn im Denkmal als finsteren Mann mit Schwert darzustellen, wie das in Zürich im 19. Jahrhundert durch einen katholischen Tiroler Bildhauer geschah, abgesegnet und prämiert von den reformierten Stellen der Zürcher Kirche und ihres Staates, wird weder der Geschichte noch Zwingli als Menschen und seinen Leistungen sowie seiner Bedeutung gerecht. Er ist als teilnehmender Feldprediger in der Schlacht gefallen. Der Gipfel dieses Unsinns, nämlich gesund und stark, geistig leistungsfähig im Alter von 47 Jahren auf dem Schlachtfeld, und zwar nach dem Kampf, abgestochen oder erschlagen zu werden, wurde dadurch erreicht, dass er selbst wohl einiges dazu beigetragen hat, dass es überhaupt zu diesem überflüssigen Kampf mit Schwertern und Hellebarden gekommen ist. Dass er aufgerufen hat zum unausweichlichen Waffengang gegen die feindlichen und feindseligen und schlachtbereiten Katholiken der Innerschweiz. Das war wohl seine Untat schlechthin, das hat ihn sein bewundernswürdiges, fruchtbares Leben gekostet. Und es ist einer der Gründe für seinen unberechtigt fragwürdigen Ruf in der oberflächlichen populären Wahrnehmung.

      Altgläubige Schlachtteilnehmer haben den Säntis-Galöri, wie er in der Innerschweiz seit Jahren genannt wurde, gefunden.

      Sie haben ihn erkannt, sie werden sich mit triumphalem Geschrei auf ihn gestürzt haben: Er war damals der bekannteste Mann im Land, und in dem altgläubigen Teil der verhassteste. Er lag wahrscheinlich bereits verwundet auf der Erde, stöhnte und röchelte, vielleicht lag er sogar schon tot unter einem Baum, wir wissen es nicht. Sie schlugen, aufgehetzt vom Hass, auf seinen Schädel ein. Die Schlachtopfer lagen kreuz und quer und nach ihrer konfessionellen Zugehörigkeit gemischt auf dem Feld herum. Er war als evangelischer Prediger irgendwie gekennzeichnet. Mit Geheul haben sie ihn gevierteilt, verbrannten wahrscheinlich seinen Leib und verstreuten seine Asche in einem Wäldchen in Kappel. Vielleicht haben sie ihn auch einfach verscharrt, wie gesagt, es ist nicht belegt, was genau geschah. Aber es war am 11. Oktober 1531 und es war die zweite Schlacht bei Kappel.

      Zwingli wurde als Toter noch einmal hingerichtet. Und seither wurde er noch ungezählte Male hingerichtet. Das Ende des Landesverräters und Ketzers wurde unheimlich laut gefeiert. Die Eidgenossenschaft war zu der Zeit in einem ungeahnten Mass gespalten, in städtische und ländliche Gebiete. Die zwei Lager standen einander in einer Art bisher nie gekannter Todfeindschaft gegenüber, dass es rückblickend sogar fast wie ein kleines Wunder wirkt, dass das Land, genauer das Bündnisgeflecht, damals an diesem Gegensatz und am Hass


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