Turbulenzen. Sepp Moser

Turbulenzen - Sepp Moser


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unnütze, aber wenigstens politisch unbelastete zusätzliche Hunter.

      Mit dem Nullentscheid des Bundesrates entschwand die angestrebte Sanierung der Schweizer Flugwaffe in weite Ferne. Um den Zusammenbruch der Organisation und den Verlust des im Personal vorhandenen Knowhows zu verhindern, bewilligte das Parlament im März 1973 «aus der Hüfte heraus» und ohne ordentliches Auswahlverfahren 136 Millionen Franken für den Kauf von 30 gebrauchten Hunter-Kampfflugzeugen, für die die britische Royal Air Force keine Verwendung mehr hatte. Das Geschäft ging reibungslos über die Bühne, erstens wegen des relativ geringfügigen finanziellen Umfangs und zweitens, weil die Flugwaffe diesen Flugzeugtyp seit 15 Jahren bestens kannte. Das letzte dieser mittlerweile so gut wie nutzlosen Flugzeuge sollte erst Ende 1994 ausser Dienst gestellt werden, also 36 Jahre nachdem die Schweizer Flugwaffe das erste übernommen hatte. Ironischerweise war es dann auch das Flugzeug Nummer eins, welches «stilecht» als letztes ins Museum flog …

      Mit Museumsstücken lässt sich kein Krieg gewinnen – diese Einsicht liess sich Mitte der 1970er-Jahre nicht mehr verdrängen. Gemäss der anno 1975 einmal mehr erneuerten Verteidigungskonzeption sollte sich die Aufgabe der Schweizer Luftwaffe ab 1980 auf die Unterstützung der Bodentruppen beschränken. Dafür brauchte es definitiv keine schnellen Jäger mehr, sondern robuste, universell verwendbare und vor allem rasch und günstig erhältliche Flugzeuge, mit denen sich zumindest der Eindruck einer schlagkräftigen Luftwaffe erwecken liess. Dazu genügte eine «Proforma-Evaluation», oder wie es ein beteiligter Ingenieur beschreibt: «Eigentlich konnten wir nicht viel mehr tun als die Verkaufsprospekte studieren, ein paar Testflüge machen und dann den Antrag zum Kauf einer Flotte amerikanischer Northrop F-5E Tiger schreiben; eine realistische Alternative gab es nicht.»

      Und so kam es: Ende August 1975 bewilligte der Bundesrat 1170 Millionen Franken für den Kauf von 75 Stück, also 15,6 Millionen Franken pro Flugzeug. Im Juni 1981 kam es dann noch zu einer Ergänzungsbestellung über 38 Stück für 770 Millionen Franken, also 20,4 Millionen Franken pro Flugzeug. Opposition oder auch nur eine ernsthafte Diskussion über den Sinn der Sache gab es nicht.

      Es war ein hastiger Kauf, getätigt in einer Notsituation und ausschliesslich vom Bestreben geleitet, schnell, günstig und vor allem ohne weitere Skandale etwas auf die Beine zu stellen, was nach einer anständigen Flugwaffe aussah. Kampfkraft spielte keine Rolle: Der F-5E ist nur bei Tag und gutem Wetter einsetzbar, fliegt nur mit Mühe und für kurze Zeit schneller als der Schall und verhält sich zu einem zeitgemässen Kampfflugzeug ungefähr wie ein Smart zu einem Lamborghini. Dies jedoch mit voller Absicht, denn der F-5E wurde von der US-Regierung von Anfang an die Rolle eines «Placebo-Jägers» zugedacht: Das Flugzeug sollte aussehen wie ein Jäger, Lärm machen wie ein Jäger, die Schallmauer durchbrechen können wie ein Jäger – aber kein Jäger sein! Aus der Sicht der USA war dies eine überzeugende Strategie, wenn man sie im Lichte der strategischen Weltlage zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrachtet.

      Die Konstruktion des F-5 geht auf die Zeit um Mitte der 1950er-Jahre zurück. Das war die Epoche, in der die USA und die damalige Sowjetunion den «kalten Krieg» ausfochten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wetteiferten beide Grossmächte um die Gunst und die Unterstützung zahlreicher junger Staaten (viele von ihnen ehemalige Kolonien europäischer Mächte), die in der neuen Weltordnung einen sicheren Platz zu ergattern suchten. Teil dieses Bemühens war der Aufbau einer eigenen Armee – weniger um sich zu verteidigen als um in der eigenen Bevölkerung den Ruhm ihrer Herrscher zu mehren, aufständische Volksgruppen in die Schranken zu weisen und einmal pro Jahr mit einer bombastischen Militärparade den Nationalfeiertag zu begehen. Zu diesem wiederum gehörten – und gehören manchenorts bis heute – schöne Paradeuniformen für die Soldaten und eine Luftwaffe, deren Kampfflugzeuge mit viel Lärm und mit Rauchspuren in den Farben der nationalen Flagge kunstvolle Figuren in den Himmel zeichnen.

      Dazu, und nicht primär zur Verteidigung des Landes gegen einen äusseren Feind, brauchte es geeignete Flugzeuge. Sowohl die Sowjetunion wie auch die USA lieferten gerne und kostenlos ausgediente Jäger aus dem Koreakrieg, aber diese waren in der Regel nicht mehr lange zu gebrauchen und zudem alles andere als «sexy». In dieser kritischen Lage der Weltpolitik sah die US-Flugzeugherstellerin Northrop (heute Northrop Grumman) eine Chance. Unter der Bezeichnung N-156 entwickelte das Unternehmen auf eigene Kosten ein leichtes, einfaches und wartungsfreundliches Düsenflugzeug, dessen einziger Zweck es sein sollte, das Selbstbewusstsein amerikanischer Klientelstaaten (beziehungsweise von deren Herrschern) aufzupäppeln, ohne gleichzeitig das in der betroffenen Gegend der Welt existierende militärische Kräfteverhältnis zu stören und die Sowjetunion ihrerseits zu einer Aufrüstung zu veranlassen. Das Flugzeug sollte also wie ein ernsthaftes Kampfflugzeug aussehen, aber, wie es im amerikanischen Polit-Jargon ganz unverblümt hiess, «nonprovocative» sein, zu Deutsch: harmlos.

      Nach anfänglichem Zögern erwärmte sich die US-Regierung für die Idee. Northrop peppte das Flugzeug technisch auf, und die USA lieferten es ab 1962 im Rahmen zahlreicher Militärhilfeprogramme unter der Bezeichnung F-5A in die halbe Welt, ab 1973 auch in der verstärkten und leicht modernisierten Version F-5E. Im eigenen Land wird der Typ, da militärisch annähernd wertlos, in einer vereinfachten und zweisitzigen Version namens T-38 als Schulflugzeug verwendet, ebenso in zahlreichen weiteren Ländern.

      Mit der als Notlösung beschafften Tiger-Flotte war der erste Schritt zum Aufbau einer glaubwürdigen Luftverteidigung getan. Was noch fehlte, war ein Schulflugzeug auf einem vergleichbaren Stand der Technik. Schliesslich sollten die jungen Piloten von Anfang an so ausgebildet werden, dass sie in der Zukunft auch mit wirklich zeitgemässen Kampfflugzeugen umgehen konnten. Die damals als Standard verwendeten zweisitzigen Vampire-Trainer verkörperten den technischen Stand von 1950 und waren dafür in keiner Weise mehr geeignet.

      In aller Stille startete der Bund anno 1984 ein Evaluationsverfahren, welches mit vier Kandidaten begann und nach wenigen Monaten auf zwei Typen konzentriert wurde: auf den französischen Alpha Jet und den britischen Hawk. Ein kurzes Auswahlverfahren mit weniger als 40 Flügen pro Kandidat genügte, um die Entscheidung zugunsten des Hawk zu fällen. In der Folge beschaffte die Schweiz 20 Stück dieses Zweisitzers (mitsamt einem modernen Flugsimulator), welche ab 1990 mit grossem Erfolg eingesetzt wurden. Dies freilich – und entgegen der ursprünglichen Planung – nur bis zum Jahr 2002. Das war das Jahr, in dem die Pilatus Flugzeugwerke erfolglos einen Erstkunden für ihr neues Schulflugzeug PC-21 suchten. Sofort sprang die Schweizer Luftwaffe ein, deponierte die mit zehn Jahren noch absolut tauglichen Hawks in der leerstehenden Felskaverne eines Walliser Militärflugplatzes und kaufte das Schweizer System, welches sich in der Folge bewährte und dank dem Schweizer Sinneswandel zum weltweiten Erfolg wurde.

      Acht Jahre später erlöste Finnland die 20 Flugzeuge aus ihrem langen Schlaf, kaufte sie zu einem sehr günstigen Preis, unterzog sie einer Erfrischungskur, integrierte sie erfolgreich in ihre Pilotenschulung und gedenkt, sie noch bis etwa 2030 weiterzuverwenden.

      Für die Schweiz war die Tiger-Flotte also nie ein glaubhafter Schutzschild (von den in den 1980er-Jahren immer noch verwendeten Hunter-Jets ganz zu schweigen), sondern eher ein Mittel, um die Luftwaffe wenigstens auf dem Niveau eines fortgeschrittenen Drittweltstaates am Leben zu erhalten. Dieses Ziel wurde erreicht. Von Anfang an war jedoch klar, dass dies keine langfristige Lösung sein konnte, zumal die Hunter-Flotte eigentlich in ihrer Gesamtheit längst museumsreif war und die Tiger diesem Zustand Monat für Monat zielstrebig entgegenflogen. 1985 startete der Bundesrat deshalb ein neues Auswahlverfahren mit anfänglich sechs Kandidaten (Rafale aus Frankreich, F-16 und F/A-18 aus den USA, Gripen aus Schweden sowie die in der Folge nicht realisierten Projekte Lavi aus Israel und F-20 aus den USA). Es war im Prinzip das bekannte Prozedere, diesmal jedoch mit dem Unterschied, dass im Lichte früherer Erfahrungen alles unter einem Schutzschild weitgehender Diskretion ablief. Tatsächlich gelang es, den Prozess ohne wesentliche


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