Den österlichen Mehrwert im Blick. Группа авторов

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Wanke und seine Mitbrüder im Presbyterium zuerst einmal Heimat, in der das Evangelium auf „mitteldeutsch“ buchstabiert werden muss. Der Sendungsauftrag der Kirche wurde von Wanke mit einer neuen Positionierung zur Mitwelt im gemeinsamen Raum verbunden. Die Konsequenzen daraus gingen für Wanke dahin, dass die Kirche in vielen ihrer Lebensäußerungen unterschiedslos für alle Menschen des Landes solidarisch da sein muss. Der Raum für die Kirche ist eine von Gott gegebene Realität und verlangt eine Hinwendung zu den Menschen, welche dem gemeinsamen Raum angehören.

      Wanke griff seine frühen pastoralen Gedanken mehrfach auf, spitzte sie aber auch zu. Dreißig Jahre nach seiner Weihe zum Bischof, am 30.11.2010, hielt er in der Katholischen Akademie Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Katholische Kirche in Deutschland – wie geht es weiter?“ Der Vortag befasste sich mit der „Glaubwürdigkeit“ dieser Kirche. Diese hat bekanntlich in den letzten Jahren arg gelitten. Wanke nahm seine Kirche in die Pflicht: „Der Auftrag der Kirche ist es, Gott zum Vorschein zu bringen, nicht sich selbst. Es ist einfach falsch zu meinen, wir müssten als Kirche eine Gegengesellschaft zur Welt bilden, vielleicht noch perfekter als diese werden. Gerade diese Mentalität hat in der Vergangenheit manche strukturelle Heuchelei verursacht. Der Schein war dann wichtiger als das Sein. Die Kirche muss sich als Ferment im Ganzen verstehen, nicht als Rückzugsort für die Vollkommenen und Reinen.“ Ferment bedeutet u.a. „Gärungsmittel“ oder „Sauerteig“. Beide wirken, sobald sie in organischer Materie eingemischt sind. Wo hat Kirche zu wirken?

      Die pastoralen Gedanken Wankes enthalten Momente, die offenkundig dem ähneln, was hier aus dem Jesajabuch erhoben werden konnte: Gemeinschaften, die sich vom biblischen Gott her verstehen, können keine rein auf sich bezogenen Binnenräume bleiben, sondern haben sich in weiten Bezugsfeldern wiederzufinden. Doch ein direkter Vergleich der Gedanken Wankes mit den Inhalten des Jesajabuch verbietet sich. Die Differenzen in den historischen Umständen und in den Konstellationen, in den die jeweiligen Gemeinschaften stehen, sind zu groß.

      Vor allem aber ist der Unterschied zu beachten, ja zu betonen, dass im Jesajabuch Israel im Fokus steht und bei Wankes Gedanken die Kirche. Zwar fußt die christliche Kirche auf dem biblischen Israel auf, und Christen begegnen im aktuellen Judentum ihren „älteren Brüdern“ (Johannes Paul II.). Doch das Alte Testament kreist im sogenannten ersten Lesegang durch die christliche Bibel zunächst einmal um Gott, die Welt und insbesondere Israel, und Bezüge auf Christen und Kirche fehlen dabei im Alten Testament. Erst danach kommt von christlicher Seite her der notwendige zweite Lesegang unter Kenntnis des Neuen Testamentes hinzu, und dabei erst dürfen sich Christen im Alten Testament – ohne das Judentum zu vereinnahmen – erhellend widerspiegeln.

      Unter diesen Konditionen und Einschränkungen lassen sich dem Jesajabuch Aspekte ablauschen, die sowohl Wankes Gedanken als auch eine Selbstbesinnung der Kirche theologisch grundieren und vertiefen können.

      Das Prophetenbuch stellte sich dem Wandel und Wechsel in der Geschichte. Das Gottesvolk erlebte Verluste und Niederlagen, machte Erfahrungen mit dem Exil und in der Diaspora und hatte mühsame Neuanfänge in der alten Heimat zu bestehen. Die geschichtlichen Entwicklungen wurden im Buch nicht nur einfach zur Kenntnis genommen. Die Geschichte wurde von Gott her gedeutet und verstanden. Nicht zuletzt die Einsicht, dass JHWH mit langem Atem sein Volk durch Zeiten und Räume leitet, führte im Buch zur Erkenntnis der Einzigkeit JHWHs. Aufgrund dieser Einzigkeit wurde JHWH zugleich als Schöpfer der Welt und als der Lenker auch der Geschichte der Völkerwelt angesehen.

      Damit war im Prophetenbuch eine zentrale theologische Ausgangsbasis gegeben. In dieser Denkweise steht zuerst JHWH in universellen lebendigen Bezügen. Und umgekehrt steht dann auch jede Mitwelt, die es zum Gottesvolk geben kann, schon immer in Beziehung zu JHWH. Von dieser Theologie her hat das – bzw. ein – Gottesvolk je neu seine Mitwelt in den Blick zu nehmen und der Mitwelt zu begegnen.

       Literatur

      Berges, U., Das Buch Jesaja. Komposition und Endgestalt, Freiburg i. Br. 1998 (Herders biblische Studien 16).

      Beuken, W. / Berges, U., Jesaja 1–12, Freiburg i. Br. 2003 (Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament).

      Fischer, I., Tora für Israel – Tora für die Völker. Das Konzept des Jesajabuches, Stuttgart 1995 (Stuttgarter Bibelstudien 164).

      Henrix, H. H., Judentum und Christentum. Gemeinschaft wider Willen, Kevelaer 2004 (Topos 525).

      Lohfink, N. / Zenger, E., Der Gott Israels und die Völker. Untersuchungen zum Jesajabuch und zu den Psalmen. Stuttgart 1994 (Stuttgarter Bibelstudien 154).

      ZWISCHEN BISCHÖFEN UND THEOLOGEN

       Konrad Feiereis

      Bei Jes 40,31 lesen wir: „Die aber auf den Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft, sie bekommen Flügel wie Adler. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt.“

      Paulus formuliert in Gal 6,8 einen seiner Grundgedanken wie folgt: „Wer […] im Vertrauen auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten.“

      Marie von Ebner-Eschenbach schreibt in einem ihrer Aphorismen: „Vertrauen ist Mut und Treue ist Kraft.“ (Marie von Ebner-Eschenbach, 3)

      Vertrauen gehört zu den höchsten Gütern unseres menschlichen Lebens. Vertrauen ist zuerst das Fundament unserer Beziehung zu Gott. In diesem Vertrauen aus unserem Glauben heraus besitzen wir zugleich Urbild und Vorbild für das Vertrauen zwischen uns Menschen. In herausragender Weise gilt das auch für das Verhältnis zwischen Bischöfen und Theologen in unserer Kirche in der heutigen Zeit.

      Wir erleben gegenwärtig erhebliche Spannungen im Verhältnis zwischen Bischöfen und Theologen im deutschsprachigen Raum. Sie wurden besonders sichtbar anlässlich der Veröffentlichung des Memorandums von 144 Theologieprofessoren unter dem Titel „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“. Die Diskussion darüber ist bis heute heftig und kontrovers, auf Seiten der Bischöfe wie der Theologen. Der erste eindrucksvolle Beitrag stammt von Hermann Josef Pottmeyer mit einer zum Nachdenken anregenden Analyse. Eine soeben erschienene Veröffentlichung setzt diese Diskussion in differenzierter Weise fort. Sie trägt den Titel des Memorandums und enthält zahlreiche „Argumente zum Memorandum“, so der Untertitel (hg. von Marianne Heimbach-Steins u.a.). Der erste Beitrag ist verfasst von dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Neben zahlreichen namhaften Theologen aus unserem Sprachraum ist auch unser Erfurter Kollege Benedikt Kranemann, Professor für Liturgiewissenschaft, mit einer Abhandlung vertreten.

      Bereits am 30.11.2010 plädierte Bischof Joachim Wanke in einem Vortrag in der Katholischen Akademie in Berlin für eine neue „Glaubwürdigkeit“ unserer Kirche, welche „Bereitschaft zu Gespräch, Entschiedenheit“ und „Menschenfreundlichkeit“ aufweisen müsse. Er betont, dass ein „Drang zum Rechthaben“ zu „Parteiungen“ führe, an dessen Ende der Zerfall stehen könnte. Am Ende appelliert Bischof Wanke an seine Mitbrüder im Bischofsamt in eindrücklicher Weise u.a. dazu, „demütiger“ zu werden.

      Aus langjähriger persönlicher Erfahrung heraus möchte ich einige konkrete Beispiele dafür nennen, wie die Beziehung zwischen den Bischöfen und den Theologieprofessoren in der Zeit der Ostzone bzw. der DDR charakterisiert werden kann: durch ein beide Seiten umfassendes Grundvertrauen.

       Völlige Veränderung des eigenen Lebens

      Am 1. September 1953 überschritt ich zum ersten Mal die Grenze, die beide deutsche Staaten voneinander trennte. Ich hatte meine theologischen Studien gerade abgeschlossen und mich – mit sechs anderen Klassenkameraden – zum Pastoralkurs im Bamberger Priesterseminar angemeldet. Da erhielt ich von meinem zuständigen Ordinarius aus Görlitz, Kapitelsvikar Piontek, die Aufforderung, den Pastoralkurs im Priesterseminar Neuzelle an der Oder zu absolvieren. Anfangs wehrte ich mich dagegen. Daraufhin erhielt ich aus Görlitz die Antwort: „Kommen Sie mit Vertrauen in unser heimatliches Priesterseminar Neuzelle.“ Ich fand mich am Ende meiner Bahnfahrt unter dem Ortsschild „Stalinstadt“, früher Fürstenberg, wieder, plötzlich hineingeworfen in eine völlig andere Welt,


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