Die inneren Fesseln sprengen. Phyllis Krystal

Die inneren Fesseln sprengen - Phyllis Krystal


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nur durch ein Leben in einem Körper und in dieser profanen Welt an uns arbeiten können, um das Ziel der Freiheit zu erreichen, in welcher der Bildteppich einen kleinen Einblick gewährt. Wir müssen arbeiten, um das Recht zu erhalten, dort dauerhaft zu verweilen. Jeder Rückzug aus diesem Leben verzögert den Prozess nur.

      Der Schlüssel, der das Tor des Käfigs öffnet, in dem wir gefangen sind, kann nur in dem Käfig gefunden werden, der wiederum selbst in der Welt, in der wir leben, eingeschlossen ist. Der Weg, um diesen Schlüssel zu finden, besteht darin, tief in uns hineinzuschauen, um zu erkennen, wo wir uns an dessen Gitterstäben festhalten und somit an Dinge, Menschen oder Glaubenssätze gebunden sind.

      Sobald ich die Bedeutung der Szene des im Käfig gefangenen Tieres verstanden hatte, realisierte ich auch, dass die Anleitungen und Instrumente, die wir über die Jahre bekommen hatten, perfekt entworfen waren, um uns zu helfen, frei von falschen Sicherheiten zu werden und loslassen zu können von dem, was uns im Käfig hält.

      Die Szene des im Käfig gefangenen Tieres ist tatsächlich der Kern der Arbeit und gibt uns das zentrale Thema, worum sie sich dreht. Um ganz frei zu sein, müssen wir uns von allem und allen loslösen, was uns bindet oder beherrscht bzw. in dem wir unsere Sicherheit zu finden glauben, anstatt in dem Höheren Selbst in jedem von uns.

      Ich erinnerte mich an Jesus, der einem wohlhabenden Mann riet, seine Eltern, seine Frau und sein Zuhause zu verlassen und ihm zu folgen. Ich verstand nun, dass es hierbei nicht unbedingt darum ging, sie wortwörtlich physisch zu verlassen, indem sie vernachlässigt wurden oder angenommene Verantwortung einfach abgelegt wurde. Eher scheint es, als ob es sich auf das Ablösen von familiären Abhängigkeiten bezieht, die ja oft hinderlich sind bei der Hingabe an das Höhere Selbst und der Freiheit, dessen Führung und Willen zu folgen, anstatt dem Willen unseres Egos oder dem anderer Personen.

      Ein wichtiger Teil unserer Arbeit besteht darin, diejenigen Bindungen oder Fesseln zu lösen, die uns an jemand oder etwas binden, worin wir unser Vertrauen setzen und die somit zu Göttern für uns werden. Da diese niedrigeren Götter vergänglich sind und uns weggenommen werden können, sind sie als Quelle für unsere Sicherheit unzuverlässig. Es ist hierbei nicht wichtig, ob diese Verbindungen aus Liebe, Bedürftigkeit, Mitleid, Angst, Hass oder irgendeiner anderen Emotion entstanden sind. Wichtig daran ist, dass sie die Macht besitzen, uns in Abhängigkeit zu halten und an Dinge zu binden anstatt an das Höhere Selbst.

      Über die Jahre entstand ein Muster oder eine Sequenz an Schritten, die zu einer Methode geführt hat, die von zwei Menschen in Partnerarbeit angewendet werden kann, sodass beide sich befreien und innerlich wachsen können. Die Methode bietet auch ein System, das von professionellen Therapeuten mit deren Klienten genutzt werden kann, denn das Integrieren des Höheren Selbst in die Arbeit eröffnet eine Dimension, die den Heilungsprozess sehr stark beschleunigen kann.

      Wenn ein menschliches Wesen gewillt ist, sein Bewusstsein anzuheben und den Kontakt zu der uns innewohnenden Weisheit und Heilkraft aufzunehmen, wird die Arbeit, welcher Natur sie auch sein mag, verfeinert und bestärkt, da sie jenseits der Dominanz durch das Ego liegt. Es ist sowohl für den Klienten als auch für den Therapeuten wichtig, das Höhere Selbst um Führung zu bitten, da Hilfe leichter gefunden werden kann, wenn beide bereit sind, die Unterstützung des gemeinsamen Höheren Selbst zu suchen.

      Uns wurden viele verschiedene Arten von Bindungen und Fesseln aufgezeigt, die wir in den nächsten Kapiteln besprechen möchten. Es werden auch Anweisungen dazu gegeben, wie diese abgelöst werden können, was häufig ein Wiederbeleben alter Pubertätsrituale beinhaltet, die in unserer Zeit leider außer Gebrauch geraten sind.

      Die ersten Bindungen werden in unserer Kindheit geformt – zu Eltern, Erziehenden, engen Verwandten, Geschwistern, Lehrern, Freunden und anderen Menschen, all diejenigen, die an der Prägung und Programmierung von Kindern beteiligt sind. Später bilden sich Bindungen zu Freunden, Liebhabern, Ehepartnern, anderen Familienmitgliedern, Kindern und Menschen, die für Sicherheit stehen, seien sie lebend oder tot. Es gibt durchaus auch subtilere Bindungen an persönliche Eigenarten oder Meinungen oder auch an starke Emotionen wie Wut, Eifersucht, Angst und Stolz. Bindungen können auch aus Verlangen nach Dingen entstehen wie Nahrung, Alkohol, Drogen, Geld, Juwelen, Kleidung, Häuser, Autos, Macht, sozialer Status, Ausbildung, Erfolg, um nur einige zu nennen. Letztendlich gibt es auch noch die Bindung an das Leben selbst, was viele Menschen solche Angst vor dem Tod haben lässt.

      Bei Menschen, die, während sie noch in dieser Welt lebten, Loslösungen praktiziert hatten, haben wir oft erlebt, dass der Tod ein einfaches und in keiner Weise erschreckendes Ereignis war. Indem sterbende Menschen vom physischen Körper loslassen, sind sie frei dafür, in eine andere Bewusstseinsdimension zu gehen, ohne in Versuchung zu geraten, zu nah an den Bindungen der Erdenszene zu verhaften oder in den Bann des emotionalen Drucks derjenigen zu geraten, die nun ihrer physischen Gegenwart beraubt sind.

      Es ist also offensichtlich, dass die Arbeit ein fortlaufender Prozess ist, wobei jede Person beim Entfernen der Bindungen so weit gehen kann wie gewünscht. Wenn der Weg bis zum Ende gegangen wird, kann dies zur kompletten Befreiung von Wünschen und letztendlich auch vom Rad der Wiedergeburt führen. Wie dem auch sei, es erreichen nur sehr wenige Menschen dieses Ziel in einem einzigen Leben und nicht alle Menschen wünschen dies; aber es sollte niemanden davon abhalten, die Methode zu benutzen, um sich zu befreien und so besser mit Problemen umgehen zu können, ihre Beziehungen zu anderen Menschen zu verbessern und ein erfüllteres Leben zu führen.

      Vorbereitung für die erste innere Arbeit

      Bindungen zu den Eltern

      Wenn wir das erste Mal mit einer Person arbeiten, dann versuchen wir zunächst herauszufinden, warum sie diese Art der Hilfe sucht. Menschen erfahren von dieser Arbeit von anderen, denen diese Methode geholfen hat, und sind sich daher in gewisser Weise bewusst, was auf sie zukommt. Sobald wir die Art des Problems zu erkennen beginnen, erläutern wir, dass die Person zunächst auf ihre eigenen Einstellungen achten soll, da ihr geholfen werden kann, die Kontrolle über diese zu erlangen, was oft schon genügt, um die Situation zu verbessern.

      Wir erklären dann, dass die meisten Probleme durch meist unbewusste Reaktionen auf frühkindliche Erziehung entstehen, und wir beginnen dann immer damit, daran zu arbeiten, indem wir helfen, die Loslösung von den Eltern zu vollziehen; wir tun dies, indem wir die sogenannten »Pubertätsriten« oder das »Lösen der bindenden Schnüre« anwenden. Das befreit nicht nur von ungesunden Abhängigkeiten, sondern auch von oft negativen Programmierungen durch die Eltern, die noch immer tief im Unterbewusstsein wirken und verhindern, dass Menschen sich selbst erkennen. Diese erste Sitzung gibt der Person die Möglichkeit, den Bewusstseinszustand kennenzulernen, den wir als »Wachtraum« oder »Reverie« bezeichnen, und gibt der Person, die die Sitzung anleitet, gleichzeitig eine gute Vorstellung davon, wie weit sich die hilfesuchende Person in diese Art der Arbeit einzubringen bereit ist.

      Natürlicherweise entstehen die ersten Bindungen zu den Eltern, da sie der Kanal sind, durch den wir geboren werden. Eine frühe, enge Verbindung zu ihnen ist in den ersten Lebensjahren, in denen das Kind diese Sicherheit als Basis für die eigene Entwicklung braucht, sehr wichtig.

      Heutzutage wird ein Brauch wiederbelebt, der sich »bonding« nennt und in dem diese Bindungen kurz nach der Geburt verstärkt werden. Es wurde herausgefunden, dass die Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt für ca. 20 Minuten völlig bewusst sind, ihre Augen öffnen und den Blick fokussieren können. Mit den unterschiedlichen Methoden für natürliche Geburtsvorgänge, die heutzutage angewandt werden, wo beide Elternteile anwesend sind und die Mutter völlig wach ist, wird das Baby mit beiden Elternteilen durch direkten Augenkontakt so früh als möglich verbunden.

      Üblicherweise wurden diese frühen Bindungen zu den Eltern jedoch bei Eintritt in die Pubertät, wenn die jungen Menschen kurz vor dem Eintritt in die Erwachsenenwelt standen, getrennt, so dass sie frei waren, sich als unabhängige Menschen zu entwickeln. Leider werden viele dieser alten Bräuche und Rituale in unserer gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr durchgeführt. Das trifft insbesondere auf die Pubertäts- und die Totenrituale zu. Wenn sie noch existieren, dann meist so verwässert und oberflächlich, dass sie für die praktische Umsetzung


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