Die astrologischen Häuser. Deborah Houlding
eigenen Erkenntnisse hinzu. Damit schufen sie ein philosophisches Paket, welches die Weisheit des Ostens in das Erbe der modernen westlichen Welt einbezog. Besonders Alexandria spielte bei der Entwicklung der Astrologie eine bedeutende Rolle, vornehmlich wegen seiner immensen Bibliothek, welche 500 000 Manuskriptrollen archivierte. Gelehrte hatten hier freien Zutritt und konnten auf unbestimmte Zeit studieren, was mit königlichem Vermögen gefördert wurde, eine Tradition die aufrechterhalten wurde, als die Stadt später unter die Herrschaft Roms fiel. Viele verschiedene Gelehrte wie Ptolemäus oder Vettius Valens lebten und wirkten hier, und in Alexandria wurden die meisten astrologischen Daten gesammelt, ausgewertet und wieder in Umlauf gebracht. Dies geschah mit dem großen Wunsch, die mystischen Prinzipien beizubehalten, mit denen die älteren Zivilisationen Ägyptens ihre wissenschaftlichen Geheimnisse maskiert hatten und mit denen sie gewaltige Höhen erreicht hatten.
Um das Jahr 150 vor Christus entstand das Nechepso und Petosiris zugeschriebene Werk in Alexandrien, eine Abhandlung, auf der viele spätere astrologische Werke aufbauten. Eine andere Zusammenstellung alter Texte zu Astrologie, Magie und Alchemie ist das um 150 nach Christus in Alexandria entstandene Corpus Hermeticum. Hier wurde der griechische Gott Hermes, der nie zuvor mit Lernen oder Philosophie gleichgesetzt worden war, mit den Attributen des ägyptischen Thot und des Nabu, dem babylonischen Gott der Divination und des Wissens, das vom Planeten Merkur repräsentiert wurde, geehrt Hermes wurde in allen Kulturen als der Gott des Lernens und der Weisheit verehrt, und man erkor man ihn zum „dreifach großen Hermes“ – ein Name, der auch assoziiert, dass man einen Gott dreimal anrufen sollte. Das Corpus Hermeticum genießt den Ruf, direkt auf den Lehren Thots zu basieren, aber tatsächlich enthält es wesentlich weniger alte ägyptische Quellen, als man einst annahm. Es ist eindeutig von graeco-romanischen Ideen geprägt. Die Bereitschaft der alten Autoren, es den Ägyptern zuzuschreiben, sollte ein Zeichen für den Respekt sein, den man dieser alten Kultur zollte und zugleich ein Hinweis darauf, wie leidenschaftlich die Griechen daran arbeiteten, den vorhandenen ägyptischen Mystizismus in ihre eigenen philosophischen Studien einzugliedern.
Ungeachtet der Kontroverse, wann und in welchem Ausmaß die alten Ägypter einen Beitrag zur astrologischen Philosophie geleistet haben, müssen wir anerkennen, dass viele der Prinzipien der antiken Astrologie (wie die Grenzen, Gesichter, Planetenstunden, Verbrennung, via combusta usw.) ein Vermächtnis der ägyptischen Weltanschauung sind. Im folgenden Kapitel werden wir sehen, dass dies auch auf die ersten Ansätze der Hausdeutungen zutrifft.
Ein eindeutiger Beleg für die Verwendung von Häusern bei Horoskopdeutungen lässt sich auf das Jahr 22 nach Christus datieren. In dem frühesten uns noch erhalten astrologischen Buch, der Astronomica des Manilius, das ungefähr im Jahr 10 nach Christus geschrieben wurde, finden wir die erste Beschreibung ihrer Bedeutung13. Manilius zeigt ausreichendes Selbstvertrauen bei seinen Beschreibungen, so dass man annehmen darf, dass er eher die allgemein gängige Meinung seiner Zeit weitergab als eine neue Technik. Dagegen gestattet seine Bezugnahme auf die Mythologie älterer Zivilisationen die glaubwürdige Theorie, dass die Bedeutung der Häuser unter dem Einfluss Alexandrias etabliert wurde. Demnach ist eine nähere Betrachtung der ägyptischen Symbolik der geeignete Ort, um die Suche nach den Grundprinzipien der Häuser zu beginnen.
Die Kardinalpunkte und die Bedeutsamkeit der solaren Philosophie Ägyptens
Weiter erhebt sich nach jenem als dritter der Hauptpunkt, der in sich jenen strahlenden Aufgang enthält, wo die Sterne erstehen, wo die Rückkehr des Tages erfolgt und die Teilung in Stunden; deshalb nennen ihn Horoskop die griechischen Städte und er will nicht übersetzt sein, weil er den Fachausdruck gern hört. Dieser entscheidet den Lebensverlauf, bestimmt den Charakter ….
Manilius14
Die Ägypter glaubten zutiefst an Reinkarnation und hielten den körperlichen Tod lediglich für einen Übergangsprozess im fortschreitenden Zyklus des Lebens. Sie verstanden den Tageslauf der Sonne als eine Reise, bei der der Sonnengott täglich einen Zyklus von Tod und Wiedergeburt durchschritt: Er starb abends beim Untergang der Sonne und wurde am Morgen bei Sonnenaufgang wiedergeboren.
Ebenso wie der sichtbare Tod von Sonne, Mond und Sternen eintrat, wenn diese im Westen unter den Horizont fielen, glaubten man in Ägypten, dass die Seele nach Westen gezogen wurde und den Sternen folgte, wenn sie den Körper beim Tod verließ. Infolgedessen erhielt der westliche Horizont eine mythologische Verbindung mit allen Gesichtspunkten von Tod, Schwäche, Untergang und Rückzug. Der Westen war auch als Amentat bekannt, was soviel bedeutet wie „Ort der Ruhe“, „Tod“ oder „die Pforte zum Duat“ und als eine Widerspiegelung dieses Glaubens wurden beinahe alle Pyramiden und königlichen Gräber am Westufer des Nil angelegt. Im Gegensatz dazu wurde der Osten mit dem Beginn und der Erneuerung der Lebenskraft assoziiert. Alte ägyptische Darstellungen des Sonnenlaufes über den Himmel zeigen den Sonnengott, der mit fortschreitender Tageszeit altert oder der in unterschiedlichen Booten reist und auf jedem Abschnitt der Reise die Gestalt eines anderen Gottes annimmt. Khepri (was „Anfang“ bedeutet) am Morgen, Ra („strahlender Glanz“) am Mittag und Atum („vollkommen“) oder Amun bzw Amen („verborgen“) am Abend.
Abb. 8: Der Sonnenlauf im alten Ägypten
Duat war der ägyptische Begriff für die Unterwelt. Diese bildete die verborgene Hemisphäre unterhalb der Erde, welche den Westen wieder mit dem Osten vereinigte. Während der Sonnengott seine Reise durch die Unterwelt fortsetzte wurde sein Zyklus der Transformation in der Mitte des Duat vollendet: dem Nadir des Himmels, den er in der Mitte der Nacht erreichte. Hier löste der vollkommene Sonnengott eine neue Manifestation aus und wurde in ein sich entwickelndes Kind verwandelt, das bereit war, bei Sonnenaufgang erneut geboren zu werden. Aufgrund dieser Vorstellung verbinden verschiedene abergläubische Bräuche und Sitten die kardinalen Richtungen Osten mit dem Leben, Süden mit Kraft und Erfüllung, Westen mit Tod und den Norden mit der Unterwelt. Im mittelalterlichen England wurde Hinrichtungsstätten generell im Westen der Stadt angelegt, und die Gräber wurden nach Osten ausgerichtet, so dass sie nach der aufgehenden Sonne blickten. Friedhöfe wurden an der Ost- oder Südseite der Kirche angelegt. Lediglich Kriminelle und ungetaufte Kinder wurden im Norden vergraben, denn diese lagen im Schatten der Kirche und man nahm an, dass die „dunklen Geister“ hier leichter Einzug halten konnten.
Die untere Himmelsmitte (IC): 4. Haus
Die Unterwelt im alten Ägypten darf man allerdings nicht mit der Hölle des mittelalterlichen Christentums gleichsetzen. In Ägypten galt der Tod nicht als das Ende des Lebens, sondern als ein Übergangsstadium, als eine Periode der Reinigung, Ruhe und Erneuerung. In der antiken Philosophie repräsentieren die „unteren Tiefen“ die spirituelle Quelle, den universellen Ursprung, aus dem wir kommen und zu dem wir letzten Endes wieder zurückkehren. Entsprechend ist das 4. Haus astrologisch „dem Anfang und Ende aller Dinge“, den „Eltern“ und der „Herkunft“ verbunden. Manilius schrieb, dass dieses Haus den Urgrund aller Dinge regiert und den tiefsten Bereich der Unterwelt symbolisiert. Es verweist auf all das, was von den „Eingeweiden der Erde“ entspringt, zu diesen gehört oder dort angesiedelt ist. Folglich ist das 4. Haus mit Mineralien und den natürlichen Ressourcen der Erde wie Kohle, Erzen oder Öl in Verbindung zu sehen, ebenso mit dem Bergbau. Da sich das 4. Haus auf die tiefsten Abgründe und all das erstreckt, was in der Erde verborgen ist, erlangte es auch die astrologische Herrschaft über Gräber, vergrabene Schätze und Wohlstand aus verborgenen Quellen. Es symbolisiert auch das Ertrinken, aber auch die Mittel, mit denen wir die Vergangenheit oder die verdeckten Wurzeln der Gegenwart erforschen. Selbstverständlich steht es auch für den Untergrund als solchen mit allen damit verbundenen Assoziationen an Schwäche, Tod, die Alten oder die ganz Jungen. In der Antike bedeutete es auch die Eltern, im Mittelalter repräsentierte es etwas eingegrenzter den Vater, von dem aus die genealogische Linie gezogen wird. Generell ist es mit den Vorfahren, den Großeltern, dem Familienbesitz, geerbtem Wohlstand und Grundbesitz verbunden. Wie in der ägyptischen Symbolik ist es die Rückkehr zu der Quelle sowie Anfang und Ende des Lebens – der endgültige Abschluss, aber auch der Same