Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Andreas Bosshard
Die hohen Nährstoffimporte über den Zukauf von Futtermitteln sind auch deshalb problematisch, weil damit die Nährstoffkreisläufe in grossem Stil unterbrochen werden. Die Nährstoffe, die auf den Importbetrieben überschüssig sind und die Umwelt belasten, fehlen gleichzeitig dort, wo die Futtermittel produziert werden und müssen dann mittels mineralischem Kunstdünger den Böden wieder zugeführt werden – ein doppelt ineffizientes und umweltschädliches System (BOSSHARD 2011).
Eine geringe Zufuhr von speziellen Futtermitteln auf den Hof kann allerdings für bestimmte Fütterungsphasen sinnvoll sein (Kap. 9.2). Überschreitet der Anteil von zugekauften, nicht lokal produzierten Futtermitteln aber nährstoffbezogen (nicht gewichtbezogen) 2 bis 5 Prozent des auf einem Wieslandbetrieb selber produzierten Futters, ist dies als nicht nachhaltig zu bezeichnen und widerspricht der Erreichung verschiedener Umweltziele Landwirtschaft UZL (BAFU und BLW 2008; BOSSHARD et al. 2010).
Abb. 9. Zusammenhang zwischen Düngung, Düngungseffizienz und Ertrag. Auch ohne Düngung liefern Wieslandökosysteme langfristig, das heisst nachhaltig einen Ertrag bis zu 4 t/ha TS aus dem natürlichen Nährstoff-Nachlieferungsvermögen des Bodens. Mittels Düngung lässt sich der Ertrag darüber hinaus deutlich steigern. Die Effizienz ist bei tiefen Erträgen am höchsten, danach über einen weiten Bereich weitgehend konstant, und nimmt dann bei einer Überintensivierung wieder ab. Vergleiche auch Abbildung 7.
Exkurs 4
Die Phosphor- und Stickstoffbilanz im Schweizer Futterbau: Geringe Effizienz und Nachhaltigkeit
Stickstoff (N) und Phosphor (P) sind Hauptnährstoffe der Pflanzen. Sie sind ausschlaggebend für den erzielbaren Pflanzenertrag im Futterbau. Wird jedoch mehr N oder P gedüngt als die Pflanzen aufnehmen können, gelangen diese Stoffe in die Umwelt und werden zu potenziellen Schadstoffen. Heute werden Dünger zwar effizienter und stärker nach Pflanzenbedarf eingesetzt als noch vor 20 Jahren. Trotz Verbesserungen sind die Bilanzen aber noch bei weitem nicht ausgeglichen. 2012 resultierten im Durchschnitt immer noch jährliche Überschüsse von rund 100 kg Stickstoff pro Hektare gedüngtem Wiesland, die Phosphorüberschüsse betrugen gut 3 kg pro Hektare, und dies, obwohl ein Grossteil der Böden bereits genügend mit P versorgt ist oder P auf Vorrat aufweist. Dabei ist das nicht unerhebliche Boden-Nährstoff-Nachlieferungsvermögen (Exkurs 3) noch gar nicht berücksichtigt.
In der Schweiz trägt der Hofdünger am meisten zum gedüngten Stickstoff und Phosphor bei. 2012 stammten 71 Prozent des Düngerstickstoffs von Hofdüngern, beim Phosphordünger waren es 78 Prozent. Dabei stammte beim P und N rund drei Viertel vom Rindvieh, aus der Schweinehaltung stammten 11 Prozent des N und 16 Prozent des P. 25 Prozent des Stickstoff- und 17 Prozent des Phosphordüngereintrags geht auf den Einsatz von Mineraldüngern zurück. In den 1990er Jahren ging die mineralische Stickstoffdüngung um einen Drittel zurück, seit 1997 stagniert sie.
Im Hinbick auf den Gesamteintrag auf Landwirtschaftsflächen stammen etwas mehr als 50 Prozent des Stickstoffs der insgesamt rund 250000 Tonnen (2012) aus Hofdünger, rund ein Fünftel aus mineralischem Dünger, die Leguminosen trugen 14 Prozent zum N-Input bei, die Deposition aus der Luft rund 10 Prozent (Abb. 10). Insgesamt kommt heute deutlich mehr Stickstoff über den Futtermittelimport in die Schweiz (54000 t/J) als über sämtliche Mineraldüngereinfuhren (44000 t N, 2013) (AGROSCOPE 2015, unveröff.).
Verwertet werden von den Pflanzen nur 155000 Tonnen N. Rund 90000 Tonnen N, das sind 36 Prozent des Stickstoffeintrages beziehungsweise rund 100 kg N/ha LN/Jahr, gehen also verloren: Rund 55000 Tonnen davon entweichen gasförmig als Ammoniak, Stickoxide und Lachgas und belasten die Luft, das Klima und zahlreiche Ökosysteme durch Eutrophierung und Säureeintrag (Abb. 73); 35000 Tonnen gelangen ins Grund- und Oberflächengewässer (Durchschnitt der vergangenen 5 Jahre). Etwa 85 Prozent dieses N-Umsatzes betrifft das Wiesland, nur rund 15 Prozent den Ackerbau.
Beim Phosphor stammen aktuell von den rund 28000 Tonnen, die jährlich über Dünger im Landwirtschaftsland ausgebracht werden, gut 20000 Tonnen aus Hofdünger, wovon gut 6000 Tonnen aus importierten Futtermitteln stammen. Dazu kommen rund 6000 Tonnen aus Handelsdünger. Die Deposition von P aus der Luft ist gering und wird auf knapp 500 Tonnen geschätzt. Damit werden den Landwirtschaftsböden netto jährlich rund 12000 Tonnen P zugeführt. Der Entzug durch tierische und pflanzliche Produkte beträgt dagegen nur gut 8000 Tonnen. Beim Phosphor betreffen rund 80 Prozent des Umsatzes das Wiesland.
Der P-Überschuss beträgt damit jährlich in der Schweizer Landwirtschaft zwischen 3000 und 4000 Tonnen, das sind rund 4 kg P pro Hektare Landwirtschaftliche Nutzfläche, was angesichts der erwähnten bereits vorhandenen Vorräte im Boden auch beim Phosphor eine beträchtliche permanente Überdüngung und eine Verschwendung nicht erneuerbarer Ressourcen darstellt. Mit einem effizienteren P-Management könnte die Schweiz seit vielen Jahren auf jegliche P-Importe verzichten, ohne Ertragseinbussen.
Quellen: BFS 2014; BOSSHARD et al. 2010
Abb. 10. Herkunft des Stickstoffeintrages auf die Landwirtschaftsflächen der Schweiz. Prozentuale Anteile, 2012. Insgesamt betrug der Input 250000 Tonnen Stickstoff. Von den Pflanzen verwertet werden dagegen nur rund 155000 Tonnen, gut 90000 Tonnen gehen jährlich verloren. Datenquelle BFS 2014.
2.2.3 Temperatur und Höhenlage
Das Wachstumsvermögen der Wiesenpflanzen ist stark wärmeabhängig. Deshalb hängen die Ertragsfähigkeit ebenso wie die Verbreitung der einzelnen Wiesenpflanzenarten wesentlich von der Höhenlage, aber auch von lokalklimatischen Eigenschaften eines Standortes ab (z. B. Exposition). Pro 100 m Höhendifferenz nimmt die durchschnittliche Temperatur um rund 0,5 °C ab. Gleichzeitig geht die Länge der Vegetations- und Wachstumsperiode zurück. Umgekehrt beschleunigen höhere Temperaturen – sofern sie noch im physiologisch günstigen Bereich liegen – das Wachstum der Pflanzen (Abb. 11).
Da verschiedene Pflanzenarten unterschiedlich auf die Temperaturverhältnisse reagieren, hat die Jahres- und Sommertemperatur einen grossen Einfluss auf die botanische Zusammensetzung der Wiesen: Die am intensivsten nutzbaren Gräser sind auf milde Lagen mit hohen Jahrestemperaturen angewiesen. Bei sehr intensiver Nutzung sind das Englische und Italienische Raygras bestandesbildend und für gute Erträge ausschlaggebend. Die beiden Arten werden nur in der kollinen und, auf guten Standorten, der unteren und mittleren montanen Stufe bestandesbildend (Ertragsanteil > 20 %), das heisst bis rund 800 m ü. M., das Italienische Raygras meist nur bis 600 m und nur bei genügend und ausgeglichenen Niederschlägen. Regionen und Standorte, wo diese beiden Grasarten vorherrschen können, bezeichnet man als raygrasfähig. Raygrasfähige Lagen sind deutlich intensiver nutzbar als nicht raygrasfähige. Die Beurteilung der Raygrasfähigkeit ist deshalb ein wichtiges Kriterium bei der Planung der optimalen Nutzungsintensität und der differenzierten Wiesennutzung – nicht nur in Mitteleuropa, sondern mit globaler Gültigkeit (PFADENHAUER und KLÖTZLI 2014).
Ähnlich bedeutsam für die Ausbildung von Wiesentypen in der Schweiz ist das relativ hohe Wärmebedürfnis des Fromental, in Deutschland Glatthafer genannt. Fromental ist bei wenig intensiver Nutzung bis in die obere montane Stufe eines der konkurrenzfähigsten Gräser und damit oft bestandesbildend. Zudem ermöglicht es einen höheren Biomassezuwachs als die meisten anderen Gräser. Ab etwa 1000 m ü. M. kann sich das Fromental temperaturbedingt nicht mehr halten und wird vom Goldhafer als bestandesbildende Art abgelöst, welcher für ein gutes Wachstum deutlich tiefere Temperaturen erträgt. Goldhafer ist zwar auch in den unteren Lagen regelmässig in wenig intensiv genutzten Wiesen vorhanden, jedoch ist die Grasart gegenüber dem Fromental und anderen Gräsern weniger konkurrenzfähig