Unterrichtssituationen meistern. Regula Kyburz-Graber

Unterrichtssituationen meistern - Regula Kyburz-Graber


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A. (1992). Das Interessenkonstrukt: Bestimmungsmerkmale der Interessenhandlung und des individuellen Interesses aus der Sicht einer Person-Gegenstands-Konzeption. In: A. Krapp und M. Prenzel (Hrsg.). Interesse, Lernen, Leistung. Neuere Ansätze einer pädagogisch-psychologischen Interessenforschung. Münster: Aschendorff, S. 297 – 329.

      Krapp, A. (2002). An Educational-Psychological Theory of Interest and Its Relations to Self-Determination Theory. In: E. L. Deci und R. M. Ryan (Eds.). The Handbook of Self-Determination Research. Rochester: University of Rochester Press. pp. 405 – 427.

      Kyburz-Graber, R. (2013). Praxis-Forschungskooperationen für erfolgreiche Unterrichtsentwicklung. In: Mittelschul- und Berufsbildungsamt, Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Mittelschulbericht 2013 – Kooperation und Entwicklung.Bern: Erziehungsdirektion, S. 46 – 49. Online: www.erz.be.ch/mittelschulbericht.

      Rudolph, U. (2007). Motivationspsychologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz PVU.

      Tonglet, M., Phillips, P. S. und Read, A. D. (2004). Using the Theory of Planned Behaviour to Investigate the Determinants of Recycling Behaviour: a Case Study from Brixworth, UK. Resources, Conversation and Recycling 41 (3), pp. 191 – 214.

      Wahl, D., Weinert, F. E. und Huber, G. L. (2001). Psychologie für die Schulpraxis – Ein handlungsorientiertes Lehrbuch für Lehrer. 7. Auflage. München: Kösel.

      Titel Verweigerung von vertiefter Arbeit

      Fach Englisch

      Schultyp Kurzzeitgymnasium

      Klassenstufe 4. Klasse/12. Schuljahr

      Klassengröße 24

      Zusammensetzung der Klasse Keine Angabe

      Besondere Umstände Einmal pro Woche Unterricht in Halbklassen. Letzte Lektion vor der Mittagspause. Literaturunterricht. Großes Praktikum

      Beschreibung des Falles

      Ich hatte in den Halbklassen eine Short Story bearbeitet, war jedoch mit meinem geplanten Programm nicht ganz durchgekommen. Mein Praktikumsleiter schlug vor, die Story in der nächsten Lektion mit der ganzen Klasse noch einmal aufzugreifen. Was in den Halbklassen zum Teil zwar zäh, aber mit gutem Willen funktioniert hat, läuft mit der gesamten Klasse ziemlich schief. Die Schüler/innen hatten im Halbklassenunterricht an ‹characterization› und ‹narrator› gearbeitet, jedoch nur an der Oberfläche gekratzt (zum Teil weil sie die Story nicht oder nur flüchtig gelesen hatten). Nun möchte ich in einer genaueren Analyse in die Tiefen der Geschichte vordringen. Die Schüler/innen sind jedoch der Ansicht, dass sie schon alles gesagt haben, was es zur Geschichte zu sagen gibt. Sie sehen keinen Sinn darin, sich noch einmal damit auseinanderzusetzen, was sie in halblauten Kommentaren auch zu erkennen geben.

      Ich habe Gruppen gebildet und sie angewiesen, den Themen ‹communication› und ‹reliability of the narrator› nachzugehen. Zum Teil verweigern die Schüler/innen die Mitarbeit ganz, zum Teil machen sie widerwillig mit. Ich erkläre, dass in der Geschichte eine Ebene stecke, die wir bisher kaum angesprochen hätten. Ich muss in jeder Gruppe weiteren Input geben, die Schüler/innen konkret auf Passagen hinweisen und ihnen mit Suggestivfragen auf die Sprünge helfen. Das Ergebnis ist recht mager.

      Im Plenum sollen sie dann in Textbeispielen, die ich herausgeschrieben habe, ‹figures of speech› benennen. Das Resultat ist gleich null, obwohl sie sich damit laut Praktikumsleiter schon beschäftigt haben und das auch an der Matura können müssen. Besonders ärgerlich: Der Schüler, der am meisten aus der Geschichte herausliest, redet nicht gern vor anderen. In der Halbklasse geht das noch einigermaßen, auch in der Gruppe, aber in der ganzen Klasse verweigert er die Mitarbeit.

      Was fällt auf?

      Die Lehrperson unterrichtet die Klasse im Rahmen der Ausbildung zur Gymnasiallehrperson im Fach Englisch. Während des Halbklassenunterrichts bearbeiten die Schülerinnen und Schüler eine Kurzgeschichte, wobei die geplante Lektion nicht vollständig umgesetzt werden kann und daher das Thema in der Folgelektion mit der ganzen Klasse vertieft behandelt wird. Interessant ist der Hinweis der angehenden Lehrperson, dass der Praktikumsleiter die Weiterführung des Themas vorschlägt. Es bleibt unklar, inwiefern die Lehrperson selbst dieses Thema erneut aufgreifen würde. Die Art der Formulierung («Mein Praktikumsleiter schlug vor ...») sowie die Wahrnehmung, dass der Halbklassenunterricht «zäh, aber mit gutem Willen funktioniert hat» (inwiefern gestaltete sich die Arbeit zäh?), lassen vermuten, dass die Lehrperson selbst das Thema nicht erneut im beschriebenen, ausführlichen Sinne aufgegriffen hätte. In der Fallbeschreibung wird dann auch in demselben Satz sogleich vorweggenommen, dass aus der Sicht der Lehrperson mit der ganzen Klasse in der Folgelektion alles schiefläuft. Die Schülerinnen und Schüler haben im Halbklassenunterricht zwar «mit gutem Willen» mitgearbeitet und zeigen somit Bereitschaft, sich auf das vorgeschlagene Thema einzulassen und den Text zu bearbeiten. Trotz des guten Willens wird inhaltlich aber dennoch nur an der Oberfläche des Textes «gekratzt». Das führt die Lehrperson auf die mangelhafte Vorbereitung der Lernenden zurück. Wie der Leseauftrag für den Halbklassenunterricht gestellt war, wird nicht erwähnt.

      In der Folgestunde möchte die Lehrperson «in einer genaueren Analyse in die Tiefen der Geschichte vordringen». Ein erneutes Aufgreifen des Themas wird von den Lernenden aber als sinnlos eingestuft, da sie der Auffassung sind, bereits im Halbklassenunterricht alles gesagt zu haben, «was es zur Geschichte zu sagen gibt». Ob die Lehrperson die Themen ‹characterization› und ‹narrator›, die im Halbklassenunterricht oberflächlich bearbeitet worden sind, nochmals aufgreift, bleibt aufgrund der Fallbeschreibung unklar. Die Lehrperson beschreibt, dass sie Gruppen bildete und die Lernenden anwies, «den Themen ‹communication› und ‹reliability of the narrator› nachzugehen». Die Lehrperson berichtet, dass die Lernenden zum Teil die Mitarbeit ganz verweigern, zum Teil «widerwillig» mitmachen. Die Lehrperson versucht die Lernenden vom Sinn des Auftrags zu überzeugen, indem sie argumentiert, in der Geschichte «stecke» eine Ebene, die sie bisher kaum angesprochen hätten. In der Folge geht die Lehrperson von Gruppe zu Gruppe, gibt weitere Inputs, weist auf Passagen hin und hilft den Lernenden «auf die Sprünge», nimmt ihnen also die vertiefende Analyse weitgehend ab. Am Schluss beurteilt die Lehrperson das Ergebnis als «recht mager».

      Anschließend wählt die Lehrperson das Plenum, um einen weiteren Aspekt der Kurzgeschichte zu thematisieren. Mit dem Benennen der «figures of speech» in einem Text haben sich die Lernenden gemäß dem Praktikumsleiter bereits beschäftigt. Dieser Aspekt wird auch Bestandteil der Matura sein. Hierbei ist das «Resultat gleich null». Die Lehrperson ärgert sich offensichtlich über die fehlende Beteiligung der Lernenden; sie kann nicht nachvollziehen, warum die Lernenden nicht zu einer aktiven Mitarbeit zu bewegen sind.

      Wie die Lehrperson vermutlich während der Gruppenarbeit festgestellt hat, gibt es einen Schüler in der Klasse, der am meisten aus der Geschichte herausliest. Im Plenum äußere er sich nicht gern, so die Lehrperson. Sie bezeichnet dies als «besonders ärgerlich». Vermutlich hätte sie gerne auf die Beiträge des Schülers aufgebaut. Es gelingt der Lehrperson offenbar nicht, das Potenzial des Schülers für eine vertiefende inhaltliche Auseinandersetzung fruchtbar zu machen.

      Was ist das Problem?

      Das Fallbeispiel beschreibt die inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Kurzgeschichte im Englischunterricht. Während in den Halbklassen die Geschichte – wenn auch zäh – bearbeitet werden kann, gelingt die Auseinandersetzung mit dem Text im Sinne einer vertiefenden Fortführung in der gesamten Klasse nicht, weder in einer Gruppenarbeit noch in der anschließenden Plenumsarbeit.


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