Schulsozialarbeit in der Schweiz (E-Book). Ueli Hostettler

Schulsozialarbeit in der Schweiz (E-Book) - Ueli Hostettler


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zu unterstützen» (Drilling, 2004, S. 95).

      Mit der Zunahme von Schulen mit Schulsozialarbeit stellt sich generell die Frage nach der Ausgestaltung von Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen inner- und ausserschulischen Kooperationspartnerinnen und -partnern. Die Kantone haben in den letzten Jahren die Integration der Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen in die Regelklassen vorangetrieben; in den Schulhäusern haben sich neben der Schulsozialarbeit weitere spezialisierte Unterstützungsangebote (z.B. Logopädie, Heilpädagogik, Psychomotorik) etabliert. Die Schule hat sich also auch im Inneren weiter differenziert, was neue Anforderungen an die Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im schulischen Alltag stellt (Zürcher, Hostettler, Balmer, 2015). Darüber hinaus arbeiten Schulen zunehmend enger mit schulexternen Stellen wie der Erziehungsberatung und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe zusammen. Die Schulsozialarbeit hat dabei einen wichtigen Auftrag in der Triage und Vermittlung von Beratungs- und Unterstützungsressourcen (für den Kanton Bern z.B. Iseli, Grossenbacher, 2013).

      Der grösste Teil der Forschung zur Schulsozialarbeit im deutschsprachigen Raum bezieht sich auf praxisorientierte Projekte im Bereich der Evaluationsforschung. Solche Studien befassen sich thematisch vielfach mit Konzepten und Leistungen von Einrichtungen der Schulsozialarbeit und basieren bezüglich der Wirkung der Schulsozialarbeit vor allem auf Einschätzungen betroffener Personengruppen. Auch Formen der Kooperation in der Schule und im Kontext der Jugendhilfe sind bisher mehrheitlich in konkreten Einzelfällen untersucht worden. Dieser Sachverhalt mindert das Verallgemeinerungs- und Explikationspotenzial der Forschung gerade auch mit Blick auf Fragen der interdisziplinären Kooperation der schulischen Akteurinnen und Akteure und der Formen der Nutzung aufseiten der Schülerinnen und Schüler.

      Mit dem Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse in diesem Buch berichtet werden, soll zur Schliessung dieser Lücken beigetragen werden. Die nun vorliegende Wissensgrundlage erlaubt eine Gesamtsicht zum Stand der Schulsozialarbeit im deutschsprachigen Raum der Schweiz und liefert empirisch fundierte Antworten auf folgende Forschungsfragen:

       Wie ist die Schulsozialarbeit in der Deutschschweiz organisiert und ausgestattet?

       Welche Formen von Kooperation zwischen Schulsozialarbeitenden, Schulleitungen und Lehrpersonen sind tatsächlich zu beobachten?

       Welches sind die Erfolgsfaktoren der interdisziplinären Kooperation?

       Wer sind die Nutzerinnen und Nutzer der Schulsozialarbeit und wie nutzen sie deren Angebote?

      Um diese Fragen beantworten zu können, wurden zwischen August 2016 und Dezember 2017 über 1000 Schulsozialarbeitende der gesamten Deutschschweiz kontaktiert und um ihre Teilnahme an der Studie gebeten. In einem zweiten Schritt wurden auch die Schulleitenden und Lehrpersonen zur Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit befragt. Für die Beantwortung der Fragen zur Nutzung und zu den Nutzerinnen und Nutzern von Schulsozialarbeit konnten weiter über 4000 Schülerinnen und Schüler aus 32 Schulen für eine schriftliche Befragung gewonnen werden. Die so generierten quantitativen Daten wurden anschliessend mit statistischen Methoden ausgewertet.

      Im weiteren Verlauf des Buchs werden die Resultate der Forschung in drei Kapiteln schrittweise dargestellt und situiert. Um die Situierung zu unterstützen, befasst sich die Einleitung als Nächstes mit dem Forschungsstand und beschreibt anschliessend detaillierter unser Vorgehen bei der Forschung, die so gewonnenen Stichproben und die Datenanalyse.

      1.2 Stand der Forschung

      Mit dem Ausbau von schulsozialarbeiterischen Angeboten seit den 1970er-Jahren hat sich eine intensive Forschungstätigkeit im Bereich der Schulsozialarbeit etabliert (Baier, 2011a; Speck, Olk, 2010a). Die bisherige Forschung konzentrierte sich vor allem auf Fragen der Implementation und Evaluation und ist mehrheitlich anwendungsorientiert und primär politisch initiierten Projekten zuzuordnen (Olk, 2005). Die Studien zielen auf die Messung der von der Schulsozialarbeit erbrachten Leistungen (Baier, Heeg, 2011), die Zufriedenheit der beteiligten Akteurinnen und Akteuren sowie auf subjektive Wirkungseinschätzungen; sie beziehen sich oft auf konkrete Projekte an einzelnen Schulen (Fabian, Drilling, Müller, Galliker Schrott, Egger-Suetsugu, 2008; Neuenschwander, Iseli, Stohler, Fuchs, 2007; Pfiffner, Lienhard, Neuenschwander, 2011; Stohler, Neuenschwander, 2009; Stohler, Neuenschwander, Huwiler, Fuchs, 2008).

      Ein Grossteil der theoretisch ausgerichteten Arbeiten befasst sich mit verschiedenen Profilen, Positionierungen und Zuständigkeitsbereichen der Schulsozialarbeit (aktuell z.B. Ahmed, Baier, Fischer, 2018; Chiapparini, Stohler, Bussmann, 2018). Es werden unter anderem arbeitsweltbezogene (Rademacker, 2002), integrierte (Hartnuß, Maykus, 2004), sozialraumorientierte (Deinet, 2011), lebensweltorientierte (Ahmed, 2011), integrationsorientierte (Drilling, Fabian, 2010) sowie ganzheitlich bildungsorientierte Ansätze (Baier, 2011c) entwickelt und vertreten. Gemeinsam ist diesen Programmatiken, dass sie kaum auf empirischen Beobachtungen realer Praxisformen beruhen.

      Ein weiterer Strang der Auseinandersetzung mit der Schulsozialarbeit lässt sich der Nutzerinnen- und Nutzerforschung zuordnen (Oelerich, 2010); diese Studien konzentrieren sich auf die Frage, wie das Angebot der Schulsozialarbeit von den unmittelbaren Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen, angeeignet und beurteilt wird. Dabei wird betont, dass sich die Leistungspräferenzen und Nutzungsstrukturen der Adressatinnen und Adressaten vor dem Hintergrund individueller Lebenslagen herausbilden und unterscheiden (Graßhoff, 2013; Schaarschuch, Oelerich, 2005). Bei diesen eher individualistisch orientierten Ansätzen finden sozialstrukturelle Fragestellungen kaum Platz.

      Im letzten Jahrzehnt haben sich einige Studien mit Kooperationen zwischen Schulen und Institutionen der Jugendhilfe befasst (Bauer, 2005; Becker, 2001; Behr-Heintze, Lipski, 2005; Blandow, 2001; Coelen, 2008; Hartnuß, Maykus, 2004; Hollenstein, 2000; Kugler, 2012; Maykus, 2011; Olk, 2005; Stickelmann, Will, 2004; Vogel, 2006). Dabei fokussieren die theoretischen Arbeiten auf das grundsätzliche Verhältnis von Jugendhilfe und Schule, deren (getrennte) historische Entwicklung (Greese, 2004; Olk, Bathke, Hartnuß, 2000; Thole, 2012) und aktuelle Einbettung in kommunale oder regionale Bildungslandschaften (Spies, 2013). Auf der empirischen Ebene im Rahmen von Evaluationen einzelner Schulen oder Projekte werden zudem Formen der Kooperation zwischen Schule und verschiedenen Institutionen der Jugendhilfe analysiert. Darüber hinaus hat unseres Wissens nur eine mittlerweile ältere deutsche Studie von Raab, Rademacker und Winzen (1987) die Kooperationen zwischen den Akteuren verschiedener Institutionen empirisch untersucht.

      Ausführlichere Forschungsergebnisse, Modelle und Entwicklungshinweise gibt es zur Kooperation zwischen Lehrpersonen und Schulsozialarbeitenden (Ahmed et al., 2018; Krause, 2002; Prüß, Bettmer, Hartnuß, Maykus, 2001). Sie verweisen auf Verständnis- und Informationsdefizite, welche die Kooperation auf beiden Seiten erschweren (Olk et al., 2000, S. 133ff.). Speck (2009, S. 100 ff.) nennt als Gründe für die Kooperationsprobleme zwischen Lehrpersonen und Schulsozialarbeitenden die historisch getrennte Entwicklung des Bildungswesens und der Jugendhilfe, unterschiedliche Organisationsstrukturen, Zielgruppen- und Aufgabenüberschneidungen, berufskulturelle Unterschiede, die ungleiche Ausstattung mit Macht, Informationsdefizite und verzerrte Interpretationen. Fragen der Zusammenarbeit der Schulleitung mit der Schulsozialarbeit werden dagegen seltener untersucht. Hinsichtlich der Zusammenarbeit von Schulsozialarbeit und Lehrpersonen wurden in der Fachliteratur unterschiedliche Kooperationsmodelle identifiziert, etwa das Distanz-, das Subordinations- und das Kooperationsmodell (Drilling, 2004; Elsner, 2001; Iseli, Grossenbacher, 2013; Neuenschwander et al., 2007; Seithe, 1998; Wulfers, 1996; siehe auch Abschnitt 1.3). Nur in Letzterem verstehen sich laut diesen Untersuchungen Lehrpersonen und Schulsozialarbeitende als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner, die auf verschiedenen Ebenen kooperieren. Dagegen, so der Tenor der Einschätzungen, gelingt es der Schulsozialarbeit im Subordinationsmodell aufgrund ihrer hierarchischen Unterordnung nicht, ein eigenständiges Profil zu entwickeln und die Methoden der Sozialen Arbeit auf das System Schule zu adaptieren (Drilling, 2004). Im Distanzmodell operieren die beiden Akteure weitgehend unabhängig voneinander.

      Ein weiterer Teil der Forschung zur Schulsozialarbeit beschäftigt sich mit ihren Themenfeldern und den durch sie bearbeiteten Problematiken (z.B. zur Rolle der Beratung Baier, 2018). Gemäss Vögeli-Mantovani und Grossenbacher sind es zu Beginn der Expansion der


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