Mann 2020. Markus Margreiter
Bei meinen Vorträgen im Rahmen von Gesundheitsaktionen in Firmen mit männerlastiger Belegschaft frage ich zum Auflockern immer ins Auditorium: »Prostata, hm? Hat das nur die Frau? Oder nur der Mann?« Sie würden sich wundern, wie man da ins Grübeln kommen kann.
In diesem Zusammenhang sei der hohe Stellenwert sogenannter Setting-spezifischer Gesundheitsaktionen erwähnt. Dabei werden Menschen in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld in eine medizinische Vorsorge eingebunden. Studien zeigen deutlich, dass darüber die Gesundheit nachhaltig verbessert und Erkrankungen frühzeitig erkannt werden können. Daher ein großes Lob an Firmen wie OMV und Siemens, für die ich schon solche Männergesundheitsaktionen organisieren und durchführen durfte. Auch dort fragte ich nach, wer nun wirklich eine Prostata hat und blickte in viele ratlose Männergesichter.
Um keine Unklarheit aufkommen zu lassen: Die Prostata ist rein männlich. Sie zählt zu den akzessorischen Geschlechtsdrüsen und ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Hoden, Samenleiter und Außenwelt. Falls Sie am Stammtisch glänzen wollen: Das Pendant im weiblichen Körper sind die Paraurethralen oder Skeneschen Drüsen.
Bei jungen Männern zwischen 20 und 30 hat die Prostata ein Volumen von etwa 15 Millilitern, im Alter kann sie sich zu einem Pfirsich auswachsen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn ein 50-Jähriger eine Kastanie von 40 bis 50 Millilitern in sich herumträgt, was etwa ihrer dreifachen Größe entspricht. Wirklich aussagekräftig ist das alles aber letztlich nicht. Es gibt Patienten, die mit einer 150-Milliliter-Prostata zu mir kommen und weniger Symptome haben als jemand mit einem Winzling von 30 Millilitern. Die Größe der Prostata geht also nicht automatisch mit dem Schweregrad der Symptome einher. Willkommen im Irrgarten der Diagnostik.
Könnte man einfach so einen Blick in den Körper werfen, fände man die Prostata leicht nach vorne geneigt direkt unter dem Blasenhals, wo sie den ersten Teil der Harnröhre umschließt, die sogenannte prostatische Harnröhre. Nach hinten hin kuschelt sie sich ans Rektum, was die gefürchtete Fingeruntersuchung nahelegt. Das ist die einzige Möglichkeit, die Kastanie abzutasten, es gibt keinen anderen Weg ohne Hilfsmittel von außen. Auf der anderen Seite, also nach vorne hin, stößt die Prostata an das Schambein, nach unten an den Beckenboden.
Womit wir bei einem Begriff sind, auf den Männer rein gar nicht reagieren. Der Beckenboden ist, sofern man überhaupt von ihm gehört hat, reine Frauensache. Was für ein Irrtum. Denn im Becken des Mannes fließt extrem viel zusammen, rund um die Prostata herum zentriert sich die Männlichkeit.
Zwischenfrage: Kennen Sie Ihren Beckenboden?
Kein Drama, wenn Sie jetzt den Kopf schütteln, die meisten von uns wissen gar nicht, dass sie einen haben. Tatsache ist aber, dass wir ohne ganz schön blöd dastehen würden. Generell hat der Beckenboden eine wichtige Haltefunktion nach unten für den Stützapparat und die Rückenmuskulatur. Gemeinsam mit dem Zwerchfell, das nach oben hin wirkt, entscheidet er über die gesamte Rumpffestigkeit.
Obwohl der Aufbau etwas unterschiedlich ist, verhält sich der Beckenboden in den Grundfunktionen bei Mann und Frau gleich. Der feine Unterschied besteht in den Durchtrittsöffnungen. Die Frau hat drei, für Harnröhre, Scheide und Enddarm, beim Mann sind es zwei, weil Harn und Geschlechtstrakt sich einen Weg teilen.
Ist die Muskulatur im Beckenboden eher schwach, merkt man das beim Harnlassen. Bei Frauen zeigt sich das mit Inkontinenz nach Geburten. Bei Männern betrifft es das berühmte Nachtröpfeln, für das meistens die Prostata beschuldigt wird. In vielen Fällen liegt es aber an fehlgesteuertem An- und Entspannen der Beckenbodenmuskeln.
Was tun?
Zusammenzwicken und loslassen. Als müsste man ganz dringend, und es wäre keine Toilette in der Nähe. Das ist eine Übung, die in viele Richtungen nützt. Der Aufwand ist überschaubar: An- und Entspannen, mehr ist nicht nötig, um den Beckenboden in Form zu halten. Da auch die Muskeln, die für den Orgasmus zuständig sind, im Beckenboden verankert sind, wirkt sich die Übung auch in der Sexualität erfreulich aus.
Wenn wir uns weiter im Zentrum der Männlichkeit umschauen, begegnen wir rund um oder in der Prostata noch ein paar Mitspielern des Orchesters, das die Sexualität dirigiert.
Zum Beispiel die Nerven, die für die Erektion zuständig sind. Sie laufen in der Hülle, die die Prostata umgibt. Ohne diese Nerven keine Manneskraft.
Oder eine Produktionsstätte der Samenflüssigkeit. Die meisten wissen das nicht, aber als exokrine Drüse bildet die Prostata selbst einen großen Teil des Ejakulats, immerhin etwa ein Drittel. Die Hoden liefern nur zehn Prozent der Samenzellen. Ungefähr fünfzig Prozent stammen aus den Samenbläschen, die an der Prostata dranhängen. Das Sekret enthält ganz wichtige Bestandteile, die die Spermien beweglich halten. Ohne diese Beweglichkeit keine Zeugungsfähigkeit.
Ein anderes Sekret, das sogenannte Prostata-spezifische Antigen, kurz PSA, verhilft zur Verflüssigung des Ejakulats. Das ist nötig, weil das Ejakulat in dem Moment, da es zusammengemischt wird, so zähflüssig ist, dass es die Samenzellen schwer hätten, sich ihren Weg über die Gebärmutter zu bahnen und sich mit der Eizelle zu verbinden. Ohne PSA kein Weiterkommen.
Wieder ein anderes Sekret ist für die Säure zuständig, die gebraucht wird, um den pH-Wert im weiblichen Geschlechtstrakt gut abzupuffern, damit die Samenzellen überleben können.
Die Menge des Ejakulats ist übrigens keine Messlatte für die Potenz. Sie hängt einmal ganz banal davon ab, wie groß die Samenblasen sind, die die Flüssigkeit produzieren. Zweitens spielt die Ernährung eine Rolle. Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Prostata sind möglich, allerdings anders, als man es erwarten würde. Eine vergrößerte Prostata erkennt man nicht an einer gewaltigen Ladung Samenflüssigkeit. Im Gegenteil, oft verringert sich die Menge dann sogar, oder die Ejakulation wird schmerzhaft.
So ein Schmerz im schönsten Augenblick kommt zum einen daher, dass sich ja nicht nur das funktionelle, gute Drüsengewebe vergrößert. Zum anderen werden die 30 bis 50 Ausführungsgänge von der Größe so abgedrückt, dass sie nicht mehr gut gereinigt werden. Diese winzigen Gänge und Schläuche, von denen auch kaum ein Mann eine Ahnung hat, verhalten sich dann wie eine umgekehrte Brause.
Eine der Hauptrollen in all diesem Zusammenspiel haben die Hormone über. Was Hamlet oder Mephisto am Theater sind, ist das Testosteron in der Entwicklungsgeschichte unserer Kastanie. Erst das Testosteron macht die Prostata während der Pubertät zu einem funktionsfähigen Organ. Und die Balance der Hormone, insbesondere von Testosteron, Östrogen und Progesteron ist ganz entscheidend für spätere Probleme.
WIE ERKENNT MAN SIE NUN, DIE PROBLEME?
DIE MÖGLICHKEITEN DER DIAGNOSTIK
In der Diagnostik hat sich auf dem Gebiet der Prostata-Erkrankungen in den vergangenen Jahren immens viel getan.
• Die einfachste und leichteste Methode ist nach wie vor die Fingeruntersuchung, die den meisten Männern solchen Respekt abringt. Sie ist vielleicht unangenehm, aber schmerzlos.
Die Daumenregel dabei: Eine gesunde Prostata fühlt sich etwa so an, als drücke man mit dem Finger der einen Hand auf die zur Faust geballte andere Hand, und zwar genau zwischen Daumen und Zeigefinger. Im Fall von Prostata-Krebs hat man das Gefühl, etwas danebengegriffen und auf einen Knöchel gedrückt zu haben.
Mit der Fingeruntersuchung lassen sich etwaige Knoten ertasten, sie gibt Aufschluss über Größe und Beschaffenheit. Die Prostata kann sich elastisch, teigig oder verhärtet anfühlen, da gibt es riesige Unterschiede. Die Oberfläche gibt erste Hinweise auf mögliche Probleme. In jedem Fall bekommt man Informationen über die Spannung im Beckenboden und im Schließmuskel. Aus medizinischer Sicht ist es ungemein wichtig, den Patienten anzugreifen. Erst dabei bekommt man als Arzt ein Gefühl für die Sache und erfährt wesentlich mehr als aus den leblosen Labor-Werten. Obwohl diese ebenso wie die Harnuntersuchung wichtig für die Diagnostik ist.
• Eine ebenso einfache und bewährte Untersuchung ist die Harnflussmessung. Statt direkt in die Toilette pinkelt der Patient in einen Trichter. Simple Übung und im Normalfall absolut schmerzlos. Über einen Kurvenverlauf erkennt der Urologe, wie gut das Harnlassen funktioniert.