Die Fast Food Falle. Harald Sükar

Die Fast Food Falle - Harald Sükar


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gilt. Seien es amerikanische, seien es internationale.

      Es ist Jänner 2004. Beim Sundance Festival streift der Film gleich seinen ersten Preis ein, den für die beste Regie. Eine Reihe weiterer Auszeichnungen wird folgen. Im Mai desselben Jahres kommt der Streifen in die US-amerikanischen Kinos.

      In den vier Monaten zwischen Festival und Leinwandstart rumort es gewaltig hinter den Kulissen. Offiziell wird das später nie jemand bestätigen, doch die einhundert bitterbösen Minuten, die Morgan Spurlock für seine satirische Gesellschafts-Doku abgedreht hat, haben es in sich. Und sie haben Folgen. Auch wenn bis zum heutigen Tage behauptet wird, dass die Änderungen im kulinarischen Programm bei McDonald’s, die im Anschluss folgen sollten, schon lange vorher geplant waren.

      Wie es sich wirklich abgespielt hat, habe ich selbst miterlebt. Damals war ich, nach knapp zweijähriger Unterbrechung, zum zweiten Mal bei McDonald’s. Nicht nur als Geschäftsführer und Chef über die damals bereits 174 Filialen in ganz Österreich, sondern obendrein als Vize-Präsident für Personalangelegenheiten in Zentraleuropa. Das bedeutete, dass ich, rein konzeptionell betrachtet, für 140.000 Mitarbeiter zuständig war.

      Dann kam der Film. Im Mai in den USA. Mitte Juli in Deutschland. Ende Oktober in Österreich. Bestimmt erinnern sich viele von Ihnen noch an die eine oder andere Szene. Nein? Nur bruchstückhaft?

      So begleiten Sie mich auf dieser kleinen Reise in die Vergangenheit. Fünfzehn Jahre zurück. Das erscheint im ersten Moment wie eine sehr lange Zeit. Dabei sind fünfzehn Jahre so gut wie nichts. Nicht bei diesem Film, denn er hat bis heute nicht nur keinen Funken Aktualität eingebüßt, sondern in seiner Dramatik im Gegenteil um Dimensionen zugelegt. Nichts, was mit Fast Food zu tun hat, hat sich seither zum Besseren gewandelt, alles nur noch wesentlich verschärft.

      Erstaunlich war und ist dieser Film in vielerlei Hinsicht. Einmal, weil er so symptomatisch ist für den Umgang der Fast-Food-Branche mit handfesten Krisen. Dann wieder, weil es ein einzelner Mensch war, der einen Riesen der Branche ordentlich ins Schwitzen gebracht hat. Ein absoluter Low-Budget-Streifen, hergestellt für fast lachhafte 300.000 US-Dollar, was schon an der Liste der Mitarbeiter abzulesen ist:

      Regie: Morgan Spurlock.

      Drehbuch: Morgan Spurlock.

      Produktion: Morgan Spurlock.

      Kamera: Scott Ambrozy.

      Schnitt: Stela Georgieva, Julie Bob Lombardi.

      Besetzung: Morgan Spurlock.

      Das war’s dann schon wieder. Drei für Kamera und Technik, schauspielerisch eine One-Man-Show, sieht man von Spurlocks Interview-Partnern ab. Aber die haben alle ohne Gage mitgemacht. Mehr ist da nicht an Aufwand. Minimale Mittel, die eine weltweit maximale Wirkung zeitigen.

      Werfen wir also im Zeitraffer einen Blick hinein in:

      »Super Size Me« – Fressen bis zum Anschlag

      »Ich glaube an Gott, die Familie und an McDonald’s. Und im Büro ist diese Reihenfolge umgekehrt.«

      Das ist auch eines der vielen, fast legendären Zitate von Ray Kroc. Auch wenn er 2004 schon seit 20 Jahren tot ist. Ich selbst stieg 1993 bei McDonald’s ein, erlebte Kroc als Big Boss also nicht mehr. Dennoch war seine eiserne Hand, sein Generalkonzept, weder die Auswahl der Produkte, noch die Vermarktung und überhaupt keinen einzigen Handgriff eines Mitarbeiters dem Zufall zu überlassen, auch für mich von Anbeginn spürbar. Jederzeit. Das war immer schon so. Und das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert. In jeder der knapp 37.000 Filialen. Für jeden der rund 1,8 Millionen McDonaldianer.

      Überhaupt sind viele von Krocs Philosophien und Vorgaben bei McDonald’s so etwas wie ungeschriebene und zugleich eherne Gesetze. Unantastbare Fixpunkte, Maximen, an denen nicht zu rütteln ist. Weltweit heilige Kühe. Selbst wenn sie nicht mehr zeitgemäß sein mögen, oder hinderlich, weil eben die Betriebsabläufe im 21. Jahrhundert andere sind. Ich komme noch darauf zurück.

      Der Film Super Size Me präsentiert zu Beginn allerdings ein anderes Zitat. Eines, das uns bereits begegnet ist:

      »Kümmere dich um die Kunden,

      und das Geschäft wird sich um sich

      selbst kümmern.«

      Zuvor werden wir noch für ein paar Sekunden auf eine Weise in die Materie eingestimmt, sodass uns zum ersten Mal der Atem wegbleibt. Weil die allerersten Bilder diese sind: eine Schar von Schulkindern, im Freien aufgefädelt, in mehreren Reihen sitzend. Fröhliche Buben und Mädchen, die ein Lied singen. Nicht irgendeines. Der Text geht so:

      »A Pizza Hut …A Pizza Hut.

      Kentucky Fried Chicken and a Pizza Hut.

      McDonald’s …McDonald’s!

      Kentucky Fried Chicken and a Pizza Hut.

      I like food … I like food …

      Kentucky Fried Chicken and a Pizza Hut.«

      Die Worte werden ergänzt durch ausladende Gesten der Kinder, die auf einfachste Weise die angesprochenen Fast-Food-Riesen darstellen sollen. Die Schülerinnen und Schüler sind allesamt etwa zehn bis zwölf Jahre alt, und viele mit deutlich zu viel Gewicht an den Rippen. Sehr viele sogar. Einige richtiggehend fett, sodass einem das Herz stockt in einer Mischung aus Schock und Mitgefühl.

      Dann, schwarz unterlegt, das erwähnte Zitat mit den Kunden.

      Jetzt erst, zu Bildern einer wehenden US-Flagge, setzt die Stimme des Sprechers ein. Wir bekommen zu hören, was wir ohnedies wissen: dass die USA das Land der Superlative ist, weil alles um einen Tick größer ist als anderswo. Autos. Häuser. Von da bis dort. Bis hin zu den Portionen auf den Tellern.

      Dann: »Die USA sind heute die fetteste Nation der Welt. Herzlichen Glückwunsch.«

      Ein Filmprofi wie Spurlock weiß natürlich genau, an welchen Schrauben er drehen muss. Doch um billige Effekthascherei geht es letzten Endes gar nicht, weil das, was danach kommt, ohnedies für sich spricht.

      Wir erfahren, dass sechzig Prozent aller US-Amerikaner übergewichtig oder stark übergewichtig sind, sprich: fettleibig. Halten wir an dieser Stelle den Film kurz an.

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