Draußen unterrichten (Ausgabe für Österreich, E-Book). Stiftung SILVIVA
Wo? Was? Wie?
Die verschiedenen Draußenlernorte
Anlaufstellen, Netzwerke, Aus- und Weiterbildung
Warum in der Natur unterrichten?
Lust am Lernen
Als Lehrperson sind Sie Fachfrau bzw. Fachmann dafür, dass Kinder lernen zu lernen. Die Kinder sollen sich Lebenskompetenzen aneignen, die es ihnen ermöglichen, ein sinnvolles, erfülltes und verantwortungsvolles Leben zu führen. Zusammen mit den Eltern und anderen Bezugspersonen sind Sie eine zentrale Person im Leben jedes Kindes. Sie können Türen weit aufstoßen und die Kinder dabei unterstützen, Lust am Lernen zu entwickeln und auch zu bewahren.
Möglicherweise sind Sie nicht zuletzt aus solchen Gründen überhaupt erst Lehrperson geworden: wegen Ihrer Begeisterung für die Kinder und deren leuchtende Augen, wenn sie wachsen und wenn sie lernen, die Welt, sich selber, ihr soziales Umfeld und die Natur immer besser, tiefer, differenzierter, toleranter und mit Weitblick zu verstehen.
Mit diesem Handbuch möchten wir Ihnen das praktische Rüstzeug liefern, um diese Lernprozesse erfolgreich zu unterstützen – und zwar einfach und praktisch umsetzbar, in jedem Fachbereich der 1. bis 8. Schulstufe.
Das Spezielle daran: Wir möchten Sie und Ihre Kinder nach draußen entführen, in die Natur, in den Kulturraum. Und zwar nicht als nette Zugabe, sondern damit Sie Ihre Unterrichts- und Lehrplanziele erfüllen können. Sie fragen natürlich zu Recht: Warum draußen?
Wie Sie sicher schon gemerkt haben, benutzen wir in diesem Buch anstelle von »Schülerinnen und Schüler« den Ausdruck »Kinder«. Der Grund dafür ist, dass wir diese jungen Menschen nicht in einer Funktion, sondern als ganzheitliche Personen betrachten möchten.
Draußen unterrichten …
… ermöglicht lernen am realen Objekt > »Nur dadurch, dass ich Wasser anfasse, kann ich lernen, was es heißt, dass Wasser nass ist. Zugleich höre ich es glucksen oder tropfen, sehe ich Wellen und Reflexe, rieche vielleicht das Meer oder das Gras am Seeufer und erhalte so einen Gesamteindruck, der in mir – zusammen mit vielen anderen solcher Erfahrungen – zu einer komplexen und differenzierten Repräsentation von Wasser führen wird. Wenn ich diese innere Repräsentation (noch) nicht habe, kann ich auch die buntesten Bilder und die schrillsten Töne aus dem Computer gar nicht verstehen. Die bereits stattgefundene Wechselwirkung mit der wirklichen Realität ist also Voraussetzung dafür, dass ich mit der virtuellen Realität des Computers auch nur im Ansatz umgehen kann« (Spitzer, 2006, S. 225).
… fördert Sozialkompetenzen und Klassenklima > Für Lehrpersonen, die häufig draußen unterrichten, zählen die verbesserten Beziehungen zwischen Kindern und Lehrpersonen sowie zwischen den Kindern untereinander zu den wichtigsten Aspekten des Draußenunterrichtens. Dieser gestärkte soziale Boden spart längerfristig Zeit und hilft bei der Alltagsgestaltung des Unterrichts, drinnen wie draußen.
… ist gesund > Draußen bewegen sich die Kinder mehr, was zum Abbau von Aggressionen und zu besserer Konzentration, körperlicher Fitness und einem besseren Selbstbewusstsein führt. Naturaufenthalte verbessern das Wohlbefinden und dämpfen Stress. Draußen zu unterrichten, ermöglicht Ihnen, die Ziele des fächerübergreifenden Themas »Gesundheit« zu erreichen und die personalen Kompetenzen der Kinder zu fördern.
… entlastet Sie langfristig > Am Anfang bedeutet draußen unterrichten für Sie Aufwand und Wagnis. Aber Lehrpersonen, die regelmäßig draußen unterrichten, berichten über genau dieselben positiven Effekte wie die Kinder auch: Sie haben mehr Freiheit, fühlen sich gesünder und zufriedener, kommen abends entspannter nach Hause, ihre Unterrichtspraxis wird bereichert. Mit der Zeit und Regelmäßigkeit werden die Kinder draußen selbstständiger, kreativer, motivierter und aufmerksamer.
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Gründe, warum draußen unterrichten sinnvoll sein kann – aus wissenschaftlicher Sicht und aus der Sicht erfahrener Lehrpersonen. Wir haben diese Gründe für Sie in Teil 3 (↗ hier – hier) zusammengestellt. Vielleicht nützen Ihnen diese Grundlagen in der Diskussion mit Eltern, Schulleitung und Kolleginnen und Kollegen.
Draußen und drinnen
Draußen unterrichten kann Ihnen mehrere zusätzliche Pfeile im Köcher Ihrer Lehr-Lern-Arrangements bieten. Es ermöglicht und ergänzt Dinge, die im Klassenzimmer nur eingeschränkt möglich sind. Draußen lernen ist eine gut erprobte und wirksame Erweiterung Ihrer Handlungsmöglichkeiten als Lehrperson – variabel und flexibel einsetzbar nach Gutdünken auf Basis Ihrer professionellen Kompetenz als Lernspezialistin bzw. Lernspezialist. Sie haben die ganze Bandbreite an Möglichkeiten: von einem einstündigen Aufenthalt auf dem Schulhof bis zum ganztägigen und regelmäßigen Unterricht im Wald.
Draußen zu lernen ist nicht besser als drinnen zu lernen, und der Unterricht draußen kann auch nicht das Klassenzimmer ersetzen – und umgekehrt. Warum also nicht alle Vorteile vereinen und drinnen mit draußen kombinieren? Den Kindern sowohl High-tech-Erfahrungen als auch High-touch-Erfahrungen in authentischen Lernumgebungen ermöglichen? Ein solches Lernen ist zukunftsweisend, weil es Schule und Alltag, Theorie und direkte Erfahrung vereint. Es ermöglicht den Kindern, ihre unmittelbare Mitwelt kennen, schätzen und respektieren zu lernen.
Lernen am realen Objekt
Unmittelbare Eindrücke festhalten
Wer? Wo? Was? Wie?
Wer?
Unterrichten Sie selber draußen, anstatt Experten einzuladen. Je mehr Sie draußen unterrichten, desto einfacher und gewinnbringender wird es. Holen Sie sich zu Beginn eine im Draußenunterricht erfahrene Lehrperson als Tandempartnerin bzw. Tandempartner.
Wo?
Unterrichten Sie regelmäßig draußen im nahen Schulumfeld, sowohl in der natürlichen als auch in der kulturellen Mitwelt.
Was?
>Unterrichten Sie fächerübergreifend und testen Sie alle Fachbereiche draußen aus.
>Machen Sie den Link zwischen Naturerfahrung und Alltagshandeln, zwischen der Schule draußen und der Schule drinnen. Arbeiten Sie an beiden Lernorten an denselben Zielen und Themen. Überlegen Sie sich, wie Sie die Vor- und Nachbereitung im Schulzimmer gestalten wollen. Was soll drinnen vertieft bzw. evaluiert werden?
>Verfolgen Sie draußen nicht nur Fachbereichsziele; behalten Sie immer auch die überfachlichen Kompetenzen im Auge, etwa diejenigen Kompetenzen, die eine nachhaltige Lebensweise fördern.
>Wenn Sie regelmäßig draußen