minimal lernen. Regina Hunter

minimal lernen - Regina Hunter


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sei.

      Der Ökonome Pareto hat die nach ihm benannte Regel gefunden, die festhält, dass mit 20 % an Aufwand 80 % Ertrag erbracht werden kann.20 Minimalismus scheint also sinnvoll zu funktionieren. Es ginge dann darum, 80 % an Lernstoff wegzulassen und die 20 % an Wichtigem für den Lernerfolg zurückzuhalten.

      Schon Seneca (4 v. Chr. bis 65 n. Chr.) meinte: «Ein Jammer, dass auch die Römer die eitele Sucht ergriffen hat, sich mit überflüssigem Lernstoff zu belasten», wie er dann weiter die Griechen kritisiert: «Es war ein krankhaftes Bestreben der Griechen, zu untersuchen, wie viele Ruderknechte Ulixes gehabt habe, was früher abgefasst sei, die Ilias oder die Odyssee, überdies, ob der Verfasser beider der nämliche sei, und noch manches andere dieser Art, das, wenn man es bei sich behält, als stiller geistiger Besitz uns nichts hilft, oder, wenn man es veröffentlicht, uns mehr lästig als gelehrt erscheinen lässt.»

      Wird minimal gelernt, kann das Gelernte als bewältigbar und einfach erfahren, erfasst und gespeichert werden. So können Lust, Erfolg und Beherrschung des Gelernten entstehen.

      Diese Minimierung ermöglicht auch, dass im Gehirn Raum und Kapazität entsteht für Neuverknüpfungen, die notwendig sind für das Lösen ähnlicher und andersartiger Aufgaben und die erst Kreativität ermöglichen. Dies ist nur möglich über einfache, minimale Konzepte oder in vereinfachte Kategorien übergeführte Konzepte. Diese gelernten Konzepte können auf den Kopf gestellt, neu verbunden werden – und daraus kann Neues geschaffen werden. Man kann nicht zu innovativen Erkenntnissen und Leistungen gelangen, indem man nur auf schon Bekanntes und Gewohntes aufbaut. Neue Erkenntnisse entstehen, indem man Komplexes in Einfaches zerlegt und daraus Neues kreiert.

      Dazu braucht es ein minimales Lernen, damit nicht zu vieles und zu Kompliziertes den Kopf zustellt und die Freude und Lust am Probieren und Spielen nimmt.

      Es geht nicht darum, möglichst viel oder alles zu lernen. Die Aufgabe ist vielmehr, Lernen von «viel und schwierig» zu «minimal und bewältigbar» zu verändern. In den nächsten drei Kapiteln folgen deshalb drei Bedingungen für ein Gelingen von Lernen und Beispiele.

      1 MASTERING – OBERHAND GEWINNEN

      Einleitung

      Was ist an Computerspielen so attraktiv und faszinierend und warum werden sie von so vielen v. a. männlichen Kindern und Jugendlichen so intensiv gespielt? Dies ist vor allem bei Jungen der Fall, die schwieriger als Mädchen fürs Lernen zu erreichen sind. Und oft, wenn man sie zum Lernen animieren möchte, sind sie vor diesen Computerspielen zu finden und kaum wegzubringen. Wenn man hinsieht, was dort passiert, wird als eine Hauptsache klar, dass man bei diesen Spielen als Sieger aus dem Ganzen hervorgehen wird. Und sollte man nicht als hoch dekorierter, gefeierter Sieger hervorgehen, spielt das überhaupt keine Rolle. In einem solchen Fall wird das Spiel einfach abgebrochen und neu gestartet, oder es werden mit cheats die Regeln umgangen und herangezaubert, was gebraucht und gewünscht wird. Und so ist klar, dass ich immer wieder Sieger werden kann. Zudem sind die Anweisungen so einfach, klar und sich immer wiederholend, dass eine Überforderung kaum möglich ist. Ich brauche nur Übung. Viele Spiele werden unter diesen Voraussetzungen mit der Zeit langweilig. Weiter wird der Schwierigkeitsgrad oft über das Tempo gesteuert, das selbst bestimmt wird. Viele Spiele sind so stark in der Fantasiewelt beheimatet, dass dann sowieso alles nach üblicherweise geltenden Kriterien keine Rolle spielt. Schliesslich ist es dann noch so, dass wenn ich diese Figuren nur schon ansehe, ich mich unter muskulösen, in der Sache und beim anderen Geschlecht erfolgreichen Siegertypen befinde, dazugehöre und selbst ein Held bin. Klar ist also, ich bin schon Sieger, wenn ich anfange. Dies sind klare Anweisungen für das Entstehen von Motivation und Beherrschung. Bergmann äussert sich folgendermassen dazu: «Die nervösen, hyperaktiven Jungen, die sich realen Ordnungen nicht fügen und realen Anforderungen nicht folgen können, bewegen sich in den digitalen Symbol- und Möglichkeitsräumen sicher und geduldig und mit hoher Ausdauer, als seien sie seelisch endlich zu Hause.»21

      Lernstoff und Lernumgebungen präsentieren sich ganz anders als Computerspiele. Es ist aber absolut entscheidend, dass bezüglich des Lernstoffes und Lernprozesses ein Gefühl des Beherrschens entsteht – ansonsten ist der Zugang zum Lernen nicht möglich.

      Bevor die konkrete Bearbeitung des Lernstoffes gezeigt werden soll, soll zunächst auf die psychischen und mentalen Mechanismen und Voraussetzungen für Lernen eingegangen werden.

      Von der Motivation und im Speziellen dem Gefühl, etwas beherrschen und erfolgreich sein zu können, hängt sehr viel ab. Schiefele und Streblow meinen, dass es von der Lernmotivation abhänge, ob ein Schüler oder eine Schülerin überhaupt eine Lernaktivität ausführe und wie lange und intensiv er oder sie lerne.22

      Es ist hinreichend bekannt, dass das emotionale Erfahrungsgedächtnis blitzschnell, in Millisekunden, und unterhalb der Bewusstseinsschwelle reagiert und dem Organismus mitteilt, ob eine positive oder negative Erfahrung vorliegt und eine annähernde oder abwendende Reaktion erfolgen soll.23 Dabei hinterlässt jede Begegnung, die der Organismus gemacht hat, einen sogenannten «somatischen Marker», der die Bewertung dieser Erfahrung speichert. Diese Bewertung erfolgt nach dem System «Gut gewesen, wieder aufsuchen» oder «Schlecht gewesen, das nächste Mal lieber meiden».24 Die «Neurowissenschaften gehen davon aus, dass in evolutionär älteren Gehirnstrukturen, über das emotionale System, fortwährend Reaktionsselektionen stattfinden, ‹deren sich der Organismus nicht bewusst ist und die infolgedessen auch nicht willentlich vorgenommen werden›».25 Auch für Roth ist, ausgehend von den neurobiologischen Erkenntnissen, klar: «Lernen ist ein Prozess, dessen Erfolg überwiegend von unbewusst wirkenden Faktoren abhängt, und zwar im Wesentlichen von Emotionen […]. Nur wenn die Frage bejaht wird [ob sich der Aufwand lohnt, R. H.], ‹lernt› das Gehirn.»26 «Bei allem, was wir tun wollen und uns vorstellen», so Roth weiter, «wird etwa eine Sekunde vorher im limbischen System abgefragt, ob das Beabsichtigte passend bzw. gut oder unpassend bzw. schlecht für den Organismus ist, und zwar im Lichte vergangener Erfahrung».27 Wenn Lern- und Schulerfahrungen negativ besetzt waren, werden diese in Zukunft automatisch, unbewusst und sehr schnell vermieden. Storch und Krause schreiben, dass: «Verhaltensweisen, die aufgrund der Erfahrungen, die ein Organismus gesammelt hat, unerwünschte Ergebnisse nach sich ziehen würden, mithilfe von negativen somatischen Markern aus der Palette der Wahlmöglichkeiten ausgeschieden werden».28 So wird gelernt, Lernmöglichkeiten zu vermeiden.

      Die höheren kognitiven, rationalen Funktionen, die über den Wert des Lernens Bescheid wissen, arbeiten demgegenüber deutlich langsamer.

      Für das Lernen sind demnach positiv verbundene Gefühle von Erfolg und Beherrschung unabdingbar. Es gilt, «den bedrückenden Eindruck zu vermeiden, dass man sich vor einer riesengrossen Aufgabe befindet, ein Gefühl, das insbesondere vom limbischen System gefürchtet wird».29 Vielleicht wird überhaupt erst gelernt, wenn das Gehirn ‹sagt›: «Ich bringe etwas zuwege, und deshalb fühle ich mich wohl.»30 Durch diese Beruhigung kann der Kortex alle seine Funktionen einsetzen. «Wir brauchen schon im Vorfeld das Gefühl der Machbarkeit.»31 Dieses Gefühl von «Das ist doch kinderleicht, und ich kann das spielend» ist dann die Grundlage, um weitere Lernerfahrungen zu suchen und anzugehen.32 Durch das schrittweise Lernen und einen emotional angenehmeren Zugang zum Lernen wird weiteres Lernen erleichtert.33 Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Intentionsbildung an das Auftauchen von positiven Emotionen gekoppelt ist.34 Es ist für einen Lerneffekt nicht ausreichend, nur zu lernen und zu wiederholen, sondern dies muss mit einem positiven Gefühl von Erfolg gekoppelt sein. Es wird dann gelernt und die neuronale Übertragungseffizienz erhöht, wenn zwei Bedingungen an Neuronen gegeben sind: «Sie müssen häufig benutzt werden und sie müssen erfolgreich benutzt werden.»35

      Wird dem Gehirn vermittelt, dass das Angetroffene


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