Es ist alles ganz einfach. Massimiiano Allegri
Umfeld übernommen hatten.
Mit dieser kurzen Einführung wollte ich aufzeigen, wie groß der Unterschied zwischen einem Menschen sein kann, der eher dazu neigt, eine persönliche Denkweise zu entwickeln, und einem anderen, der sich im Gegensatz hierzu – teils aus Angst, teils aus Schüchternheit – lieber der allgemeinen Denkweise anschließt. Auch in diesem Punkt (es gibt auch noch einige andere) ist es im Fußball exakt wie im Leben. Was ich euch im Folgenden sagen möchte, gilt sowohl für Kinder (die natürlich noch keine Lebenserfahrung haben) als auch für meine Spieler, die zumindest theoretisch erfahrener sein sollten: Man sollte versuchen, Fußballspieler zu formen, und ihnen beibringen, eigenständig zu denken. Ja, wirklich zu „denken“, denn im Fußball trifft man in einem Spiel – sosehr man sich auch auf alle Eventualitäten vorbereitet haben mag – selten auf dieselben Modalitäten wie im Training. Auf dem Spielfeld gibt es vor allem den Trainer der gegnerischen Mannschaft, der dich kennt und einen seiner Spieler an einer bestimmten Position auf dem Spielfeld aufstellt. Wir können uns nun auf ein Match auf bestmögliche Art und Weise mittels Trainingseinheiten vorbereitet haben, in denen wir eine bestimmte Aktion eingeübt haben. Doch sobald man dem Gegner gegenübersteht, ist es Letzterer, der dich durch seine Gegenangriffe dazu zwingt, das, was du während der Woche eingeübt hast, in größerem oder geringerem Ausmaß zu modifizieren. Und dann ist es essenziell, Spieler zu haben, die daran gewöhnt sind, selbst zu denken. Wenn nicht, täte sich ein Fußballspieler schwer damit, eine Situation, die sich plötzlich durch die Gegentaktik des Gegners verändert hat, einzuschätzen und dann eine bessere Option zu wählen. Fußballspieler zu klonen – seien es nun Kinder oder Spieler der ersten Liga –, richtet also große Schäden an. Aus diesem Grund sollten alle – die jüngeren wie auch die erfahreneren Spieler – Spaß am Spiel haben. Und es ist die Aufgabe von uns Trainern, zu garantieren, dass sie den auch haben. Dies gilt umso mehr für die Jugendtrainer, die auch eine Erziehungsaufgabe zu erfüllen haben: Immer, wenn ich mit einem von ihnen spreche, betone ich vehement, wie wichtig der spielerische Aspekt des Fußballspiels ist bzw. dass der Zweck des Spielens in erster Linie die Freude daran ist. Man sollte dabei lächeln und im Training eine Energiequelle sehen, die für Wohlbefinden sorgt.
Im Zusammenhang mit dem Thema Sport höre ich immer wieder den Begriff „Mannschaftsspiel“: Doch wenn vier von zehn Spielern auf dem Spielfeld stehen und im Passspiel schlecht sind, weil sie es nicht besser gelernt haben, nun, dann werden alle auf dem Trainer herumhacken und ihm die Schuld daran geben, dass seine Mannschaft schlecht spielt.
Man muss also an der analytischen Technik und an der Individualtaktik arbeiten. Wenn wir Kinder darin unterrichten, einzeln zu spielen, die Grundlagen zu erlernen und selbstständig zu denken, fällt es ihnen später ziemlich leicht, sich in eine Mannschaft einzugliedern. Doch gewöhnlich haben wir es mit Personen zu tun, die längst wissen, wie man Fußball spielt, eben weil sie es schon gelernt haben. Warum sollte man sie also in festgelegte Schemata zwängen? Normalerweise nenne ich keine Namen, doch in diesem Fall schon. Jungs wie Nicolò Fagioli und andere der U23- und der Primavera-Nachwuchsmannschaft von Juventus Turin haben gute Grundlagen und kennen also das Fußballspiel gut. Es wäre unter diesen Umständen regelrecht kontraproduktiv, ihnen mit festgelegten Geometrien Grenzen aufzuerlegen. Das hätte wirklich keinen Sinn.
Man muss an der analytischen Technik und an der Individualtaktik arbeiten.
Was also kann ein Trainer tun? Auf folgende Details sollten wir uns alle – mich eingeschlossen – konzentrieren: Man muss jedem einzelnen Spieler beibringen zu decken, zu schauen, wohin der Gegner den Ball abgeben kann, und zu begreifen, dass man, wenn die gegnerische Aktion sehr elaboriert ist, immer einen Moment warten sollte, bevor man mit der Deckung anfängt. Wenn hingegen die gegnerische Aktion relativ schnell abläuft, muss man auch das Tempo der Deckung steigern. Wenn man jedoch aus einem Sieg Kapital schlagen oder mit einem Sieg in der Tasche nach Hause fahren will, müssen die Jugendlichen – oder auch erfahrene Spieler wie die meinen – unbedingt lernen, wann man den Rhythmus steigern und wann man ihn verlangsamen muss bzw. wann es ratsam ist, den Ball auf die Tribüne zu schießen, oder wann es besser ist, den Ball zu spielen und das Spiel aufzubauen.
Ein paar praktische Beispiele gefällig? Wenn ich selbstständig denkende Spieler habe, könnte eine aktive Antwort auf meine Vorgabe: „Löst euch von eurer Zone“ darin bestehen, „Situationen vorauszusehen“. Ebenso werden die Spieler, wenn ich sie mir zu denkenden Spielern heranziehe, die Fähigkeit entwickeln, „alternative Verhaltensweisen“ zu kreieren.
Doch fahren wir fort. Ich mag es, wenn jemand aus dem Fußballjugendsektor sagt: „Man muss den Jugendlichen das Spielen beibringen.“ Für die Jüngeren stimmt das sicherlich, aber sie müssen unbedingt auch verstehen, dass man hin und wieder den Ball auf die Tribüne schießen muss, wenn man ein Spiel gewinnen will. Um dies zu erreichen, müssen sie darin trainiert sein, in einer solchen Aktion eine mögliche und folglich machbare Alternative zu sehen. Denn wenn man die Jugendlichen nicht dazu erzieht, selbsttätig zu denken, werden sie allesamt zu hirnlosen „Zuchthühnern“: Man jagt sie auf ein Spielfeld, man schaut sich ihre Spiele an, doch diese scheinen alle gleich zu verlaufen.
Ich weiß, dass viele denken, ich stünde mit meinen Kollegen von anderen großen Mannschaften in einem ständigen Meinungsaustausch über unterschiedliche Fußballtaktiken und ihre Einsatzmöglichkeiten. Falsch! Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Letztere eigentlich keinen Nutzen haben. Die technischen Aspekte, die Kinder noch nicht kennen, sind vor allem die Spielzeiten und das Sich-Freispielen. Ein Trainer sollte sich also nicht so fühlen, als habe er sich nicht selbst verwirklicht, wenn er eine schlichte Trainingseinheit zum Thema Ballbesitz oder ein kleines Match von 40 Minuten anberaumt, denn in beiden Fällen kann man eventuelle Fehler der Spieler korrigieren. Es ist viel zu einfach, sie in statischen Situationen zu korrigieren, man muss das in dynamischen Situationen tun. Manchmal macht man Übungen mit Trainingsdummies, und vielleicht kommt unser Stürmer auf den Dummy zu und stoppt den Ball schlecht. Im Training hat das keine weiteren Folgen, doch wenn dies während eines Spiels geschieht, gelingt es dir nicht nur nicht, ein Tor zu schießen, sondern der Verteidiger nimmt dir auch noch den Ball ab und reagiert mit einem Konter. Fußball ist kein Spiel nach Schemata wie Volleyball, bei dem die beiden Mannschaften noch nicht einmal Kontakt haben, da sie durch ein Netz voneinander getrennt sind, oder wie Basketball, bei dem Schemata unerlässlich sind. Ich will damit sagen, dass Fußball nie ein wissenschaftlicher Sport sein wird, wie es uns alle glauben machen wollen.
Im Laufe meiner 15-jährigen Trainerkarriere konnte ich hin und wieder beobachten, wie die Trainer von Jugendmannschaften arbeiten, und zwar nicht nur in den Vereinen, in denen ich Trainer war. Ich liebe Fußball und schaue mir gerne Fußballspiele auf jedem beliebigen Niveau an. Ihr habt keine Vorstellung, wie oft ich hochqualifizierte Trainer gesehen habe, die während der Woche die Bewegungen ihrer Mannschaft mit 10-gegen-0-Übungen eingeübt haben, also ohne reale Gegner. Das machen auch wir bei Juventus Turin so: die zehn Stammspieler auf dem Spielfeld mit fünf Dummies und dem Torwart. Wir sprechen also von Vollprofis, von Spielern, die mit dem Ball mehr oder weniger alles tun können, was sie wollen. Nun, bei dieser Übung gelingt es selbst den Profispielern nur bei drei von zehn Versuchen, ein Tor zu schießen. Ihr könnt euch vorstellen, was geschieht, wenn man dasselbe Training mit einer Anfängermannschaft macht …
Und doch erzählen mir Kollegen, dass man häufig derartige Anweisungen hört: „Du kommst dorthin, dann spielst du den Ball dem Mittelstürmer (Nr. 9) zu, der wiederum spielt ihn dem Rechtsaußen (Nr. 7) zu, in diesem Moment rennt der Außenverteidiger (Nr. 2) an der Seitenlinie los und legt quer zum Mittelstürmer im Strafraum, während der Linksaußen (Nr. 11) in die lange Ecke zieht.“ Ist das zu glauben? Das sagt man zu 12-Jährigen!? So etwas macht mich wahnsinnig! Und dann geschieht es, dass der Mittelstürmer während des Spiels allein ist und sich zum Tor drehen und ein Tor schießen könnte, doch stattdessen spielt er brav den Ball dem Rechtsaußen zu, weil der Trainer es ihm so eingebläut hat. Oder der halblinke Stürmer (Nr. 10) schafft es, drei Angreifer abzuschütteln, und könnte ein Tor schießen, doch er entscheidet sich, den Ball dem halbrechten Stürmer (Nr. 8) zuzuspielen, weil er dieses „Schema“ am Tag zuvor mehrfach geübt hat. Und was passiert dann möglicherweise? Sein Mitspieler macht vielleicht einen Fehler bei der Ballkontrolle oder der