Es ist alles ganz einfach. Massimiiano Allegri

Es ist alles ganz einfach - Massimiiano Allegri


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geschweige denn, wenn Kinder involviert sind. Allzu häufig gehen die Kreativität und die Fähigkeit, Spielsituationen einzuschätzen, verloren, weil die Statistiken dir sagen, welche schematische Bewegung am besten funktioniert. Wir bringen der Verteidigung bei, den Stürmer (Nr. 10) zu doppeln, mit dem Ergebnis, dass der Verteidiger nie lernen wird, allein zurechtzukommen, und der Stürmer aus Angst vor einem Ballverlust lieber einen Rückpass macht: Auf diese Weise haben wir zwei Spieler weniger für andere potenzielle Verteidigungslösungen. Wir ziehen uns Zuchthühner heran, die nicht eigenständig denken und Situationen nicht erkennen können.

      Ich bin Jahrgang 1967 und ich bin dennoch kein Nostalgiker. Wie alle in diesem Alter trauere ich jedoch den Zeiten nach, in denen ich mit einem halb platten Ball in Pfützen spielte und kratzige Wollunterwäsche trug. Die Kinder von heute haben so viel mehr Möglichkeiten und Chancen als wir damals. Man darf sich auf keinen Fall Spieler und Trainer heranziehen, die nichts anderes als Hühner in einer Legebatterie sind. Denn sonst denken die Spieler nicht mehr selbst und man nimmt ihnen ihre Kreativität. Die Trainer sind ihrerseits weniger einfallsreich, weil sich ihre Arbeitsweise auf Situationen stützt, in denen sie sich sicher fühlen und die in ihren Augen den Beruf des Trainers aufwerten. Sie fühlen sich herabgesetzt, wenn man von einfachen Dingen spricht, sie fühlen sich jedoch wichtig, wenn sie über Schemata diskutieren können.

      Zum Schluss: Der Wochentag, an dem oben Genanntes besprochen werden kann, könnte ein Montag oder ein Dienstag sein. Denn wir sprechen von Grundkonzepten und tun gut daran, diese in der Vorbereitungsphase auf jegliche zu behandelnde Thematik zu klären. Seid lebendige Spieler und keine Replikanten wie im Film Blade Runner!

      Was andere über mich sagen

       Federico Bernardeschi

       „Er hat die Fähigkeit, die Mannschaft zu führen, er versetzt sich in jeden einzelnen Spieler hinein, um zu verstehen, was dieser effektiv tun muss.“

       Gigi Buffon

       „Allegri hat ein neues Bild von Juventus Turin erschaffen. Hin und wieder gelingen ihm diese Wunder; ich habe keine Ahnung, wie er das macht, ich weiß nur, dass sie ihm gut gelingen. Wir beglückwünschen ihn und uns, die wir vollen Einsatz zeigen.“

       Regel Nr.

       5

       „Authentizität, Richtung und eine Prise Empathie – das sind die perfekten Zutaten, um das Vertrauen der Spieler zu gewinnen.“

      Um für mehr Klarheit zu sorgen, möchte ich euch, bevor ich die eben genannte Regel genauer unter die Lupe nehme, von einem weiteren Erlebnis berichten, das ich als Trainer von Juventus Turin hatte. Ich komme noch einmal auf einen Zeitraum zu sprechen, der – das hatte ich schon erwähnt – einer der wichtigsten für mich in Turin war: nämlich die Begegnung mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League 2015/2016.

      Gut. Mit Blick auf das Rückspiel hatten wir die Dinge, die im Hinspiel schiefgelaufen waren, irgendwie korrigiert – erinnert ihr euch daran, dass wir uns nur wenige Minuten nach dem Anpfiff zur Halbzeit mit zwei Toren im Rückstand befanden, und das auf dem eigenen Spielfeld? – und fanden uns in Bayern ein. Wir standen unter dem Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, da unser Ausgangspunkt das 2:2 von Turin war. Das Unterfangen war alles andere als einfach, aber tief in mir war ich ganz ruhig, weil ich spürte, dass die Mannschaft Vertrauen hatte. Und ich selbst hatte Vertrauen in meine Jungs, weil ich genau wusste, was wir tun mussten. Außerdem hatte ich im Laufe meiner Karriere schon so oft mit Guardiola zu tun gehabt, nämlich als er auf der Trainerbank des FC Barcelona saß und ich den AC Mailand trainierte. Nun war also eben „Pep“ Trainer des FC Bayern. An Ideen mangelte es mir also ganz bestimmt nicht, nur dass es eine ganz andere Sache war, diese auch in die Tat umzusetzen …

      Das Wichtigste war, diese Ideen der Mannschaft zu vermitteln. Ich dachte, ich müsste die Aufmerksamkeit der Spieler auf nur wenige Konzepte lenken, und das nicht allzu viele Tage vor Austragung des Spiels. Ich mochte es noch nie, Spiele mit übertrieben großem Vorlauf vorzubereiten, geschweige denn bei dieser Gelegenheit.

      Wenige Konzepte abhandeln also, doch wie? Indem man den Eindruck erweckt, als sei alles offensichtlich, klar und machbar! Ich war immer schon davon überzeugt, dass den Spielern die folgende Vorstellung gefällt: Wenn sie die Anweisungen befolgen und etwas gut machen, werden sie mit einem positiven Ergebnis belohnt. Dieser Gedankengang nimmt den Druck von ihnen, was die Spielzüge betrifft. Es ist, als ob der Ball auf einmal weniger Gewicht hätte und jegliche Entscheidung sehr viel leichter zu treffen wäre.

       Wenn die Spieler etwas gut machen, weil sie die Anweisungen befolgen, werden sie mit einem positiven Ergebnis belohnt.

      Ich gehe noch einen Schritt weiter zurück. Für all diejenigen, die es vergessen haben sollten, rufe ich in Erinnerung, dass uns im Jahr vor dieser zweifachen Begegnung mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League 2014/15 Borussia Dortmund als Gegner per Los zugeteilt wurde, nachdem wir in der Qualifikationsrunde Gruppenzweiter geworden waren. Sie waren zwei Jahre zuvor ins Finale der Champions League eingezogen, sie waren nun Gruppensieger nach den Vorrundenspielen, doch in der Bundesliga waren sie im Abstieg begriffen. Die Mannschaft wurde von Jürgen Klopp trainiert, es war ganz klar gegen Ende seiner Trainerschaft. Nachdem wir das Hinspiel – bei dem wir das Spiel dominiert hatten und das gegnerische Tor nur einstecken mussten, weil Giorgio Chiellini ausgerutscht war – mit 2:1 gewonnen hatten, waren wir wegen des Rückspiels vor der gelben Wand der Borussia-Fans sehr in Sorge. Nein, ich möchte mich genauer ausdrücken: Es war weniger Sorge, sondern es handelte sich, würde ich sagen, eher um „Versagensangst“. Es war uns sehr bewusst, dass wir gut waren, doch das eine oder andere Jahr, in dem es auf europäischer Ebene schiefgelaufen war, lastete psychisch auf uns.

      Patrice Evra hat vor einiger Zeit die Anekdote erzählt – und dabei etwas übertrieben –, doch ich habe bei der Spielvorbereitung tatsächlich so etwas Ähnliches gesagt wie: „Wenn wir dies tun, gewinnen wir!“ Und tatsächlich, auf dem Spielfeld wurde das in die Praxis umgesetzt, was ich von den Spielern verlangt hatte. Dies brachte uns ein großartiges Individualspiel von Carlos Tévez ein, der nach drei Minuten ein Tor schoss. Und damit rückte der Einzug ins Viertelfinale in greifbare Nähe. Wir gewannen das Rückspiel tatsächlich mit 3:0 aufgrund einer großartigen Leistung, die möglich wurde, weil die Spieler demjenigen vertrauten, der sie auf eine bestimmte Art und Weise auf dem Spielfeld aufgestellt hatte. Ich hatte ihnen Anweisungen gegeben, und sie hatten diese umgesetzt. Beim Rückspiel gegen den FC Bayern jedoch wirkte sich der Zwischenfall mit Evras Fehler negativ auf das Vertrauen aus, das ich auf Seiten der Spieler spürte – Fußball ist nun einmal, wie schon gesagt, alles andere als eine exakte Wissenschaft.

      Von diesem Beispiel aus der Praxis kommen wir nun zur Regel Nr. 5, die ich folgendermaßen zusammenfassen möchte: „Das Vertrauen der Spieler durch Empathie, Authentizität und Methodik gewinnen.“ Aus diesen drei Begriffen setzt sich Vertrauen eigentlich zusammen. Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Gemütsverfassung anderer Menschen hineinzuversetzen. Die Spieler fühlen sich verstanden und spüren, dass der Trainer auf ihrer Seite steht. Außerdem erzeugt die Empathie, die ich ihnen gegenüber zeige, auch das Vertrauen der Spieler untereinander und begünstigt so die Entwicklung des Spiels, da jeder Einzelne von ihnen weiß, was er von seinen Mitspielern erwarten kann. Die Geschlossenheit der Gruppe beim Spiel profitiert also davon.

      Der zweite Begriff ist die Authentizität, die wir als Fähigkeit definieren können, sich selbst treu zu bleiben und dafür geschätzt zu werden. Die Spieler nehmen das wahr und geben doppelt so viel, um das in die Tat umzusetzen, was ihnen ein authentischer Mensch geraten hat. Doch auch zwischen den Mitspielern entsteht eine ehrliche Bindung: Keiner blufft, alle strengen sich an und lassen nicht nach in ihrem persönlichen Engagement, da sie wissen, dass genau das wie durch Magie zur grundlegenden Spielregel geworden ist.

      Und nun sind wir schließlich


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