Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne. Regina Mathy

Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne - Regina Mathy


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zugrunde gelegt werden.

      Das Religionsverfassungsrecht ist historisch gewachsen. Insbesondere die Erfahrungen der NS-Zeit machen deutlich, wie wichtig ein funktionierendes Religionsverfassungsrecht, das den Schutz von Religionsgemeinschaften gewährleistet, für eine Gesellschaft ist. Es gilt einen Ausgleich zu finden zwischen „Religionsermöglichung und Religionsbegrenzung“.360 Die Väter und Mütter des GG haben sich für eine Inkorporation der einschlägigen Artikel der WRV entschieden, die heute als vollgültiges Verfassungsrecht gelten.

      Die zunehmende Internationalisierung des Rechts macht auch vor dem deutschen Religionsverfassungsrecht nicht halt.361 Die Religionsfreiheit ist auch ein EU-Grundrecht (Art. 10 GRCh) und wird durch die EMRK (Art. 9 EMRK) sowie andere völkerrechtliche Verträge garantiert. Um die Einflussnahme des Unionsund Völkerrechts auf das kirchliche Arbeitsrecht beurteilen zu können, muss in einem ersten Schritt das Verhältnis des nationalen Religionsverfassungsrechts zum Europa- bzw. Völkerrecht näher betrachtet werden.

      In den letzten Jahrzehnten hat das Unionsrecht einen erkennbaren Bedeutungszuwachs erlebt.362 Aus einer rein wirtschaftsorientierten Gemeinschaft (EWG) hat sich eine starke Europäische Union (EU) entwickelt, der schon lange deutlich über wirtschaftliche Regelungen hinausgehende Kompetenzen zukommen. Obschon eine noch weitere Annäherung durch eine gemeinsame Verfassung scheiterte, übernahm der Vertrag von Lissabon 2009 wesentliche Elemente des geplanten Verfassungsvertrags und ist aktuell Grundlage für die Zusammenarbeit der noch 28 Mitgliedstaaten.

      Die Mitgliedstaaten haben sehr unterschiedliche Traditionen das Verhältnis zwischen Staat und Kirche betreffend. Die Regelungskonzepte lassen sich grundsätzlich drei Modellen zuordnen363: Nach dem sog. Staats- bzw. Volkskirchenmodell sind Staat und Religionsgemeinschaft institutionell und funktionell verbunden.364 Bei Staaten hingegen, die das sog. Trennungsmodell anwenden, werden die Religionsgemeinschaften aus dem staatlichen Bereich in den privaten Bereich gedrängt. Es gibt lediglich privatrechtliche Organisationsformen.365 Dazwischen ordnet sich das sog. Kooperationsmodell ein: Der Staat verhält sich offen gegenüber den Religionsgemeinschaften, er fördert sie und kooperiert mit ihnen.366 Die BRD ist letztgenanntem Modell zuzuordnen, wobei eine deutliche Tendenz hin zum Trennungsmodell erkennbar ist.367 Die Einordnung darf nicht starr verstanden werden, vielmehr besteht eine Konvergenz der Modelle untereinander. Neuerdings wird in der Literatur daher das sog. „Zwei-Ebenen-Modell“ bevorzugt.368 Hiernach gibt es eine grundrechtliche Ebene und eine Ebene, welche die spezifische Ausgestaltung der Religionsfreiheit beschreibt. Alle Mitgliedstaaten gewähren die Religionsfreiheit, Divergenzen bestehen auf Ebene der spezifischen Ausgestaltung.

      Sofern man von einem „Unions-Religionsrecht“369 überhaupt sprechen kann, basiert es auf den folgenden vier Säulen: Art. 17 Abs. 1 AEUV, den religionsrechtlichen Diskriminierungsverboten (Art. 10 und 19 AEUV, Art. 21 GRCh), dem europäischen Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 10 GRCh) und dem Schutz der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (Art. 4 Abs. 2 EUV).370

      Grundsätzlich besteht im Anwendungsbereich der Verträge und in den Grenzen des Art. 23 Abs. 1 GG ein Anwendungsvorrang des Primär- und Sekundärrechts der EU.371

       (i) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung

      Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (nach Art. 5, 3 Abs. 2 EUV) ist hierfür eine ausdrückliche Zuweisung der Rechtsetzungskompetenz an die EU erforderlich (Kompetenztitel).372 Die Union darf nur dort tätig werden, wo ihr die Mitgliedstaaten eine entsprechende Kompetenz innerhalb der Verträge einräumen. Für das Religionsverfassungsrecht fehlt es an einem entsprechenden Kompetenztitel.373 Ein solcher kann auch nicht aus dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 1, 3 EUV) begründet werden. Auch hiernach ist ein Tätigwerden seitens der EU nicht von Nöten, da die Mitgliedstaaten eigene Regeln zum Verhältnis Staat / Religionsgemeinschaften geschaffen haben.374 Die Kompetenz zur spezifischen Ausgestaltung eines Religionsverfassungsrechts liegt daher bei den Mitgliedstaaten.375

      In den letzten Jahrzehnten wurde die Achtung des Religionsverfassungsrechts der Mitgliedstaaten explizit geregelt.376 Mit Schaffung des Art. 17 Abs. 1 AEUV im Jahr 2009 findet sich nunmehr eine ausdrückliche Absicherung zur Achtung des Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten mit primärrechtlichem Rang.377 Es wäre indes nach herrschender Auffassung zu weitgehend, mittels Art. 17 AEUV eine vollständige Bereichsausnahme zu begründen.378

      Was im Einzelnen Inhalt des Status von Kirchen und religiösen Vereinigungen und Gemeinschaften ist, hat der EuGH bisher nicht näher definiert.379 Für den Begriff „Status“ kommt es nach Ansicht der Literatur in erster Linie auf das Verständnis des jeweiligen Mitgliedstaates an, sodass die religionsverfassungsrechtliche Vielfalt innerhalb der Union aufrechterhalten bleibt.380 Nach herrschender Auffassung sind dabei jedenfalls die fundamentalen nationalen Grundsätze des Verhältnisses Staat / Kirchen umfasst. Demnach muss auch das dem deutschen Verfassungsrecht inhärente Selbstbestimmungsrecht zum „Status“ i.S.d. Art. 17 Abs. 1 AEUV gerechnet werden.381

      Der sachliche Schutzbereich des Art. 17 Abs. 1 AEUV beinhaltet zudem das Verbot der Beeinträchtigung. Bisher ungeklärt ist das Verhältnis zwischen Art. 17 Abs. 1 AEUV und einer Beeinträchtigung des Status von Kirchen durch allgemeine europäische Rechtsetzung. Nach einer Ansicht – in diese Richtung deutet die jüngere Rechtsprechung des EuGH382 – statuiert Art. 17 Abs. 1 AEUV das Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Im Wege der praktischen Konkordanz ist im Einzelfall ein Ausgleich herzustellen.383 Je stärker eine nationale religionsverfassungsrechtliche Vorgabe Ausdruck des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche ist, desto gewichtiger wiegt das Beeinträchtigungsverbot.384 Nach anderer Ansicht gewährleistet Art. 17 Abs. 1 AEUV einen weitreichenden Schutz. Demnach wirkt das mitgliedstaatliche Recht den Status von Kirchen betreffend absolut und kann nicht durch Unionsrecht eingeschränkt werden.385 Hierfür spricht, dass der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 AEUV nicht auf das Erfordernis einer Abwägung hindeutet. Zudem kann die Union mangels entsprechender religionsverfassungsrechtlicher Kompetenz das Rechtsgut des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen einer Abwägung gar nicht bewerten. Diese Kompetenz steht ihr explizit mit Blick auf Art. 17 Abs. 1 AEUV nicht zu.386

      Eine Verpflichtung der EU das Religionsverfassungsrecht der Mitgliedstaaten zu achten, ergibt sich zudem aus dem Gebot der Achtung der nationalen Identität (Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV). Damit wird in Bezug auf Art. 6 Abs. 3 EUV klargestellt, dass die nationalen Regelungen für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zur nationalen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten zählen.387 Die institutionelle Gewährleistung steht im Vordergrund, d.h. das Verhältnis der Organisation zum Staat. Die Religionsgemeinschaften werden lediglich vor der grundsätzlichen Unmöglichkeit des Tätigwerdens geschützt.388 Insgesamt bleibt der unionsrechtliche Schutz weit hinter Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV zurück.389 Nach deutschem Verständnis können sich auch die Nebenorganisationen von Religionsgemeinschaften auf den Schutz durch das Selbstbestimmungsrecht berufen; ob diese auch nach Unionsrecht umfasst sind, ist umstritten.390

       (ii) Verfassungsrechtliche Grenzen der Übertragbarkeit der Regelungskompetenz

      Eine Grenze der Übertragungskompetenz bilden auf nationaler Ebene Art. 23 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GG. Eine Kompetenzbegründung seitens der Union ist ausgeschlossen, wenn der unantastbare Kerngehalt des Art. 79 Abs. 3 GG, insbesondere die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, betroffen ist.


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